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Gottes Handeln unterscheiden in Theologie und Erfahrung
(Auf dem Weg zu einer theologischen Kriteriologie für unterscheidbare Zuordnungen von Gottes Handelns)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Die Annahme eines Handelns Gottes ist unverzichtbar für Bibel, Liturgie und christliche Spiritualität. Zugleich trifft sie in unserer aufgeklärt-szientistischen Zeit auf massive theoretische und praktische Vorbehalte. Dies gilt vor allem für unterscheidbare Zuordnungen von Gottes Handeln. Der vorliegende Aufsatz erklärt unterscheidbare Zuordnungen von Gottes Handeln aus dem Zusammenhang verschiedener Formen von Gottes Wirken und erarbeitet Kriterien für einen verantwortbaren Gebrauch dieser Kategorie für Theologie und christliche Praxis.
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2008-05-05

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Gott handelt in einer wahrnehmbaren und unterscheidbaren Weise innerhalb unserer Welt. Diese Annahme ist für das gelebte Christentum und ihre Wurzeln in Bibel, Eucharistie und alltäglichem christlichen Leben absolut zentral. Anderseits hat die heutige Theologie mit diesen Ansprüchen  große Probleme. Manchmal führen diese zu einer direkten Zurückweisung der Rede von Gottes Handeln und öfters zu einem ängstlichen Ausweichen vor diesem Thema. Zu behaupten, dass Gott in unserer Welt auf wahrnehmbare und unterscheidbare Weise handelt, hat den Anruch des Anthropomorphen und Fundamentalistischen. War es Gott, der den Kommunismus im Jahr 1989 gestürzt hat? Warum hat er dann nicht die anschließenden Bürgerkriege im Balkan verhindert? Wenn Gott die Israeliten aus Ägypten herrlich herausgeführt hat, hat er dann nicht zugleich die Ägypter ertränkt? Hat Gott New Orleans mit einem Hochwasser bestraft??  Wenn Gott in dieser Welt handelnd eingreift, ist er dann gerecht? Ist Gott fair? Oder ist er parteiisch und willkürlich? Menschen, die ein innergeschichtlich unterscheidbares Handeln Gottes nicht ausschließen wollen, drohen nicht nur unbequeme Fragen, sondern auch unerwünschte Schulterschlüsse mit Fundamentalisten, die pauschal Aids als Geisel Gottes bezeichnen. Um sich hier nicht völlig zu verlaufen, braucht es präzise Unterscheidungen, und zwar auf jeder Ebene: grundlegend, mit einer Klärung der Eigenart des göttlichen Wirkens im Vergleich zu innerweltlichen Wirkungen, und auch für die gelebte Praxis: Hier müssen Unterscheidungskriterien gefunden werden, die verhindern, dass Menschen „den eigenen Vogel mit dem Heiligen Geist verwechseln".

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1. Die Rede von Gottes Handeln ist absolut zentral ...

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1.1 ... in der Bibel

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Zentraler Referenzpunkt für den Glauben des Alten Testaments ist der Auszug aus Ägypten, - und darin die Erfahrung von Gottes geschichtsmächtigem Befreiungs- und Heilshandeln.

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„Heute sollt ihr erkennen, daß der Herr euch erzogen hat. Denn nicht eure Kinder, die die Erziehung durch den Herrn, euren Gott, nicht kennengelernt und nicht miterlebt haben, sondern ihr selbst habt alle großen Taten, die der Herr getan hat, mit eigenen Augen gesehen, seine Macht, seine starke Hand und seinen hoch erhobenen Arm, 3 seine Zeichen und seine Taten: was er in Ägypten mit dem Pharao, dem König von Ägypten, und mit seinem ganzen Land getan hat; 4 was er mit dem ägyptischen Heer, den Rossen und Streitwagen getan hat - das Wasser des Schilfmeers ließ der Herr über ihnen zusammenschlagen, als sie euch nachsetzten, und er riß sie in die Tiefe, so daß sie heute nicht mehr sind -; 5 was er mit euch in der Wüste getan hat, bis ihr an diesen Ort gekommen seid; 6 was er mit Datan und Abiram getan hat, den Söhnen Eliabs, des Sohnes Rubens - die Erde riß ihren Rachen auf und verschlang sie mit ihren Familien, ihren Zelten und ihrem ganzen Troß in der Mitte von ganz Israel."1

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Wesentlich für die religiöse Identität ist die Erinnerung von Gottes Heilstaten. Wenn die Erfahrung von Gottes machtvollem Handeln ausblieb und die Erinnerung daran verblasste, fiel das Volk von Gott ab.2 Deshalb schärft das Alte Testament den Juden ein, Gottes Taten von Generation zu Generation weiterzuerzählen.

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„Was wir hörten und erfuhren, was uns die Väter erzählten, 4 das wollen wir unseren Kindern nicht verbergen, sondern dem kommenden Geschlecht erzählen: die ruhmreichen Taten und die Stärke des Herrn, die Wunder, die er getan hat. 5 Er stellte sein Gesetz auf in Jakob, / gab in Israel Weisung und gebot unseren Vätern, ihre Kinder das alles zu lehren, 6 damit das kommende Geschlecht davon erfahre, / die Kinder späterer Zeiten; sie sollten aufstehen und es weitergeben an ihre Kinder, 7 damit sie ihr Vertrauen auf Gott setzen, / die Taten Gottes nicht vergessen und seine Gebote bewahren 8 und nicht werden wie ihre Väter, / jenes Geschlecht voll Trotz und Empörung, das wankelmütige Geschlecht, dessen Geist nicht treu zu Gott hielt." (Ps 78,3-8)

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Vor allem für die Psalmen ist das Handeln Gottes ein beinahe durchgängiges Leitmotiv. Die Erinnerung von Gottes Heilshandeln3 begründet das staunende, lobpreisende Bekenntnis zu einem mächtig handelnden Gott.4 Das Bekenntnis zum rettend handelnden Gott erfolgt auch in Öffentlichkeit und ist so zugleich ein Glaubenszeugnis für die anderen. 5 Der Psalmist fordert andere zum Bekenntnis auf,6 und in Notsituationen gibt er sich selber einen Ruck, Gottes mächtiges Handeln doch zu bedenken und darauf zu vertrauen.7 Er erinnert Gott an die Taten der Vergangenheit8 und erbittet gleiche Hilfe für die gegenwärtige Not.9 So gewinnt er die Hoffnung, dass er auch in Zukunft Gottes rettendes Handeln wird bekennen können.10

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Insgesamt lässt sich vertreten, dass „Jahwes erwählendes Geschichtshandeln an Israel ... als Mitte des Alten Testaments, damit als Grundstruktur alttestamentlichen Glaubens" zu bestimmen ist.11

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Das Neue Testament stimmt in das alttestamentliche Bekenntnis von Gottes Heilsandeln ein.12 Dabei ist Gottes Handeln vor allem vermittelt durch das Handeln Jesu Christi. Das von Jesus in Vollmacht angekündigte Gottesreich bedeutet, dass Gott in ungehinderter Weise heilsmächtig handelt. Der Anbruch dieses Gottesreichs wird zeichenhaft vergegenwärtigt durch Jesu Machttaten.13 und die Machttaten der von ihm berufenen Jünger: Jesus sendet sie aus, dass sie wie er mit Wunderheilungen und Dämonenaustreibungen den Anbruch des Gottesreichs vollmächtig verkünden. Das heilvolle, befreiende und rettende Handeln soll durch die Jünger und dann durch die Kirche vermittelt werden. In ihren Wundertaten spiegelt sich Gottes Handeln.14

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Das Handeln Gottes wird im Neuen Testament aber nicht nur durch die Taten von Jesus und den ihm Nachfolgenden repräsentiert, Gott handelt auch in besonderer Weise an Jesus. Zentral für dieses Handeln Gottes sind die Inkarnation - die wunderbare Empfängnis Marias mündet in den Lobpreis von Gottes Handeln im Magnifikat15 - und die Auferweckung Jesu: Diese ist als machtvolles Handeln des göttlichen Vaters an seinem Sohn zu begreifen.16

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1.2 ... in der Liturgie

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Die Liturgie vergegenwärtigt, feiert und vollzieht Gottes Handeln in sakramentaler Weise. In den Sakramenten wirkt Gott nach katholischer Lehre „ex opere operato", „aus der Kraft des Vollzugs", das heißt mit einer Gewissheit, die nicht durch eine zweifelhafte Würdigkeit von Spender und Empfänger in Frage gestellt werden kann. Diese Lehre wirft Fragen auf: Wird nach ihr nicht ein Handeln Gottes durch ein beliebig wiederholbares Handeln von Vertretern der Kirche konditioniert, - so als ob jedesmal, wenn Priester und Gemeinde eine Messe feiern, Gott zu einem entsprechenden Handeln veranlasst oder gar gezwungen wird? Zur Vermeidung von solch inadäquaten Vorstellungen ist das Zusammenspiel von Handeln Gottes und Handeln der Menschen zu klären. Einen guten und bibelnahen Ansatz dafür geben jene Stellen des Johannesevangeliums, in denen Jesus den Jüngern zusagt, der himmlische Vater werde ihnen alles, worum sie in Jesu Namen bitten, erfüllen.17 In diesem Sinn können die Sakramente als Bitten im Namen Jesu begriffen werden, denen von Jesus unbedingte Erfüllung verheißen ist.18

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Dieser vollmächtigen Bitte entspricht in der Eucharistie die Epiklese: Stellvertretend für die gesamte Gemeinde bittet der Priester in der Wandlungsepiklese den Heiligen Geist um Heiligung der Gaben Brot und Wein, damit sie zu Leib und Blut Christi gewandelt werden. Die Wandlung der Gaben zielt dabei auf eine Wandlung der feiernden Menschen und mit ihnen der gesamten Kirche und sogar der Menschheit, für die sie feiernd eintreten. Erbeten wird vom Heiligen Geist nicht nur eine innere Wandlung der einzelnen Menschen (zu einer vertieften Gottunmittelbarkeit in Christus), sondern eine Wandlung der Menschen im Hinblick auf ihre Sozialbeziehung: Sie sollen miteinander eins werden in Christus; sie sollen gewandelt werden in Christi Leib. Dies ist der ausdrückliche Inhalt der Kommunionepiklese, die sachlich (und in manchen frühen Hochgebeten auch im Textverlauf) eng mit der Wandlungsepiklese verbunden ist:19 „Wir bitten dich: Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut, dass wir eins werden durch den Heiligen Geist."20

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Bei den alttestamentlichen Texten haben wir gesehen, dass die Bitte um ein neues Handeln Gottes in einer erinnernden Vergegenwärtigung von Gottes früherem Heilshandeln gründet. Dieser Vorgang, der in der - den Exodus kommemorierenden - jüdischen Paschafeier ritualisiert ist, ist auch für die Eucharistiefeier leitend. Er spiegelt sich nicht nur in den Einsetzungsworten, die der Epiklese ihre Berechtigung zusprechen,21, sondern in Präfation und Anamnese, in denen Gottes Heilshandeln dankend vergegenwärtigt wird.22

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Das heilsgeschichtliche Handeln Gottes wird in den neuen eucharistischen Hochgebeten, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführt wurden, zwar deutlicher akzentuiert, es ist aber nicht weniger zentral für den Römischen Messkanon (das heutige erste Hochgebet), der seit dem 6. Jahrhundert weitgehend identisch geblieben ist. Das heilsgeschichtliche Handeln Gottes, das in Inkarnation, Wirken, Kreuz und Auferstehung Jesu Christi kulminiert, war damit in der Feier der Eucharistie durch die Jahrhunderte durchwegs an zentraler Stelle gegenwärtig. Dennoch wurde es in Theologie und Spiritualität der Eucharistie seit dem Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vernachlässigt. Die Aktualpräsenz, d.h. die Gegenwart Gottes und Jesu Christi in ihrem anamnetisch vergegenwärtigten und lobpreisend begangenen Handeln stand ganz im Schatten der somatischen Realpräsenz, - d.h. der leiblichen Gegenwart Jesu Christi in den gewandelten Gestalten von Brot und Wein.23 Als das alles überstrahlende zentrale Wunder der Eucharistie galt die Transsubstantiation, die durch die priesterliche Konsekration von Brot und Wein gewirkt wurde. Eine starke Fokussierung auf das Opferhandeln des die Kirche repräsentierenden Priesters überdeckte die an sich unbestrittene Tatsache, dass in der Feier der Eucharistie Christi Handeln - und damit Gottes Handeln -, wie es in der Hingabe am Kreuz und (dieses vorwegnehmend) im letztem Abendmahl erfolgte, vergegenwärtigt wird.

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Erst im 20. Jahrhundert wurde unter Rückbesinnung auf Theologie und liturgische Praxis der frühen Kirche die Zentralität der Aktualpräsenz Jesu Christi wiederentdeckt. Damit leuchtete die durchgängige Bedeutung des Handelns Gottes in der gesamten Feier der Eucharistie neu auf.

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1.3 ... im christlichen Leben

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Sofern christliches Leben um Bibel und Sakramente zentriert ist, müsste das Handeln Gottes dafür ebenso zentral sein. Zum gelebten christlichen Glauben gehört es, das gesamte Leben um die Mitte Jesu Christi bzw. des dreieinen Gottes zu zentrieren. Das beinhaltet, dass die eigene Lebensgeschichte mit allen Vollzügen und Widerfahrnissen auf Gott hin ausgerichtet und von Ihm her gedeutet wird. Damit verbunden ist die glaubend-hoffende Grundannahme, dass jede Situation, in die man selbst oder andere geraten, grundsätzlich auf Heil hin offen und damit sinnvoll ist, auch wenn dieser Sinn oft nicht erkannt werden kann. Für Geglücktes dankt der Christ Gott, und seine Not bringt er bittend vor ihn. Dabei ist die Überzeugung leitend, dass Gott Menschen nicht nur in fatalen Lebenslagen helfen, sondern sie sogar durch den Tod hindurch retten kann. Das Leben ist mit dem Tod nicht zu Ende.

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Gewiss ist das eine ideale Beschreibung des christlichen Glaubens, hinter dem der christliche Alltag oft zurück bleibt. Entscheidend ist aber, dass der christliche Glaube für eine solche Lebenszentriertheit auf den Gott Jesu Christi hin offen ist. Diese Offenheit geht verloren, wo der Glaube an einen innergeschichtlich handelnden Gott blockiert ist. Und solche Blockaden sind in unserer aufgeklärten, szientistisch orientierten Gesellschaft verbreitet. Sie wurden auch für die theologische Reflexion festgeschrieben, auf wirkmächtige und einen lebendigen christlichen Glauben lähmende Weise. Im Folgenden will ich diese Problematik erschließen und Auswege skizzieren.

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2. Theologische Systematisierungen von Gottes Handeln

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Die biblische Rede vom Handeln Gottes legt eine Unterscheidung von vier Grundformen nahe, wie sie von Hans Kessler vorgeschlagen wurde:24 (1) Gottes unvermitteltes Schöpfungshandeln; (2) kreatürlich vermitteltes allgemeines und ständiges Schöpfungswirken Gottes; (3) durch menschliche Akteure vermitteltes besonderes (innovatorisches) Handeln Gottes; (4) nicht durch menschliche Aktivität vermitteltes, radikal innovatorisches Auferweckungs- und Vollendungshandeln Gottes.

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2.1 Außerordentliches Handeln Gottes in Schöpfung und Auferweckung bzw. Neuschöpfung

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Diese vierfache Unterscheidung ist auch deshalb wichtig, weil sie zwei Dimensionen von Gottes Handeln berücksichtigt, die über die Kontroversen von Gottes Wirken in der Welt25 leicht übersehen werden: die Erschaffung der Welt als ganze (1) und die Auferweckung als eine radikale durch Gott gewirkte Neuschöpfung, die die Grenzen des Todes überwindet (4). Diese Neuschöpfung wurde in der Auferweckung Jesu vorweggenommen und ist Gegenstand unserer Hoffnung für die Verstorbenen und letztlich für die Welt als ganze. Diese beiden Formen lassen jede synergistische Reduzierung von Gottes Handeln auf ein Tun des Menschen hinter sich zurück. Alles mit innerweltlichen Wirkungen und Handlungen einhergehende Handeln Gottes ist nach christlichem Verständnis durch diese beiden Formen umrahmt.26

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2.2 Kreatürlich vermitteltes allgemeines und ständiges Schöpfungswirken Gottes

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Nach biblischem Verständnis ist die Schöpfung mit der anfänglichen Setzung der Welt keineswegs abgeschlossen. Vielmehr wird die geschöpfliche Eigenwirksamkeit begriffen als stets von Gottes kontinuierlichem Wirken getragen.27 Dieses biblische Konzept wird durch die scholastische Unterscheidung von Erstursache und Zweitursache systematisierend und philosophisch vertretbar eingeholt. „Gott ist die Erstursache, das heißt der ständige, transzendental ermöglichende, aktiv wirksame Grund dafür, daß überhaupt endliche Kräfte wirken können; aber diese endlichen Kräfte wirken selbst und autonom aus sich selbst, entsprechend den in ihnen liegenden Möglichkeiten (Eigenwirken als Zweitursachen)."28 Diese Autonomie der geschöpflichen Wirklichkeiten - und damit auch der Wissenschaften, die diese geschöpflichen Wirklichkeiten analysieren, v.a. der Naturwissenschaften - wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil deutlich hervorgehoben.29

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Hier scheint allerdings eine radikale Begrenzung von Gottes Handlungsmöglichkeiten notwendig zu werden: Sind Wunder, insbesondere Naturwunder, wie sie doch in der Bibel als Erweise göttlichen Handelns berichtet werden, im Namen einer Autonomie der geschaffenen Wirklichkeit a priori auszuschließen?30 Die genannte Zuordnung von Erstursache und Zweitursachen bzw. die Autonomie geschöpflicher Wirklichkeiten besagt doch, dass Gott die - naturwissenschaftlich reflektierbare - Ordnung, in die er die Welt gesetzt hat, nicht einfach willkürlich durchbricht.31 Wir haben hier eine der Problematiken erreicht, von denen her wissenschaftlich aufgeklärte Christen - und das gilt v.a. für TheologInnen, die für den Dialog mit anderen Wissenschaften offen sind - dazu neigen, Gottes mögliches Handeln a priori stark zu einzugrenzen. Diese Problematik wird dort verschärft, wo Naturwissenschaften - in der Form von naturwissenschaftlichen Weltanschauungen - das Feld rational vertretbarer Wirkmöglichkeiten radikal einschränken, - am extremsten in einem positivistischen Szientismus, der nur das als rational vertretbar annimmt, was mit empirischen Methoden gemessen, experimentell wiederholt und so bewiesen werden kann. Solche engen Rationalitätsstandards sind inzwischen sowohl bezüglich der Naturwissenschaften als auch der (wissenschaftstheoretischen) Philosophie als überholt nachgewiesen. Sie entsprechen einem physikalistischen Wissenschaftsideal des frühen 19. Jahrhunderts, das sich sogar innerhalb der „exakten Wissenschaft" Physik selber - etwa durch Unschärferelation und Chaostheorie - als unhaltbar erwiesen hat. Solche Grenzbereiche der Physik können zwar nicht direkt herangezogen werden, um zu zeigen, wie Gott Wunder (z.B. Naturwunder) wirken kann. Sie geben aber immerhin eine Idee davon, dass der Glaube an die Möglichkeit von Wundern nicht notwendig als ein Außerkraftsetzen von Naturgesetzen verstanden werden muss.32 Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Glaube an die Möglichkeit von Wundern, wie sie in der Bibel beschrieben sind, auch unter Berücksichtigung heutiger Naturwissenschaften möglich ist ohne irrational zu sein. Er ist möglich ohne die Annahme, Gott würde willkürlich Gesetzeszusammenhänge außer Kraft setzen, nach denen er die Welt geschaffen hat. Beibehalten lässt sich der klassisch-theologische Zusammenhang von causa prima und causae secundae, wonach Gott wirkt, indem er Seiendes im Hinblick auf seine Eigenmächtigkeit nicht außer Kraft setzt, sondern zu größeren Möglichkeiten freisetzt. Hier ist ein Prinzip hilfreich, das Thomas von Aquin zum Verhältnis von Natur und Gnade formuliert hat: „Gratia non destruit sed supponit et perficit naturam." Gnade setzt die Natur nicht außer Kraft, sondern setzt sie voraus und führt sie zur Vollendung.

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2.3 Durch menschliche Akteure vermitteltes besonderes (innovatorisches) Handeln Gottes

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Das zuletzt genannte Prinzip eines gewaltlosen Zusammenspiels von Natur und Gnade, von natürlichem Eigenwirken und Wirken Gottes, ist von besonderer Bedeutung für den Bereich, wo Gott durch das Handeln von Menschen wirkt. Im Blick auf unbelebtes, belebtes, tierisches und menschliches Seiendes ergibt sich, dass mit zunehmender Eigenmächtigkeit von Seiendem das zugrundezulegende Wirken Gottes nicht ab-, sondern zunimmt. Zwischen göttlichem Wirken und innerweltlichem Eigenwirken besteht kein Konkurrenzverhältnis („je mehr das eine, desto weniger das andere"), sondern ein Verhältnis direkter Proportionalität.33 Von daher ist eine verbreitete Engführung des Themas „Handeln Gottes" zu kritisieren, wonach Gottes Handeln vor allem dort vorkomme, wo man innerweltlich nichts mehr tun kann".34

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Gemäß dem Prinzip einer direkten Proportionalität von Gottes Handeln und innerweltlicher Selbstmächtigkeit müsste Gottes Handeln bevorzugt in personalen Kontexten aufzufinden sein. Dem entspricht der biblische Befund: Die Bibel spricht vor allem dort von Gottes Handeln, wo Menschen Seinem Ruf folgen.35 Selbst Naturwunder kommen nicht einfach als von personalen Kontexten isolierte Fakten vor, sondern in Zusammenhängen, wo Menschen sich in ihrem Leben in rückhaltloser Weise auf Gott einlassen.36

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Dieser personale Konnex von Gottes Handeln hängt nicht nur (und nicht einmal primär) mit der erhöhten Eigenmächtigkeit personaler Seiender zusammen, sondern überdies mit der wesentlich interpersonalen, dialogischen Bestimmtheit von Gottes Handeln. Gottes Handeln dient seiner personalen Selbstoffenbarung gegenüber den Menschen.37

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2.4 Die Zeichenhaftigkeit des Handelns Gottes

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Im vorigen Abschnitt (2.3) kritisierte ich die Annahme, dass Gottes Handeln vor allem dort vorkommt, wo der Mensch aus sich heraus nichts mehr tun kann. Die ganze Systematik mit den vier Feldern für ein unterschiedlich gefasstes Handeln Gottes war geeignet zu zeigen, dass Gottes Handeln viel weiter und umfassender zu verstehen ist; und der biblische Überblick bestätigt diesen Befund. Dennoch liegt darin ein berechtigtes Anliegen, wenn Menschen an Gottes Handeln vor allem dort denken, wo menschliche Handlungsmöglichkeit an Grenzen stößt. Wo Menschen in solchen Situationen Gottes Hilfe erfahren, wird Gottes Handeln, das sich im Allgemeinen unter der von Gott ermächtigten Eigentätigkeit von Geschöpfen verbirgt, als Gottes Handeln in besonderer Weise sichtbar. Hier offenbart sich auf zeichenhafte Weise Gottes Handeln, und als solches ist es Grundlage für einen Glauben, der sich ohne Angst für jede Situation Gottes personaler Vorsehung anvertraut. Wie wir gesehen haben, ist dieses glaubensbegründende zeichenhafte Handeln Gottes für die Bibel zentral.

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Die Möglichkeit (und Notwendigkeit!), Gottes Handeln auch dort zu behaupten, wo es in unterschiedsloser Weise mit innerweltlichem Wirken von Natur und vor allem von Menschen einhergeht, kann die Theologie dazu verführen, die Rede von Gottes Handeln auf diese Felder zu begrenzen, - sozusagen in der theologischen Variante des Spruchs „Gott hat keine anderen Hände als unsere". So kann man die Provokanz der Rede von Gottes Handeln für eine aufgeklärte, szientistische Welt umgehen, verliert aber die für den Glaubensvollzug zentrale Zeichenhaftigkeit und Unterscheidbarkeit der Rede von Gottes Handeln. Damit wird dann auch die Rede von „Gottes Handeln" fragwürdig. Nicht wenige Theologen wollen diesen Begriff grundsätzlich durch die Rede von „Gottes Wirken" ersetzen.38 Eine solche theologische Reduzierung von Gottes Handeln ist verbreitet und hoch problematisch. Damit kann weder die biblische noch die liturgische noch die christlich-existentielle Bedeutung von Gottes Handeln eingeholt werden. Für eine systematische Theologie von Gottes Handeln ist es deshalb unverzichtbar, bei grundsätzlicher Wahrnehmung der ganzen Breite von Gottes Wirken auch die Rede eines spezifischen unterscheidbaren Handelns Gottes zu reflektieren und zu verantworten.

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Um dieses unterscheidbare Handeln Gottes, die Provokanz seiner Behauptung für die Theologie sowie um die nötigen Anforderungen, wenn man sich auf diesen heiklen Bereich einlässt, soll es im Folgenden gehen.

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2.5 Unterscheidbare Zuschreibungen von Gottes Handeln

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Zunächst möchte ich diesen nun interessierenden, umstrittenen Bereich von Gottes Handeln terminologisch genauer bestimmen. Im Folgenden soll es um „unterscheidbare Zuschreibungen von Gottes Handeln" gehen. Unterscheidbarkeit ist nach meinem Verständnis ein Kriterium für jede sinnvolle Rede von Handeln. Grundsätzlich, d.h. noch ohne spezifische Ausrichtung des Handlungsbegriffs auf Gott, halte ich es dann für sinnvoll zu sagen, dass eine Person P ein Ereignis E handelnd bewirkt, ...

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-     (a) wenn E benennbar ist;

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-     (b) wenn angenommen wird, dass E von P bewirkt wird;

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-     (c) wenn angenommen wird, dass E von P intendiert wurde;

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-     (d) wenn die Behauptung nicht von vornherein sinnlos ist, dass P das Ereignis E nicht handelnd bewirkt hat (= Falsifizierbarkeitskriterium).39

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Kann man in diesem Sinn von einem Handeln Gottes reden? Für die eingangs genannten Felder von Bibel, Liturgie und christlichem Leben gilt dies gewiss. Zahlreiche TheologInnen scheinen die Anwendung der Kriterien (c) und (d) im Hinblick auf ein Handeln Gottes für zumindest gefährlich zu halten. Darüberhinaus scheint mir vor allem im akademischen Umfeld (im Allgemeinen und der Theologie im Besonderen) eine affirmative Rede von Gottes Handeln unter Einbezug der Kriterien (c) und (d) nicht selten ein Gefühl der Verlegenheit und Peinlichkeit zu erzeugen. Dies trifft auch auf Vollzüge zu, die die Sinnhaftigkeit einer solchen Rede von Gottes Handeln voraussetzen, - zum Beispiel ein Bittgebet an Gott in konkreten Anliegen, soweit diese nicht einfach durch den von Gott motivierten Willen der Betenden bewirkt werden können.

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Weist man die Kriterien (c) und (d) für ein Reden von Gottes Handeln zurück, wird die Rede von einem Handeln Gottes grundsätzlich irreführend. Es ist dann allenfalls berechtigt, von einem Wirken Gottes zu reden. Die Problematik einer solchen Beschränkung besteht wie gesagt darin, dass zentrale Erfahrungsfelder aus Bibel, Liturgie und christlichem Leben von einer solchen Theologie nicht mehr eingeholt, bzw. nur noch kritisiert werden können.

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3. Die Peinlichkeit, vom Handeln Gottes zu reden und theologische „Auswege", um sich dieser Rede zu entziehen

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Welche Gründe machen es für Theologen schwierig und unter Umständen sogar peinlich, sich auf unterscheidbare Zuschreibungen von Gottes Handeln einzulassen?

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1. Verdacht eines anthropomorphistischen und interventionistischen Gottesbildes: Unterscheidbare Zuschreibungen von Handlungen setzen eine Abgrenzbarkeit und damit auch eine grundsätzliche Begrenztheit von Handeln voraus. Man kann sagen, wo bzw. wann ein bestimmtes Handeln vorkommt und wo bzw. wann nicht. Und mit Bezug auf die Intendiertheit dieses Handelns kann man von einem erfolgreichen, aber auch von einem erfolglosen Handeln sprechen. Wenn man ein solches Handeln Gott zuschreibt, wird dann nicht Gott selber begrenzt? Dieser Einwand ist dann berechtigt, wenn man Gottes Handeln grundsätzlich nur auf bestimmte Einzelereignisse beschränkt. Nach unserem weiter gefassten Ansatz ist unterscheidbar zuschreibbares Handeln Gottes eine besondere Form, die sich von einem alle innerweltliche Wirklichkeit umfassendes Wirken Gottes unterscheidet. Spezifisch für ein unterscheidbar zuschreibbares Handeln Gottes ist eine Zeichenhaftigkeit, die an bestimmten Ereignissen, die im Kontext von Offenbarungs- und Glaubensgeschichten stehen, Gottes Wirken als ein heilvoll zielgerichtetes Handeln aufleuchten lässt. Von solchen Erfahrungen her wird es dann möglich, in einer hoffend-glaubenden Extrapolation allem Wirken Gottes, und damit allen Ereignissen in der Welt, ein heilvolles göttliches Handeln zu unterstellen, - auch dort, wo Spezifität und Intentionalität nicht ablesbar sind oder gar heillos zu sein scheinen scheinen.40

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2. Ungeklärtes oder nicht genügend geklärtes Konkurrenzverhältnis zwischen Theonomie, Autonomie und Heteronomie: Wer argwöhnt, dass der Vollzug von konkreten Bittgebeten ein Eingeständnis eigener Handlungsunfähigkeit ist und die Eigenverantwortlichkeit lähmt (gemäß der Devise: „Da kann man nur noch beten"), wird Beten als peinlich regressiv empfinden. Der  Verdacht, dass Autonomie nur unter Verzicht auf einen dankenden, bittenden und gehorsamen Gottesbezug möglich ist, war prägend für die Versuchung durch die Schlange in der Sündenfallgeschichte, das heißt für eine biblische Ätiologie einer sündhaften Entfremdung von Gott, Mitmenschen, Welt und Selbst. Im Fahrwasser dieser Versuchung feierte die Aufklärung den Sündenfall als wünschenswerte Emanzipation von einer unmündigen Gott-Ausgeliefertheit und schrieb damit eine problematische Entgegensetzung von Autonomie und Theonomie fest.41 Heutiges akademisches Denken ist immer noch von solchen Entgegensetzungen beeinflusst, obwohl diese von jeder besseren Schöpfungstheologie als inadäquat kritisiert werden.42 Ein Indiz dafür: Gebet im Rahmen von theologischen Lehrveranstaltungen oder bei öffentlichen Veranstaltungen zu konkreten Problemen der Welt ist selten und wird im Falle seines Vorkommens leicht als unangebracht und peinlich wahrgenommen. Wenn aber, wie die  heutige Schöpfungstheologie und Gnadentheologie ja betonen, die Eigentätigkeit von Menschen durch einen vertieften Gottesbezug nicht gelähmt, sondern sogar freigesetzt wird, müsste bei konkreten zu verhandelnden Anliegen - etwa Friede und Versöhnung in politischen Krisengebieten - ein gemeinsames Beten unter Christen am Platz sein.

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3. Missbrauchsgefahr: Zuschreibungen von Handeln Gottes können eine gewalterzeugende Brisanz entwickeln, was vor allem in Kriegssituationen immer wieder erschreckend deutlich wurde. Indem Ereignisse, die den eigenen Interessen gegen andere zugute kommen, Gottes Handeln zugeschrieben werden, wird Gott zur Legitimierung der eigenen Position bzw. Partei instrumentalisiert. Zuschreibungen von Gottes Handeln untermauern hier die Auffassung, dass Gott „unser Gott" und nicht der Gott „der anderen" ist. Damit wird Gott zu einem handhabbaren Götzen pervertiert.43

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4. Die Frage nach dem ungerechten und untätigen Gott: Wenn Gott in heilvoller Weise innerhalb der Welt wirkt, warum dann nicht öfter und nicht immer? Wenn Jesus Kranke geheilt hat, warum dann nicht alle? Wenn die Jünger Jesu und damit die Kirche den Auftrag erhalten haben, durch Wunder und Dämonenaustreibungen Gottes anbrechendes Heils zeichenhaft zu vergegenwärtigen, warum braucht es dann noch Krankenhäuser? Die Theodizeefrage spitzt sich hier zu zur Anklage Gottes wegen unterlassener Hilfeleistung:44 Wenn jemand die Macht zu helfen hat, dann ist er oder sie in Notfällen auch dazu verpflichtet. Seit dem für die Theodizee namengebenden Werk von Leibniz versucht man, dieser Gotteskritik durch eine apriorische Beschränkung von Gottes Handlungsmöglichkeiten in der Welt zu entkommen.

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Die Theologie des 20. Jahrhunderts hat verschiedene Methoden etabliert, um der Peinlichkeit von Behauptung und Rechtfertigung eines Handelns Gottes zu entkommen:

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3.1 Genereller methodischer Ausschluss von Ansprüchen auf einen in der Geschichte handelnden Gott

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Das, was alltäglich und durchschnittlich erfahrbar ist - gewöhnlich mit dem verlässlichen Prinzip von eindeutigen innerweltlichen Kausalzuschreibungen - wird zur Norm erhoben für das, was (z.B. in biblischen Quelltexten) als historisch glaubwürdig angenommen werden kann. Einflussreich waren hier die Prinzipien von „historischer Methode, historischer Denkweise und historischem Sinn", die Ernst Troeltsch 1898 aufgestellt hatte:45 Kritik, Analogie und Korrelation. Für unsere Thematik ist vor allem das Analogieprinzip bedeutsam: „Die Übereinstimmung mit normalen, gewöhnlichen oder doch mehrfach bezeugten Vorgangsweisen und Zuständen, wie wir sie kennen, ist das Kennzeichen der Wahrscheinlichkeit für die Vorgänge, die die Kritik als wirklich geschehen anerkennen oder übrig lassen kann." Damit kann als geschichtliche Tatsache apriori nur gelten, was sich auf innerweltliche Wirk- und Handlungszusammenhänge zurückführen lässt. Zeichen für ein unterscheidbares Handeln Gottes sind mit diesem Prinzip grundsätzlich der Erkennbarkeit entzogen.

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3.2 Beschränkung auf Formen des Wirkens Gottes, die geschichtlich nicht konkret zuordenbar sind.

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Gottes Wirken wird auf ein ermöglichendes Mitwirken in innerweltlichen Wirkzusammenhängen reduziert. Dasselbe in theologischer Fachterminologie: Gott wirkt ausschließlich als Erstursache, und zwar nur für Zweitursachen, die auch mit geläufigen Erkenntnis- und Erfahrungsmöglichkeiten (auch außerhalb von Glaubenszusammenhängen) erschließbar sind.46 Gott erscheint so als bloßer Erfüllungsgehilfe für das, was ohnehin in der Welt abläuft. Weil die Erstursache zudem nur mit philosophischen bzw. theologischen Mitteln erschließbar und durch säkulare Erfahrungswissenschaften prinzipiell unzugänglich ist, führt diese Art der Beschränkung von Gottes Wirken im konkreten Glaubensvollzug leicht zu einem Deismus: Gott kommt dann in der Welt im Grunde überhaupt nicht mehr vor.

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3.3 Beschränkung auf das Referieren von „Geschehnismeinungen"

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Bei der Auseinandersetzung mit biblischen und geschichtlichen Behauptungen beschränkt sich Theologie häufig auf das Referieren von Geschehnismeinungen, ohne die damit verbundenen Geltungsansprüche - dass Gott wirklich gehandelt hat bzw. handeln kann - zu prüfen.47 Die Problematik, die sich daraus für die Theologie ergibt, hat C.S. Lewis auf pointiert-ironische Weise aufgewiesen. In seinen „Dienstanweisungen für einen Unterteufel" (englisch: The Screwtape Letters, 1942) erklärt der Oberteufel Screwtape seinem unerfahrenen Neffen Wormwood, mit welchen Methoden sich die Wissenschaftler (und Lewis meint hier gewiss auch Theologen), die durch alte Bücher der herausfordernden göttlichen Wahrheit nahekommen, dennoch davon abhalten lassen:

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„Nur die Gelehrten lesen alte Bücher. Wir aber (= die vereinigten höllischen Geister) haben diese Gelehrten so geschult, daß sie unter allen Menschen am wenigsten geeignet sind, sich die Weisheit aus den Büchern der Alten anzueignen. Wir haben das erreicht, indem wir ihnen den ‚historischen Standpunkt‘ unauslöschlich eingeprägt haben. Der ‚historische Standpunkt‘ bedeutet, kurz gesagt, folgendes: Wenn ein Gelehrter irgendeiner Aussage eines früheren Autors begegnet, dann ist die einzige Frage, die er niemals stellen wird, die Frage, ob jene Aussage wahr sei. Er fragt, wer den antiken Autor beeinflußt hat, wie die Aussage zu dem stimmt, was er in anderen Büchern sagt, welche Entwicklungsphase des Schreibers oder der allgemeinen Geistesgesichte sich darin dokumentiert; wieweit die Aussage spätere Denker beeinflußt hat, wie oft sie falsch verstanden worden ist, besonders von den eigenen Kollegen; welche Richtung die allgemeine Kritik in dieser Frage im Laufe der letzten zehn Jahre eingeschlagen hat und welches der gegenwärtige Stand der Frage ist. Die Schriften des alten Verfassers als mögliche Quelle der Erkenntnis anzusehen, zu erwarten, dass das, was sie sagen, möglicherweise die eigenen Gedanken oder das eigene Handeln ändern könnte - das würde als äußerst einfältig abgewiesen."48

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Durch eine generelle, methodologisch begründete Abweisung von Geltungsansprüchen bezüglich einem innergeschichtlich unterscheidbaren Handeln Gottes wird Theologie sowohl in ihren Erkenntnisquellen (1) als auch in ihrer praktischen Relevanz (2) entscheidend eingeschränkt.

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1. Einschränkung von Theologie in Bezug auf ihre Erkenntnisquellen: Offenbarung in der Bibel erfolgt durch geschichtlich-dramatische Prozesse: Ansprüche werden erhoben, wo und wie Gott handelt; und dadurch, dass diese Ansprüche erhoben werden, wird oft erst ihre Problematik bewusst, sodass die Ansprüche revidiert oder korrigiert werden. - Vgl. Jes 53,4bf: „Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt." - Solche offenbarungsrelevanten Korrekturprozesse bestimmen bis in die Gegenwart den Erfahrungszuwachs von Kirche, - zum Beispiel seit dem Zweiten Vatikanum in einer Bestimmung und Klärung von „Zeichen der Zeit".49 Durch eine prinzipielle Entwertung unterscheidbarer Zuschreibungen von Gottes Handeln werden solche ekklesiale Prozesse blockiert, und wo sie von der biblischen Geschichte bis heute stattgefunden haben, können sie theologisch nicht mehr angemessen reflektiert werden.

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2. Einschränkung von Theologie in Bezug auf ihre praktische Relevanz: Sofern praktisches Glaubensleben - gemeinschaftlich und individuell, liturgisch und informell - unterscheidbare Zuschreibungen von Gottes Handeln voraussetzt, wird es von einer solchen reduzierten Theologie nicht ausreichend erfasst. Insbesondere kann eine solche Theologie für die gelebte Glaubenspraxis keine Kriteriologie zur Unterscheidung von angemessenen und unangemessenen Geltungsansprüchen von Gottes Handeln entwickeln.

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3.4 Schritte zu einer Theologie, die den Anspruch von Gottes Handeln ernst nimmt

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Raymund Schwager nahm die Problematik eines programmatischen Ausschlusses von Gottes innergeschichtlichem Handeln für historische Wissenschaften ernst und zeigte, wie und unter welchen Bedingungen diese methodische Beschränkung zu überschreiten ist:

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„Wenn eine erste Begegnung mit der Botschaft Jesu zum Ergebnis führt, daß er ein neues Handeln Gottes in der Geschichte angesagt hat, dann drängt sich unmittelbar die Frage auf, ob ein so ungewöhnlicher Anspruch auch wahr sein kann. Alle methodischen Überlegungen müssen im Dienst dieser zentraleren Frage stehen, und es gibt keine angemessene exegetische Methode, die unabhängig von dieser Frage durchgeführt werden kann. Von ihrer Beantwortung hängt die Art der weiteren Untersuchung seiner Gestalt und seines Wirkens ab. Hält man nämlich seinen Anspruch nicht für glaubwürdig, dann ist er in die Reihe jener extremen religiösen Selbstüberzeugungen einzuordnen, wie sie uns auch bei anderen Gestalten der Religionsgeschichte, wenn auch in kleinerem Maße, begegnen. Die Forschung muß sich in diesem Fall jener Methoden bedienen, wie sie auch in anderen humanwissenschaftlichen Disziplinen angewandt werden. Sie hat ihr ganzes Augenmerk darauf zu richten, wie eine solche Erfahrung wohl entstehen konnte, welche persönlichen, kulturellen, sozialen und politischen Faktoren mitgespielt haben und wie es zu erklären ist, daß diese Erfahrung eine so große geschichtliche Wirkung auslösen konnte. Bei einer solchen Fragestellung liegt der wissenschaftliche Wert der Erklärung darin, daß sie ein möglichst kohärentes und mit anderen ähnlichen Erfahrungen übereinstimmendes Bild vom Zusammenspiel der erwähnten Faktoren bietet.

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Ganz anders liegen die Dinge jedoch, wenn man den Anspruch Jesu für glaubwürdig hält. In diesem Fall muß sich die Intention der Forschung in erster Linie darauf richten, die innere Kohärenz in dem zu erspüren und darzustellen, was von Jesus als Handeln Gottes verkündet wurde. Den üblichen religionsgeschichtlichen, kulturellen, sozialen und politischen Faktoren darf in diesem Fall gerade keine dominierende Rolle zukommen. Die Botschaft Jesu stellt folglich die wissenschaftliche Forschung vor ein Dilemma, dem sie sich sehr klar stellen muß, will sie die Antwort nicht heimlichen Vorentscheidungen überlassen. Folgt man nämlich angesichts seines Anspruchs den üblichen historischen Methoden, dann ist mindestens indirekt fast schon negativ über ihn entschieden, weil man ja die Kohärenz der Erklärung aus dem Zusammenspiel der erwähnten psychologischen und sozialen Faktoren zu gewinnen suchte und die Rede vom ‚Handeln Gottes‘ wie eine andere religiöse Idee einzustufen hat. Vertraut man jedoch dem Anspruch Jesu, dann ist das ‚Handeln Gottes‘ nicht irgendeine menschliche Idee, sondern das zentrale, alles bestimmende Ereignis, auf das hin das Geschick Jesu auszulegen ist. Zwischen einem tatsächlichen ‚Handeln Gottes‘ und einem nur als religiöse Idee verstandenen göttlichen Handeln liegt ja ein tiefer Unterschied. Nimmt man ein tatsächliches Handeln an, dann hat man vor allem auf die Reaktion der Angesprochenen zu achten, und man hat zu fragen, wie sich die Handlung angesichts ihrer Antwort wohl weiterentwickelt. Rechnet man hingegen mit einer allgemeinen religiösen Idee, dann ist zu forschen, wie diese mit anderen ähnlichen oder gegensätzlichen Ideen in Zusammenhang steht und welche außerideelle Faktoren wirksam waren, daß sich die eine oder andere Idee durchgesetzt hat. Von einer Vor-Entscheidung betreffs des ‚Handeln Gottes‘ hängt folglich ab, welcher wissenschaftlichen Methode man sich zu bedienen hat."50

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4. Vorschläge für eine kirchliche Kultur im Hinblick auf unterscheidbare Zuschreibungen von Gottes Handeln

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Zuschreibungen von Handeln Gottes sind grundsätzlich riskant und können erst unter Berücksichtigung aller relevanten Fragen, und das heißt „vom Ende der Geschichte her" in ihrer Geltung eindeutig beurteilt werden. Dennoch sind sie ein unverzichtbarer Ausdruck des Glaubens an einen geschichtsmächtigen Gott. Das heißt, dass eine Spannung zwischen folgenden zwei Behauptungen zu balancieren ist:

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1. Christlicher Glaube artikuliert sich wesentlich in unterscheidbaren Zuschreibungen von Gottes Handeln. Insofern partizipieren solche Zuschreibungen an jener unbedingten Bejahung, die für den Glaubensakt wesentlich ist.

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2. Zuschreibungen von Gottes Handeln haben wesentlich einen hypothetischen Charakter. Ihre Feststellung ist sowohl von Seiten des Bekennenden als auch von Seiten der Empfänger des Bekenntnisses mit Vorbehalten zu versehen.

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Wie sind Unbedingtheit (1) und Hypothetik (2) im Hinblick auf Zuschreibungen von Gottes Handelns miteinander verträglich? Das ist möglich, wenn Gott ein innergeschichtliches Handeln grundsätzlich und überall zugetraut und dieses Handeln im Zusammenhang eines alles umgreifenden Wirkens Gottes gesehen wird. Gottes Handeln umgreift demnach die gesamte menschliche Geschichte, es wird aber (nur) in bestimmten Ereignissen in seiner Intentionalität und Spezifität sichtbar. Dass Gott in einem bestimmten Ereignis gehandelt hat, kann von daher mit unerschütterlichem Glauben behauptet werden.51 Hypothetisch und damit korrigierbar (mit einem eschatologischen Vorbehalt) bleibt aber die Behauptung, wie und in welchem Sinn Gott in diesem Ereignis gewirkt hat.

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Ein anschauliches Beispiel für die Verbindung von unerschütterlicher Glaubensüberzeugung mit Unfixiertheit bzgl. ihrer sinnmäßigen Ausrichtung gibt eine Geschichte, die Anthony de Mello tradierte: „Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Bauern, der ein altes Pferd für die Feldarbeit hatte. Eines Tages entfloh das Pferd in die Berge, und als alle Nachbarn des Bauern sein Pech bedauerten, antwortete der Bauer: ‚Pech? Glück? Wer weiß?‘ Eine Woche später kehrte das Pferd mit einer Herde Wildpferde aus den Bergen zurück, und diesmal gratulierten die Nachbarn dem Bauern wegen seines Glücks. Seine Antwort hieß: ‚Glück? Pech? Wer weiß?‘ Als der Sohn des Bauern versuchte, eines der Wildpferde zu zähmen, fiel vom Rücken des Pferdes und brach sich ein Bein. Jeder hielt das für ein großes Pech. Nicht jedoch der Bauer, der sagte nur: ‚Pech? Glück? Wer weiß?‘ Ein paar Wochen später marschierte die Armee ins Dorf und zog jeden tauglichen jungen Mann ein, den sie finden konnte. Als sie den Bauernsohn mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn zurück. War das nun Glück? Pech? Wer weiß?"52

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Für einen lebendigen, tragfähigen Glauben ist ein unbedingtes Vertrauen in Gottes fürsorgliches Geschichtshandeln ebenso notwendig wie die nüchterne Wahrnehmung der Riskantheit sowie Korrekturbedürftigkeit von konkreten Zuschreibungen von Gottes Handeln. Damit beides sich entfalten kann, muss in der Kirche eine entsprechende Kultur wachsen und gefördert werden. Zu einer solchen Kultur gehört eine etablierte gemeinschaftliche Praxis im Hinblick auf Zuschreibungen von Gottes Handeln: im gemeinsamen, auch frei formulierten Bitt- und Dankgebet, sowie im Bezeugen von Gottes Lebens- und Geschichtsmacht. Durch eine Praxis gemeinschaftlicher Erinnerung und Erzählung von Gottes machtvollen Taten wird erst die Unterscheidung von Gottes Handeln eingeübt. Mut zum Bekenntnis gehört hier ebenso dazu wie ein nüchterner Sinn für die Korrekturbedürftigkeit konkreter Zuschreibungen.

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Eine solche Kultur im Hinblick auf Zuschreibungen von Gottes Handeln ermöglicht also auch, dass durch bewährte Zuschreibungen und durch Irrtum hindurch Erfahrungen mit Zuschreibungen von Gottes Handeln wachsen. Für die Entfaltung von solchen Erfahrungen sind geschützte Räume hilfreich, in denen relativ gefahrlos Zuschreibungen von Gottes Handeln erhoben, gemeinschaftlich geprüft und korrigiert werden können. Pfarren sind als Plenum dafür schon zu groß; Gebetskreise sind ein geeigneter Ort dafür.

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Aus einer kirchlichen Kultur im Hinblick auf Zuschreibungen von Gottes Handeln erwächst eine heilsgeschichtliche Kontinuität mit kirchlicher und biblischer Tradition, welche tiefer reicht als eine äußerlich-nachträgliche Korrelation zwischen biblischen und heutigen Erfahrungen. Es ist eine ähnliche heilsgeschichtliche Kontinuität wie wir sie schon als Überbrückung von früheren zu gegenwärtigen Zeiten innerhalb der Bibel finden, etwa in der Gebetsanamnese, nach der Form: Wie du damals getan/verheißen/gesprochen hast, so tu es auch heute".53

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5. Wann werden Zuschreibungen von Gottes Handeln problematisch?

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Zuschreibungen von Gottes Handeln werden problematisch, wenn Gott dadurch für eigene Interessen funktionalisiert wird. Damit ist nicht prinzipiell ausgeschlossen, dass Gott durch Erfüllung eingeschränkter Interessenlagen handeln kann. Aber auch für solche helfende Wirkungen von Gottes Handeln gilt, dass sie auf Bekehrung hinzielen, und zwar im Sinne einer Entgrenzung des Erwartungshorizonts von Menschen auf Gott als ihr eigentliches Ziel. Gottes helfendes Handeln ist hier zu verstehen als zeichenhaftes Handeln, das die Menschen zur Umkehr befähigt, in dem Sinn, dass Gott selber zur bestimmenden Mitte ihrer Interessen wird.

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Grundsätzlich steht Gottes Handeln im Dienst seiner Selbsterschließung, das heißt, Menschen werden auf einen Weg geführt, der sie Gott näherbringt; im Hinblick auf ihre Schuldverstrickung werden sie zur Umkehr befähigt und ermutigt. Deshalb setzt die Rede von Gottes Handeln eine prinzipielle Offenheit voraus, das eigene Leben davon beeinflussen zu lassen. Wenn theologische Theorie und Praxis, die bei den Kirchenvätern noch miteinander verbunden waren,54 auseinanderfallen, wird die Rede von Gottes Handeln damit in hohem Maße pervertierbar und grundsätzlich problematisch. Diese Problematik zeigt sich vor allem an der Theodizeefrage, die die Rede von Gottes Handeln zu kompromittieren scheint. Die Theodizeefrage wird dann zum Dilemma, wenn das appellative, praxisbezogene Moment von konkret erfahrenem Leid anderer aus dem Blick gerät.

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Zuschreibungen von Gottes Handeln werden auch dann problematisch, wenn sie losgelöst von einem Gemeinschaftszusammenhang, der sie rezipierend korrigieren kann, erhoben werden.

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6. Inhaltliche Unterscheidungskriterien für Zuschreibungen von Gottes Handeln

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Die folgende Kriteriologie für Zuschreibungen von Gottes Handeln55 folgt dem Prinzip, dass Gott sich den Menschen über drei Grundbezüge erschließt, die miteinander in Balance zu bringen sind: durch eine direkte Ausrichtung auf Gott (Gottbezug); durch eine Ausrichtung auf die gründenden Tiefen des eigenen Seins (Selbstbezug); und durch eine Ausrichtung auf andere Geschöpfe (Bezug zu anderen in Interpersonalität und Schöpfungsbeziehung).

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6.1 Erstes Kriterium: Gott als Ziel und Mitte (gegen Instrumentalisierungen Gottes)

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Zentraler Bezugspunkt von Gottes Handeln ist, wie schon mehrfach betont, Gottes Selbsterschließung. Daraus ergibt sich als erstes Kriterium für Zuschreibungen von Gottes Handeln, dass Gott selber Mitte und Ziel seines Handelns ist. Dort wo Gott instrumentalisiert wird - zur Erreichung von bestimmten Zielen und Interessen oder zur profilierenden Selbstbestätigung einer Person oder Gruppe -, sind Zuschreibungen von Gottes Handeln zu kritisieren.

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6.2 Zweites Kriterium: Die Freiheit des Menschen wird durch Gottes Handeln nicht eingeschränkt, sondern freigesetzt

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Grundsätzlich ist - in Glaube und Hoffnung, und damit auch in einem theologischen Denken, das dem Glauben und der Hoffnung verpflichtet ist - davon auszugehen, dass Gott die menschliche und geschöpfliche Autonomie durch sein Handeln nicht zerbricht, sondern freisetzend erhebt. Diese Grundannahme erscheint allerdings widerlegt durch massive Erfahrungen des Leidens und des Scheiterns, sowie durch biblische Aussagen, die diese Erfahrungen des Zerbrechens Gottes Handeln zuschreiben.

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Aus vielen biblischen Texten56 sei hier 1 Kor 3 ausgewählt: „Der Gnade Gottes entsprechend, die mir geschenkt wurde, habe ich wie ein guter Baumeister den Grund gelegt; ein anderer baut darauf weiter. Aber jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. 11 Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. 12 Ob aber jemand auf dem Grund mit Gold, Silber, kostbaren Steinen, mit Holz, Heu oder Stroh weiterbaut: 13 das Werk eines jeden wird offenbar werden; jener Tag wird es sichtbar machen, weil es im Feuer offenbart wird. Das Feuer wird prüfen, was das Werk eines jeden taugt. 14 Hält das stand, was er aufgebaut hat, so empfängt er Lohn. 15 Brennt es nieder, dann muß er den Verlust tragen. Er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durch Feuer hindurch. 16 Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? 17 Wer den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben. Denn Gottes Tempel ist heilig, und der seid ihr." (1Kor 3,10-17; vgl. Mt 7,24-27)

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Andere Bibeltexte machen deutlich, dass dieses Feuer von Gott bewirkt wird,57 auch wenn seine vernichtende Wirkung sich auf die Früchte eines unangemessenen Tuns der Menschen bezieht und in diesem Sinn als Selbstgericht zu verstehen ist.58 Im Hinblick auf menschliche Autonomie in eigenverantwortetem Handeln legt dieser Text eine Unterscheidung nahe zwischen einer authentischen, tragfähigen Autonomie, die sich in beständiger Ausrichtung auf Gott als verdankte Autonomie verwirklicht,59 - und einer selbstherrlichen Autonomie, die sich in ihrer Tragfähigkeit als trügerisch erweist. Mit dieser Unterscheidung, die für die Schöpfungs- und Sündenfallgeschichte zentral ist,60 kann man den Grundsatz, dass Gott die menschliche und geschöpfliche Autonomie durch sein Handeln nicht zerbricht, sondern freisetzend erhebt, auch angesichts von Erfahrungen des Scheiterns aufrecht halten.

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Daraus ergibt sich nun ein zweites zentrales Kriterium für Zuschreibungen von Gottes Handeln, wonach Ereignisse, die Menschen zerbrechen anstatt sie zu öffnen, zumindest als solche nicht als Handeln Gottes bezeichnet werden können. (Extremes Beispiel: „Aids als Strafe Gottes"). Gottes Handeln kann in solchen Zerbrechenserfahrungen erst dann adäquat gefunden und zugeschrieben werden, wenn angesichts solcher Erfahrungen der Blick auf ein tieferes, durch das Zerbrechen hindurch freigesetztes Heil geöffnet ist, - im Sinne von 1 Kor 3: „Er selbst aber wird gerettet werden".

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Das 1. und das 2. Kriterium stehen in einer Spannung zueinander, die nicht aporetisch ist, sondern ausbalanciert werden kann. Es geht hier um eine Balance zwischen Theonomie und Autonomie, Theozentrik und Freiheit, im Sinne der beiden Aussagen von Irenäus: „Gottes Ehre ist der lebendige Mensch", und: „Des Menschen Ehre ist Gott".61

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6.3 Drittes Kriterium: Gottes Handeln ist auch lebensförderlich für die jeweiligen Anderen (in Interpersonalität und Weltbezug)

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Mit diesem Kriterium dürfen Ereignisse, die die eigene Person oder Gruppe auf Kosten von anderen Menschen, Menschengruppen oder Wirklichkeiten bevorteilen, zumindest als solche nicht berechtigt als Handeln Gottes bezeichnet werden. Damit ist eine gefährliche Tendenz jeder Gottesrede angesprochen: Ausgrenzungen von Menschen sind die geschöpfliche Entsprechung zu einer einschränkenden und funktionalisierenden Sichtweise Gottes: Gott wird zu einem „Identitätsmarker" pervertiert, gemäß der Devise: „Gott ist unser Gott und nicht der Gott der anderen."62

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Schließlich ist es eine zentrale Herausforderung für eine Theologie bzw. auch Praxis von unterscheidbaren Zuschreibungen von Gottes Handeln, die Verträglichkeit dieser drei Kriterien untereinander zu sicherzustellen. Dies hat zu tun mit der notwendigen Balancierung von den drei Dimensionen des Gottesbezugs Gottbezug - Selbstbezug - Bezug zu anderen, bzw. den drei entsprechenden Grundhaltungen von Gottesliebe, Selbstliebe und Nächstenliebe. Es geht hier auch um die Balancierung zwischen Theonomie (vgl. 1. Kriterium), Autonomie (vgl. 2. Kriterium) und einer „Alteronomie", d.h. einer normativen Orientierung an anderen (Mitmenschen, insbesondere „Dritte", die Schöpfung als ganze; vgl. 3. Kriterium), die stets in Gefahr ist, zur Heteronomie zu pervertieren. In vielen Erfahrungsbereichen und in manchen Frömmigkeitsformen erfolgt die Betonung eines dieser Aspekte auf Kosten der jeweiligen anderen. Die glückende Balance, gar im Sinne eines positiven Verhältnisses direkter Proportionalität (dass das Mehr des einen Aspektes nicht ein Weniger, sondern Mehr der anderen Aspekte bedeutet), ist Gegenstand einer uns nur gnadenhaft (als „Kairós") zugänglichen Erfahrung.

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7. Kriterien für Zuschreibungen von Gottes Handeln im Bittgebet

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Zuschreibungen von Gottes Handeln erfolgen nicht nur konstativ, d.h. auf feststellende Weise, sondern auch deprekativ: Im Bittgebet wird von Gott erfleht, er möge unterscheidbare lebensgeschichtlich zuschreibbare Handlungen setzen. Dass ein (unter Umständen unwahrscheinliches) Ereignis konstatiert wird, nachdem es erbeten wurde, stützt für Gläubige die Annahme, dass Gott das Ereignis bewirkt und auch intendiert hat.

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Bei Zuschreibungen von Gottes Handeln im Kontext von Bittgebeten besteht die Gefahr einer schiefen Gottesvorstellung in dem Sinn, dass Menschen Gott für ihre Anliegen dienstbar machen wollen (vgl. 1. Kriterium im vorigen Kapitel).63 Um nicht in einen derartigen Verdacht von Naivität, Aberglauben (manipulative Gottesvorstellung) und Fundamentalismus zu geraten, werden von vielen Gläubigen und auch TheologInnen konkrete, falsifizierbare Formulierungen von Bittgebeten vermieden oder sogar abgelehnt.64 In Gegensatz dazu steht eine „arme" Grundhaltung von Christen, wie sie das Vaterunser nahelegt: „Unser tägliches Brot gib uns heute". Die Bitte bezieht sich auf alle, großen und kleinen, Bedürfnisse und schließt dabei ein und nicht aus, dass man sich eigentätig darum bemüht.

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Wo Bedürfnisse und Wünsche (eigene und jene unserer Nächsten) groß werden und den oben genannten Kriterien nicht voll entsprechen, sollten sie dennoch nicht a priori vor der Gebetspraxis ausgefiltert werden. Durch deren aufrichtige Einbeziehung in die Gebetspraxis wird die Unangemessenheit von bestimmten Wünschen und - damit verbunden - die eigene Erlösungsbedürftigkeit sichtbar. Gerade durch die anstößige Konkretheit von Bittgebeten können Transformationen im Gebet angestoßen werden, wie wir sie auch aus den Psalmen kennen: Sie lassen Klagen, egozentrische Bitten und selbst Rachewünsche zu, um sie im Verlauf eines Psalmengebets in die Hingabe an den größeren Gott transformieren zu lassen.65 - Im Gegensatz dazu verführt ein heute verbreiteter moralischer Perfektionismus, der Fehler nicht zulassen will, Christen dazu, sich auf „gereinigte" - und damit nicht selten sterile - Formen von Gebeten und Zuschreibungen von Gottes Handeln zu beschränken. Damit werden unreine Ausrichtungen aber oft nur verdrängt, und es kommt gar nicht erst zu heilvollen dramatischen Prozessen der Transformation. Es resultiert ein umständliches, kraftloses und nicht selten sogar unaufrichtiges Beten.

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Diese prozessual-dramatisch begründete Bereitschaft zu „Fehlern", auch im Sinne von „unreinen" Zuschreibungen von Gottes Handeln, schließt folgendes Kriterium nicht aus: Betende sollen sich bemühen um eine grundsätzliche Haltung des „Dein Wille geschehe", - eine Haltung, welche nicht nur die Erfüllung oder Verweigerung der Bitte vertrauend Gott überlässt, sondern auch die Bandbreite des erwarteten Wirkens Gottes möglichst nicht einschränkt: Wirkung des Bittgebets kann auch Stärkung im Leiden sein oder die Korrektur von unangemessenen Vorstellungen. Idealerweise ist von daher das Bittgebet eingebettet in eine existentielle Bewegung in Richtung auf eine umfassende Wahrnehmung von Gottes begleitender Güte und Macht. Bittgebet ist damit ein Prozess, in dem ich mich dafür öffne, auch das „Gute" der bestehenden Leidsituation wahrzunehmen, was die Hilfe (und damit die Bitte um sie) nicht überflüssig macht, sondern unter Umständen erst ermöglicht. In diesem Sinn gilt hier der Schlüsselsatz: Veränderung setzt Annahme voraus,  - so wie sich für Ijob im Blick auf Gott seine Lebensperspektive weitete und er seine Situation annehmen konnte, bevor er von seinem Leiden befreit wurde,66 und wie sich im Blick auf die kommende Heilung die Situation des Blindgeborenen als sinnvoll und gut erwies.67 Was vorher lebensbeschneidende Einschränkung war, wird jetzt Vorgabe für einen Kairós, d.h. für einen unerwartbar erfahrenen Gnadenzusammenhang. Diese Wandlung ist bereits der Anfang eines Heilungsprozesses, der Seele, Leib und Gemeinschaft umfasst, und sich artikuliert in einer Befähigung zu glauben, die in Freiheit als Bereitschaft zu glauben übernommen wird, woraus dann jener Glaube resultiert, der nach Jesu Worten Heilung bewirkt.68 Heilung erweist sich hier als Prozess, in dem Tun Gottes (repräsentiert durch Jesus, den Heilenden) und Tun des Menschen (in seinem für Heilung ermöglichenden Glauben) sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig bedingen und verstärken. In diesem positiven Wechselverhältnis von Theonomie und Autonomie kommt dem Handeln Gottes eine klare Priorität zu, insofern Freiheit (hier: die Freiheit zu jenem Glauben, der Heilung ermöglicht) durch Gottes Heilungsinitiative überhaupt erst freigesetzt wird.

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8. Charismen als zentraler Ort von Handeln Gottes in einer Balance von Autonomie und Theonomie

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Die bedeutendsten Erfahrungsorte für Gottes Handeln sind nicht dort, wo Menschen nichts (mehr) tun (können), sondern dort, wo Menschen im Einklang mit Gott handeln.69 Das ergibt sich schon daraus, dass für christliches Verständnis der ursprüngliche und maßgebliche Ort von Gottes Handeln der inkarnierte Jesus Christus als wahrer Gott und Mensch ist.70 Das führt allerdings zum Problem: Wie soll Gottes Handeln unterscheidbar sein, wenn es primär dort zu finden ist, wo Menschen handeln?71 Einen Ausweg geben hier Gnadenerfahrungen, die sich als gnadenhafte „Tunerfahrungen" bezeichnen lassen: Manchmal stellen Menschen staunend fest, dass sie sich in einer heilvollen Weise verhalten (haben), die ihnen normalerweise unzugänglich ist. Hier erfahren sie Gottes Gnadenwirken in ihrem Tun.

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Wenn Karl Rahner Beispiele von „Erfahrung der Gnade" oder von „Erfahrung des Heiligen Geistes" gibt, dann nennt er vorzugsweise solche „Tunerfahrungen": „Aber wo ist die eigentliche Erfahrung? Eben da möchten wir nun zum ersten Mal sagen: suchen wir selbst, ihn in unserer Erfahrung zu entdecken. Man kann da nur schüchtern und vorsichtig vielleicht auf manches hinweisen. - Haben wir schon einmal geschwiegen, obwohl wir uns verteidigen wollten, obwohl wir ungerecht behandelt wurden? Haben wir schon einmal verziehen, obwohl wir keinen Lohn dafür erhielten und man das schweigende Verzeihen als selbstverständlich annahm? Haben wir schon einmal gehorcht, nicht weil wir mußten und sonst Unannehmlichkeiten gehabt hätten, sondern bloß wegen jenes Geheimnisvollen, Schweigenden, Unfaßbaren, das wir Gott und seinen Willen nennen? Haben wir schon einmal geopfert, ohne Dank, Anerkennung, selbst ohne das Gefühl einer inneren Befriedigung? ..."72

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Als exemplarische gnadenhafte „Tunerfahrungen" lassen sich die Charismen verstehen, die Paulus in 1 Kor 12 aufzählt: Weisheit, Erkenntnis, Glaubenskraft, Krankenheilung, Wunderkräfte, prophetisches Reden, Unterscheidung der Geister, Zungenrede, Deutung von Zungenrede. Die Unterscheidbarkeit von Gottes Handeln im menschlichen Handeln wird bei den Charismen durch Unverfügbarkeit und Kairósbestimmung gewährleistet: Charismen sind Fähigkeiten, die den Menschen nicht selbstverständlich verfügbar sind, sondern die auf bestimmte Gnadensituationen („Kairoi") beschränkt sind. Von daher wäre es für eine Theologie des Handelns Gottes hilfreich, die Charismen als eine ekklesiologische und pneumatologische Wirklichkeit theologisch zu erschließen.73 Es handelt sich hier um eine Aufgabe, die sowohl die Theologie als auch das praktische christlich-kirchliche Leben betrifft, wobei beide Bereiche sich in ihrem jeweiligen Wachstum gegenseitig stimulieren können.

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Hier wäre eine seit Jahrhunderten verbreitete Trennung zwischen Theologie und gelebter Spiritualität zu überwinden.74 TheologInnen sollten im Kontakt mit christlichen Menschen und Gemeinschaften Zuschreibungen von Gottes Handeln selber praktizieren und diesbezügliche Erfahrungen - sowie auch damit verbundene Fehler -  theologisch reflektieren. Aus einem derart resultierenden Wechselspiel von gemeinschaftlich gelebter Praxis und theologischer Reflexion lassen sich verfeinerte theologische Kriteriologien erarbeiten.75

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Wichtig wäre auch, dass die Theologie jene religiösen Bewegungen und Strömungen, in denen Zuschreibungen von Gottes Handeln praktiziert werden, ernsthafter wahrnimmt. Im Hinblick auf die Bedeutung von Charismen - als bevorzugter Ort von Gottes Handeln im Handeln von Menschen - wären hier Erfahrungen im Umfeld der charismatischen Erneuerung76 bzw. von Pfingstkirchen besonders wichtig. Hier findet sich Wertvolles und Hochproblematisches eng beieinander, und deshalb brauchen diese Bewegungen und Gruppierungen eine besonders gute Theologie. Die Ignoranz und die Scheu von TheologInnen, sich auf solche Bewegungen einzulassen - eine Scheu, die m.E. auch mit der oben genannten tiefverwurzelten Scham gegenüber konkreten Zuschreibungen von Gottes Handeln zusammenhängt - führt dazu, dass diese Bewegungen ihre „Theologie" anderweitig,  etwa von Fundamentalisten, beziehen.77 


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Anmerkungen:

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 1Dtn 11,2-6. Alle Hervorhebungen hier wie in den folgend zitierten Bibelstellen von mir.

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2„Und das Volk diente dem Herrn, solange Josua lebte und solange die Ältesten am Leben waren, die Josua überlebten und all die großen Taten des Herrn gesehen hatten, die er für Israel getan hatte. 8 Josua, der Sohn Nuns, der Knecht des Herrn, starb im Alter von hundertzehn Jahren ... 10 Auch seine ganze Generation wurde mit ihren Vätern vereint, und nach ihnen kam eine andere Generation, die den Herrn und die Taten, die er für Israel vollbracht hatte, nicht mehr kannte. 11 Die Israeliten taten, was dem Herrn missfiel, und dienten den Baalen." (Ri 2,7-11; vgl. Ps 78,32-34.42-44; Ps 106.)

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3„Ich denke an die vergangenen Tage, / sinne nach über all deine Taten, erwäge das Werk deiner Hände." (Ps 143,5)

106
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4„Wie schön ist es, dem Herrn zu danken, deinem Namen, du Höchster, zu singen, 3 am Morgen deine Huld zu verkünden und in den Nächten deine Treue 4 zur zehnsaitigen Laute, zur Harfe, zum Klang der Zither. 5 Denn du hast mich durch deine Taten froh gemacht; Herr, ich will jubeln über die Werke deiner Hände. 6 Wie groß sind deine Werke, o Herr, wie tief deine Gedanken! 7 Ein Mensch ohne Einsicht erkennt das nicht, ein Tor kann es nicht verstehen." (Ps 92,2-7) - „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! / Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen" (Ps 104,24) Vgl. auch vgl. Ps 66,16; 71,16; 73,28; 74,12-17; 75,2; 89,2; 89,6.

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5„Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat? Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn. Ich will dem Herrn meine Gelübde erfüllen offen vor seinem ganzen Volk. ... Du hast meine Fesseln gelöst. Ich will dir ein Opfer des Dankes bringen und anrufen den Namen des Herrn. Ich will dem Herrn meine Gelübde erfüllen offen vor seinem ganzen Volk" (Ps 116,12-18). -  „Ich umschreite, Herr, deinen Altar, um laut dein Lob zu verkünden und all deine Wunder zu erzählen." (Ps 26,7) - „Ihr alle, die ihr Gott fürchtet, kommt und hört; ich will euch erzählen, was er mir Gutes getan hat." (Ps 66,16)

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6„Sagt zu Gott: «Wie ehrfurchtgebietend sind deine Taten; vor deiner gewaltigen Macht müssen die Feinde sich beugen.» 4 Alle Welt bete dich an und singe dein Lob, sie lobsinge deinem Namen! [Sela] 5 Kommt und seht die Taten Gottes! Staunenswert ist sein Tun an den Menschen: 6 Er verwandelte das Meer in trockenes Land, / sie schritten zu Fuß durch den Strom; dort waren wir über ihn voll Freude." (Ps 66,3-6) - „Singt dem Herrn und preist seinen Namen, verkündet sein Heil von Tag zu Tag! 3 Erzählt bei den Völkern von seiner Herrlichkeit, bei allen Nationen von seinen Wundern!" (Ps 96,2-3) - „Singet dem Herrn ein neues Lied; denn er hat wunderbare Taten vollbracht. Er hat mit seiner Rechten geholfen und mit seinem heiligen Arm." (Ps 98,1) - „Dankt dem Herrn! Ruft seinen Namen an! Macht unter den Völkern seine Taten bekannt! 2 Singt ihm und spielt ihm, sinnt nach über all seine Wunder! ... Denkt an die Wunder, die er getan hat, an seine Zeichen und die Beschlüsse aus seinem Mund." (Ps 105,1-5; vgl. Ps 106,1f) - „Ein Geschlecht verkünde dem andern den Ruhm deiner Werke und erzähle von deinen gewaltigen Taten. 5 Sie sollen vom herrlichen Glanz deiner Hoheit reden; ich will deine Wunder besingen. 6 Sie sollen sprechen von der Gewalt deiner erschreckenden Taten; ich will von deinen großen Taten berichten. 7 Sie sollen die Erinnerung an deine große Güte wecken und über deine Gerechtigkeit jubeln. 8 Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. 9 Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken. 10 Danken sollen dir, Herr, all deine Werke und deine Frommen dich preisen. 11 Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden, sollen sprechen von deiner Macht, 12 den Menschen deine machtvollen Taten verkünden und den herrlichen Glanz deines Königtums." (Ps 145,4-12) - „Halleluja! Lobt Gott in seinem Heiligtum, lobt ihn in seiner mächtigen Feste! 2 Lobt ihn für seine großen Taten, lobt ihn in seiner gewaltigen Größe!" (Ps 150,1-2)

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7„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat: 3 der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt, 4 der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt, 5 der dich dein Leben lang mit seinen Gaben sättigt; wie dem Adler wird dir die Jugend erneuert. Der Herr vollbringt Taten des Heiles, Recht verschafft er allen Bedrängten." (Ps 103,2-6) - „Komm wieder zur Ruhe, mein Herz! Denn der Herr hat dir Gutes getan." (Ps 116,7)

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8„... Herr, wo sind die Taten deiner Huld geblieben, die du David in deiner Treue geschworen hast?" (Ps 89,50)

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9„Als der Herr das Los der Gefangenschaft Zions wendete, da waren wir alle wie Träumende. 2 Da war unser Mund voll Lachen und unsere Zunge voll Jubel. Da sagte man unter den andern Völkern: «Der Herr hat an ihnen Großes getan.» 3 Ja, Großes hat der Herr an uns getan. Da waren wir fröhlich. 4 Wende doch, Herr, unser Geschick, wie du versiegte Bäche wieder füllst im Südland." (Ps 126,1-4) - „Hilf mir, Herr, mein Gott, in deiner Huld errette mich! 27 Sie sollen erkennen, daß deine Hand dies vollbracht hat, daß du, o Herr, es getan hast." (Ps 109,26-27)

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10„Ich werde nicht sterben, sondern leben, um die Taten des Herrn zu verkünden." (Ps 118,17; vgl. Jes 12,4f) - „Befrei mich von Blutschuld, Herr, du Gott meines Heiles, dann wird meine Zunge jubeln über deine Gerechtigkeit. 17 Herr, öffne mir die Lippen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden." (Ps 51,16-17)

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11H. D. Preuß, Theologie des Alten Testaments. Bd. 1: Jahwes erwählendes und verpflichtendes Handeln. Stuttgart 1991, 29.

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12Vgl hier v.a. das Magnifikat: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. 50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. 51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; 52 er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. 53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen. 54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, 55 das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig." (Lk 1,49-55)

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13„Wenn ich aber die Dämonen durch den Finger Gottes austreibe, dann ist doch das Reich Gottes schon zu euch gekommen." (Lk 11,20) - „Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. 2 Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Ober haben seine Eltern gesündigt, so daß er blind geboren wurde? 3 Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden." (Joh 9,1-3) Die Offenbarung von Gottes Wirken geschieht in der Folge durch die von Jesus bewirkte Heilung.

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14Deshalb ist es Gott, der gemäß der Apostelgeschichte für die Wundertaten der Jesus Nachfolgenden gelobt wird. Vgl. Apg 4,21f: „Jene [die jüdischen Führer, Ältesten und Schriftgelehrten] aber drohten ihnen [Petrus und Johannes] noch mehr und ließen sie dann gehen; denn sie sahen keine Möglichkeit, sie zu bestrafen, mit Rücksicht auf das Volk, da alle Gott wegen des Geschehenen priesen. 22 Denn der Mann, an dem das Wunder der Heilung geschah, war über vierzig Jahre alt."

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15S.o. Anm. ?.

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16Hier zeigt sich bereits die Grundlage für eine Trinitätstheologie, nach der Gottes Handeln trinitarisch verstanden werden muss: Es gibt ein Handeln des Sohnes, welches das Handeln des Vaters vergegenwärtigt. Es gibt ein Handeln des Vaters am Sohn: in der Inkarnation, der Geistepiphanie bei der Taufe Jesu und in der Auferweckung. Es gibt ein Handeln von Vater und Sohn gemeinsam, - in der Aussendung des Heiligen Geistes über die Jünger durch den Auferstandenen (vgl. Joh 20,22; Apg 1,5;2). Die Trinitätstheologie unterscheidet von daher ein innertrinitarisch-relationales Wirken Gottes (Zeugung des Sohnes durch den Vater, Hauchung des Geistes durch den Vater und den Sohn) von einem Wirken Gottes in Bezug auf seine Schöpfung. Für letztere wird eine strenge Gleichsinnigkeit angenommen: Ein Wirken bzw. Handeln des göttlichen Vaters gegenüber der Schöpfung muss zugleich und ohne Abstriche als Handeln des Sohnes und des Geistes qualifiziert werden; gleiches gilt für ein Wirken bzw. Handeln des Sohnes und des Heiligen Geistes.

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17Vgl. Joh 14,13f; 15,7.16;16,24.

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18Vgl. Raymund Schwager, Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (IThS 29). Innsbruck, Wien 1990, hier: 280f.

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19Vgl. R. Meßner, Einführung in die Liturgiewissenschaft, Paderborn, Wien u.a. 2001, 196-216.

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20Zweites Hochgebet.

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21Bitte im Namen Jesu; vgl. hier v.a. den Schluss: „Tut dies zu meinem Gedächtnis."

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22Besonders ausgeprägt ist diese Anamnese von Gottes heilsgeschichtlichem Handeln im Vierten Hochgebet: „Wir preisen dich, heiliger Vater, denn groß bist du, und alle deine Werke künden deine Weisheit und Liebe. Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die Sorge für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe sollte er herrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen. Als er im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen, dich zu suchen und zu finden. Immer wieder hast du den Menschen deinen Bund angeboten und sie durch die Propheten gelehrt, das Heil zu erwarten. So sehr hast du die Welt geliebt, heiliger Vater, dass du deinen eingeborenen Sohn als Retter gesandt hast, nachdem die Fülle der Zeiten gekommen war. Er ist Mensch geworden durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria."

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23Vgl. dazu vgl. Lothar Lies, Verbalpräsenz - Aktualpräsenz - Realpräsenz. Versuch einer systematischen Begriffsbestimmung. In: Ders., Mysterium fidei. Annäherungen an das Geheimnis der Eucharistie. Würzburg 2005, 83-107.

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24Vgl.: Hans Kessler, Sucht den Lebenden nicht bei den Toten. Die Auferstehung Jesu Christi in biblischer, fundamentaltheologischer und systematischer Sicht. Neuausgabe mit ausführlicher Erörterung der aktuellen Fragen. Würzburg 1995, 291-298.

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25Kontroversen haben sich vor allem an der restriktiven Position von Bela Weissmahr - innerweltliches Handeln Gottes ausschließlich vermittelt in der Weise von causae secundae - entzündet. Ders., Gottes Wirken in der Welt. Ein Diskussionsbeitrag zur Frage der Evolution und des Wunders (FThSt 15). Frankfurt 1973. Vgl. dazu Bernhard Wenisch, Geschichten oder Geschichte? Theologie des Wunders. Salzburg 1981, 228-234, sowie Klaus von Stosch, Gott - Macht - Geschichte. Versuch einer theodizeesensiblen Rede vom Handeln Gottes in der Welt. Freiburg ; Wien u.a. 2006, v.a. 108-115.

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26Die textliche Anordnung der Bibel macht diese Umrahmung augenfällig: Die Bibel beginnt mit dem Schöpfungshandeln Gottes (Gen 1f) und endet mit einem radikal neuschöpfenden Handeln Gottes (Offb 23f).

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27Vgl., was Ps 104 zu allen Werken der Schöpfung sagt: „Sie alle warten auf dich, daß du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein; öffnest du deine Hand, werden sie satt an Gutem. 29 Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; / nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. 30 Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde" (Ps 104,28-30). In der traditionellen Theologie wird dieser Aspekt mit dem Begriff der creatio continua ausgedrückt.

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28Kessler, s. Anm. 24, 292.

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29Vgl. Gaudium et Spes 36f.

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30Hier stellen sich natürlich Fragen biblischer Hermeneutik: Könnte es nicht sein, dass die Aussageabsicht von Wunderberichten eine andere ist als die Durchbrechung von normalerweise erwartbaren Ereignissen? Damit müsste der Anspruch von Gottes Handeln ja noch nicht suspendiert sein, sondern könnte in eine andere Sinnrichtung akzentuiert werden. In diese Richtung ging die Mythoskritik von Bultmann. Nach ihm würde Gottes Handeln nicht die unbelebte Natur, sondern unvermittelt - in dialogischer Weise - die menschliche Freiheit ansprechen . Damit wäre nun aber doch das Feld möglichen göttlichen Handelns a priori beschränkt, auch wenn damit noch Felder dafür übrig bleiben. Eben diese Voraussetzung soll hier problematisiert werden.

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31Allerdings hält Thomas die Möglichkeit offen, dass Gott - wenn er will - auch an der Ordnung der causae secundae vorbei direkt wirken kann. Diese Möglichkeit wird von neueren Rezeptionen der causa-prima - causae-secundae - Struktur ausgeschlossen. So etwa bei Bela Weißmahr. Vgl. dazu: Stosch (s. Anm. 25) 61-66.

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32Weiter führen dürfte hier eine wissenschaftstheoretische Reflexion auf den Status von Naturgesetzen, die nicht den Gesamtbereich von allem Seienden determinieren, sondern - zugleich mit der Regel, die sie aufstellen - einen Bereich von wiederholbaren, u.U. experimentell herstellbaren Ereignissen bezeichnen, auf die diese Regeln zutreffen. Unter der Voraussetzung, dass Naturwunder weder regelmäßig auftreten noch mit bestimmten Methoden erzeugt werden können, entziehen sie sich a priori einer Beschreibbarkeit durch Naturgesetze. Zur ganzen Thematik vgl. Stosch, Gott - Macht - Geschichte (s. Anm. 24) 123-152.

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33„Radikale Abhängigkeit und echte Wirklichkeit des von Gott herkünftig Seienden wachsen im gleichen und nicht im umgekehrten Maße" (Karl Rahner, Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg i.Br.-Basel-Wien 1976, 80).

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34Dennoch kommt einem Handeln Gottes an den Grenzen menschlicher Handlungsmöglichkeiten eine besondere - zeichenhafte - Bedeutung zu. Das wird der folgende Abschnitt zeigen.

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35Aber handelt Gott nicht auch - als Strafender, Zorniger - wo Menschen sich dem Ruf verweigern? Zahllose biblische Texte sprechen dafür. Allerdings legt sich von einer bestimmten biblischen Hermeneutik her die Annahme nahe, dass Gottes Gerichtshandeln sich in der Weise vollzieht, dass Gott die Menschen, die sich von ihm abwenden, den sie verstrickenden Eigengesetzlichkeiten überlässt. So verfallen sie der Angst, Gier und Gewalt. Vgl. Raymund Schwager, Brauchen wir einen Sündenbock? Gewalt und Erlösung in den biblischen Schriften. Thaur 31994, 64-81. Auch wenn man dieser biblischen Hermeneutik nicht folgen will, ist zu vertreten, dass vom Erwählungshandeln Gottes als Mitte auszugehen ist. Die Bedeutung von Gottes strafendem Handeln an jenen, die sich seinem Ruf verweigern, ist von dieser Mitte her zu erschließen, - und nicht umgekehrt.

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36Vgl. hierzu Hans Kessler: „Dieses innovatorische Gotteshandeln geschieht vermittelt durch menschliche Akteure, die sich Gott (im Glauben) öffnen, die ihm in sich und in ihrem Handeln freien Willens so Raum geben, daß Gott kommen und durch sie (als Instrumentalursachen) wirken kann. Hier geht es also nicht mehr nur um ein Wirken der geschöpflich-menschlichen Akteure aus eigener Initiative und Kraft und im Rahmen eigener kreatürlicher Möglichkeiten (um die durch die Erstursache ermöglichte Eigenaktivität der »Zweitursachen«). Hier geht es darüber hinaus darum, daß menschliche Akteure, die sich Gott frei überantworten, (nun als »Instrumentalursachen«) durch Gottes Urheberschaft und Kraft zu einer Wirkung erhoben werden, welche ihre eigenen Fähigkeiten übersteigt und doch ihre eigene Wirkung ist." (Kessler, s. Anm. 24, 294). - Zwar bezieht Kessler diese Aussagen nicht (primär oder explizit) auf das Wirken von Wundern. Aber es ist eine generelle Aussage, die m.E. auch für eine Theologie des Wunderwirkens bestimmend ist. Diese Behauptung wäre am Wunderwirken Jesu und seiner Jünger, sowie auch an den Wundern des Alten Testaments zu erhärten.

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37Diese Aussage entspricht einem personalistischen Offenbarungsverständnis, wonach Gott nicht in erster Linie Informationen über sich und auch nicht in erster Linie von ihm selbst verschiedene Gaben vermittelt, sondern sich selbst als Befreiung, Vollendung und Erfüllung einer Geschöpflichkeit, die in innerer Dynamik auf ihn hin ausgerichtet ist und deshalb nur in ihm und ihm ganz seine Erfüllung und Glückseligkeit finden kann.

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38Zur Unterscheidung von Wirken Gottes und Handeln Gottes vgl. Stosch (s. Anm. 24), 22-89. Stosch sieht mit diesen beiden Begriffen jeweils einen personalen und kausalen Ansatz repräsentiert. Der im Folgenden von mir betonte Unterschied, dass Handeln im Unterschied zu Wirken intentional und unterscheidbar ist, kommt in Stoschs Definition von Handeln zum Tragen: „Im Sinne einer grundlegenden Definition schlage ich vor, nur ein solches Tun als Handlung zu bezeichnen, ‚bei dem ein Subjekt (in der Regel intentional) eine Transformation von Zuständen in der Welt bewirkt oder verhindert. Handlungen vollziehen sich immer in konkreten Situationen und können sich über einen bestimmten Zeitraum erstrecken, wobei das Ergebnis des Tuns mit zur Handlung gerechnet wird. Auch wenn der Handlungsbegriff ebenso auf unbeabsichtigtes Tun angewendet werden kann, ist der Bezug auf ein rational mindestens mit partieller Willensfreiheit ausgestattetes Subjekt und dessen Intentionalität doch unerlässlich für seine Verwendung‘" (ebd. 43). Für die Rede vom Handeln Gottes ergibt sich hiermit eine provozierende Spezifität, die mit dem Begriff des Wirkens Gottes eher vermieden werden kann.

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39Vgl. dazu den Handlungsbegriff von Stosch (vorige Anm.).

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40In diesem Sinn entstanden die biblischen Schöpfungsaussagen als Universalisierung von heilvollen Gotteserfahrungen im Kontext von zunächst erschütternden Erfahrungen, - nämlich der Ausgestoßenheit im Exil. Vgl. K. Löning - E. Zenger, Als Anfang schuf Gott. Biblische Schöpfungstheologien. Düsseldorf 1997, 42.

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41Vgl. Willibald Sandler, Hat Gott dem Menschen eine Falle gestellt? Theologie des Sündenfalls und Sündenfall der Theologie. In: ZkTh 129 (2007), 437-458, sowie die ausführlichere Fassung dieses Aufsatzes im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/700.html

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42Vgl. das Prinzip einer direkten Proportionalität von verdankter Gottesbeziehung und geschöpflichem Eigenstand in der Schöpfungstheologie, z.B. in der Formulierung bei Karl Rahner. S.o. Anm. 32. Das Ungenügen solcher idealer theologischer Leitprinzipien besteht darin, dass sie oft zu wenig die tief verwurzelten Schwierigkeiten ihrer faktischen Bestreitung berücksichtigen. Dramatische Theologie konzentriert sich auf solche Problematiken. Vgl. dazu Willibald Sandler, Die offen zu haltende Mitte. Negative Theologie in dramatischer Polyperspektivität. In: A. Halbmayr / G. M. Hoff (Hg.), Negative Theologie heute? Zum aktuellen Stellenwert einer umstrittenen Tradition (Quaestiones Disputatae 226). Freiburg - Basel - Wien 2008, 152-170, v.a. 161-170.

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43In Konfliktsituationen haben gegensätzliche Deutungen von Ereignissen zuweilen eine traurige Komik entwickelt. Ein eher amüsantes Beispiel bezieht sich auf die Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem 1. Vatikanum: „Während der feierlichen Verkündigung des Dogmas ging ein schweres Gewitter nieder, die "Placet" wurden immer wieder durch Donnerschläge unterbrochen - für die Einen Zeichen des göttlichen Zornes, während Andere, so Veuillot und die "Civiltà Cattolica" meinten, die päpstliche Unfehlbarkeit sei buchstäblich wie das Gesetz auf Sinai unter Blitz und Donner verkündet worden." (Klaus Schatz, Geschichte des päpstlichen Primats. Im Internet: http://www.sankt-georgen.de/leseraum/schatz2-4.html) - Vgl. auch die Zuschriften zur Aufstellung des umstrittenen Wach-Kreuzes auf der Innbrücke, von denen Bischof Scheuer in seiner Predigt am Dies Academicus 2007 in der Innsbrucker Jesuitenkirche gesprochen hat: Einige argumentierten: Durch die Aufstellung von dem Kreuz wird Innsbruck auch künftig von Hochwasser verschont bleiben. Andere warnten: durch die Aufstellung von einem solchen respektlosen Kreuz wird Innsbruck künftig vom Hochwasser nicht mehr verschont bleiben. - Brisanter waren Kriegspredigten, die Gottes helfendes Handeln für das eigene Land und gegen die Feinde nicht nur erbaten, sondern auch in konkreten Ereignissen aufzufinden meinten. Diesseits und jenseits der Grenzen wurde Gottes Handeln in gegensätzlicher und feindlicher Weise geschichtlich konkretisiert, - ein Umstand, der für ein christliches Gottesverständnis besonders irritierend sein musste, wenn die feindlichen Kriegsparteien beide christlich waren. Die Religions- bzw. Konfessionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts kompromittierten die Glaubwürdigkeit konfessioneller Religiosität und waren somit mitverantwortlich für die von der Aufklärung betriebene Säkularisierung.

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44Vgl. dazu Stosch, Gott - Macht - Geschichte (s. Anm. 24) 159f. In skurriler Übersteigerung wurde diese Gotteskritik im Juli 2007 in Rumänien publik, als ein verurteilter Mörder Gott, vertreten durch die orthodoxe Kirche, verklagte, weil Gott trotz Taufvertrages mit Gebets- und anderen Leistungen von Seiten des Klägers, diesen nicht davor bewahrte, Böses zu tun. Vgl. http://www.welt.de/vermischtes/article1018608/Mann_verklagt_Gott__und_verliert_Prozess.html (letzter Abruf: 26. 9. 2008

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45Ernst Troeltsch, Über historische und dogmatische Methode in der Theologie. Bemerkungen zu dem Aufsatze „Über die Absolutheit des Christentums" von Niebergall (1898), in: Zur religiösen Lage, Religionsphilosophie und Ethik, Gesammelte Schriften II, Tübingen 21922. Erstveröffentlicht: 1899.

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46Zur Unterscheidung von Erst- und Zweitursache vgl. oben, Kapitel 2.2.

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47Der Begriff „Geschehnismeinungen" geht auf Christian Hartlich zurück. Er vertrat in den 70er Jahren die These, dass für historische Forschung „Geschehnisaussagen ‚heiliger Geschichte‘... grundsätzlich unverifizierbar und insofern unter dem Gesichtspunkt dessen, was tatsächlich geschehen ist, für den Historiker wertlos" sind. Vgl. ders., Historisch-kritische Methode in ihrer Anwendung auf Geschehnisaussagen der Hl. Schrift, in: ZThK 75 (1978) 467-484.

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48Vgl. C.S. Lewis, Dienstanweisung für einen Unterteufel, Freiburg 162007, 120. Modifizierte Übersetzung. Hervorhebung von mir.

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49Vgl. H.-J. Sander, Die Zeichen der Zeit. Die Entdeckung des Evangeliums in den Konflikten der Gegenwart. In: G. Fuchs / A. Lienkamp (Hg.), Visionen des Konzils. 30 Jahre Pastoralkonstitution „Die Kirche in der Welt von heute" Münster 1997, 85-102.

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50(Raymund Schwager, Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (IThS 29). Innsbruck, Wien 1990, 73f.

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51Wesentlich für diese Argumentation ist die Annahme, Zu diskutieren wäre hier, ob man das auch von der Behauptung sagen kann, dass Gott in einem bestimmten Ereignis E gehandelt hat.

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52Aus: Anthony de Mello, Meditieren mit Leib und Seele. Neue Wege der Gotteserfahrung, Kevelaer 1984, 178. Um daraus ein Beispiel für das Verhältnis von Hypothetik und Glaubensüberzeugung zu machen, müsste man die Geschichte nur folgendermaßen modifizieren: Setze (1) anstelle von „Glück": „Gottes gnädiges Handeln", (2) anstelle von „Pech" das Ausbleiben von Gottes gnädigem Handeln oder gar ein Gerichtshandeln Gottes und (3) anstelle von „Wer weiß" ein grundsätzliches Vertrauen auf Gottes geschichtsmächtige Begleitung, bei Offenhalten der letzten Bedeutungen der Ereignisse.

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53Vgl. Est 4,17m.o.r.; Dtn 26,15; Ps 4,2; Ps 119,41.116.133; 126,1-4;Mi 7,20.

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54Vgl. Hans Urs von Balthasar, Theologie und Heiligkeit. In:  Verbum Caro (Skizzen zur Theologie Bd. 1). Einsiedeln 31990, 195-225.

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55Vgl. auch die fünf Kriterien als Angebot zur Unterscheidung des Lebensgeistes, in: B. J. Hilberath - M. Scharer, Firmung - wider den feierlichen Kirchenaustritt. Theologisch-praktische Orientierungshilfen. Mainz - Innsbruck - Wien 1998, 128-130.

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56Vgl. Raymund Schwager, Brauchen wir einen Sündenbock? Gewalt und Erlösung in den biblischen Schriften. Thaur 31994, 64-81.

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57Vgl. v.a. Röm 1,20-32.

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58Vgl. Schwager, Sündenbock (s. Anm. 54) 70-81.

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59Vgl. Sandler, Hat Gott dem Menschen eine Falle gestellt? (s. Anm.40) besonders: 457f.

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60Diese Unterscheidung zeigt sich als Ambivalenz zwischen geschöpflich- gottebenbildlicher Autonomie zur eigenständigen Weltgestaltung und einem von Gott abgelösten Autonomieanspruch im sündigen Wie-Gott-sein-Wollen. Vgl. W. Sandler, Wie kommt das Böse in die Welt? Zur Logik der Sündenfallerzählung. In: J. Niewiadomski, N. Wandinger,(Hrsg.): Dramatische Theologie im Gespräch. Symposion/Gastmahl zum 65. Geburtstag von Raymund Schwager. Münster u.a. 2003, 127 - 153 (im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/593.html). Weiters ders., To be Like God: Quintessence of Sin or Promise for Salvation? Mimetic Reflections on the Fall of Man. Vortrag auf der Jahrestagung des "Colloquium on Violence & Religion" in Koblenz, 5.-9. Juli 2005. In: http://theol.uibk.ac.at/itl/593.html.

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61Irenäus, adv. haer III 20,2. Vgl. bei Scharer/Hilberath (s. Anm. 53, 128f) das 2. Kriterium: Förderung der Freiheit.

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62Vgl. Sandler, Die offen zu haltende Mitte (s. Anm.41) 164-170; - sowie folgende Kriterien bei Scharer/Hilberath (s. Anm. 53): „Achtung vor allem Lebendigen", „Leben in Beziehung" und „Zuwendung zur unterdrückten Kreatur". Scharer nennt noch ein weiteres Kriterium: „Leben unter Vorbehalt". Dieses wird vor allem dort wichtig, wo Gott im Handeln von Menschen handelt.

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63Das Problem einer interventionistischen Vorstellung von Gottes Wirken (s.o. 38) hängt damit zusammen.

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64Ein Widerspruch ergibt sich hier insbesondere zu einem liturgiewissenschaftlich begründeten Verständnis des Bittgebets in der Eucharistie. Vgl. dazu Meßner, Liturgiewissenschaft (s. Anm. 18) 194: „Fehlformen des Allgemeinen Gebets sind häufig zu beobachten: moralische Appelle an die Anwesenden („gib, daß wir unsere Verantwortung wahrnehmen"), Versuche der Bewußtseinsbildung („laß uns erkennen"), gar Manipulation der Gemeinde, Belehrung und (Selbst-)Reflexion."

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65Vgl. E. Zenger, Mit meinem Gott überspringe ich Mauern. Einführung in das Psalmenbuch. Freiburg i.Br.-Basel-Wien 41991, v.a. 16-18.

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66„Nachdem sich für ihn Gott als der Größere, undurchschaubar Staunenswerte erwies, stellt er fest: „Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut. Darum widerrufe ich und atme auf, in Staub und Asche." Ijob 42,5f.

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67„Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Ober haben seine Eltern gesündigt, so daß er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden." Joh 9,1-3

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68Vgl. Willibald Sandler, Heilung von Gemeinschaft bei Jesus von Nazaret (2007). Im Internet in: http://theol.uibk.ac.at/itl/738.html

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69Vgl. oben, Kapitel 2.3.

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70Demgegenüber erweist sich eine verbreitete Tendenz, Gottes Handeln durch Betonung der Grenzen von menschlichem Handeln (Tunkönnen) zu akzentuieren, als tendentiell monophysitisch. D.h. sie entspringt einer konkurrierenden Verhältnisbestimmung von göttlicher und menschlicher Freiheit, die im Hinblick auf die Person Jesu Christi eine unverkürzte Gottheit („wahrer Gott") durch tendentielle Auflösung der menschlichen Natur zu sichern trachtet.

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71Diese Problematik wird scharf deutlich in Formulierungen wie: „Gott hat keine Hände als unsere". Ist das Resultat nicht ein „handloser" und damit „handlungsunfähiger" Gott? Oder anders gedacht: Feuerbach würde sich über solche Konzepte freuen und sie im Sinne seiner Religionskritik interpretieren.

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72K. Rahner, Über die Erfahrung der Gnade, in: Schriften zur Theologie, Bd. III, 106; vgl. ders., Erfahrung des Heiligen Geistes, in: Schriften zur Theologie, Bd. XIII. Hg. , Einsiedeln-Zürich-Köln 1978, 226-251, hier: 239-242.

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73Vgl. in diesem Sinn: Peter Hünermann, Gottes Handeln in der Geschichte. Theologie als Interpretatio temporis. In: M. Böhnke u.a. (Hg.), Freiheit Gottes und der Menschen. Festschrift für Thomas Pröpper, Regensburg 2006, 123.

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74Vgl. Balthasar, Theologie und Heiligkeit (s. Anm.52)

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75Selber versuche ich das seit einiger Zeit im Kontakt mit der charismatischen Erneuerung.

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76Die charismatische Erneuerung, die bei uns in den 70er Jahren aufgebrochen ist und inzwischen vielerorts nur „überlebt" hat, enthält zentrale Impulse, Intuitionen und Praktiken, die für die Kirche als ganze unverzichtbar sind. Die ursprüngliche Aufgabe der charismatischen Erneuerung wäre (gewesen), diese Impulse in das christlich-kirchliche Leben so weit und so tief einzubringen, dass die charismatische Erneuerung dadurch geradezu überflüssig wird (nach einer Aussage von Kardinal Suenens). Es ist eine besondere Tragik, wenn durch falsche Profilierungsversuche (von innen, aber auch - durch Fremdzuordnungen - von außen) entscheidende Gaben, die in der charismatischen Erneuerung am Wachsen waren, ängstlich/peinlich auf diese begrenzt und damit für die Kirche insgesamt geradezu blockiert werden. Hier ist m.E. eine Erneuerung der Erneuerung notwendig. Das ist ohne eine gute (kriteriologisch differenzierte und erfahrungsgegründete) Theologie nicht möglich.

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77Aktuelle Zählungen (die allerdings immer schwierig sind) gehen davon aus, dass weltweit über eine halbe Milliarde Christen pfingstlerischen und charismatischen Gruppierungen zuzuordnen sind (Roger Robins, Art. Pfingstbewegung/Pfingstkirchen. In: RGG 4, Band 6 [2001], 1237.) Zudem wird festgestellt, dass die pentecostalen Anteile der 2 Mrd. Christen zu den am stärksten wachsenden gehören. Auch wenn diese Phänomene im weltweiten Vergleich in Europa unterrepräsentiert sind, kann es sich Theologie nicht leisten, infolge begreiflicher Aversionen und Berührungsängste, diese Phänomene zu ignorieren oder allein distanziert-kritisch abzuhandeln.

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