University Logo

Jesus in der Pubertät – Wahrer Mensch und wahrer Gott

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Kaum ist er geboren, führt uns das heutige Evangelium zum Fest der Heiligen Familie Jesus als zwölfjährigen vor Augen, der seine Eltern in schlimme Sorgen stürzt. Dieses Evangelium zeigt auf besonders schöne Weise, was es heißt, wenn der christliche Glaube bekennt, Jesus sei wahrer Mensch und wahrer Gott – und wir können daraus etwas lernen für unser Menschsein, für unseren Glauben und für unsere Familien
Publiziert in:
Datum:2010-01-06

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
Paragraph Icon

Lesungen: (1 Sam 1,20–22.24–28); Kol 3,12–21; Lk 2,41–52

2
Paragraph Icon

Liebe Gläubige,

3
Paragraph Icon

kaum ist er geboren, führt uns das heutige Evangelium zum Fest der Heiligen Familie Jesus als zwölfjährigen vor Augen, der seine Eltern in schlimme Sorgen stürzt. Ich finde, dieses Evangelium zeigt auf besonders schöne Weise, was es heißt, wenn der christliche Glaube bekennt, Jesus sei wahrer Mensch und wahrer Gott – und wir können daraus etwas lernen für unser Menschsein, für unseren Glauben und für unsere Familien.

4
Paragraph Icon

Der zwölfjährige Jesus ist in der Pubertät. Neben vielen anderen Dingen beginnen Jugendliche in dieser Lebensphase sich von den Eltern abzugrenzen. Erzählen jüngere Kinder normalerweise treuherzig den Eltern alles ohne gesteigerten Wert auf Privatspähre oder persönliche Geheimnisse, so ändert sich das mit der Pubertät. Jugendliche legen großen Wert darauf, etwas Eigenes zu haben und nicht alles den Eltern mitzuteilen. Sie können dann verschlossen und abweisend wirken und die Eltern verstehen nicht, was mit den Kids auf einmal los ist. Nicht anders ergeht es den Eltern Jesu. Der Sohnemann ist auf einmal überzeugt, dass er zurück nach Jerusalem muss. Er fragt nicht, er informiert nicht – er haut einfach ab. Ein Teen­ager. Ganz Mensch.

5
Paragraph Icon

Der jüdische Tempel war auch eine Stätte der religiösen Bildung. Als Jesu Eltern ihn wiederfinden, sitzt er mitten unter den Lehrern. Anders als es eine vermeintlich fromme christliche Fantasie haben will, belehrt er diese aber nicht, sondern er stellte Fragen und hörte ihnen zu. Er tat das aber auf solche Weise, dass diese „erstaunt [waren] über sein Verständnis und über seine Antworten“ (Lk 2,47). Kennen wir das nicht auch von heutigen Kindern oder Jugendlichen? Manchmal stellen sie uns eine Frage – und in dieser Frage offenbart sich bereits so viel Wissen und Verständnis, dass wir ganz baff sind. Und wenn wir antworten, fragen die Jugendlichen oft zurück: Bedeutet das also, dass so und so. Und manchmal drücken sie das Gemeinte in ihren eigenen Worten so treffend aus, dass wir nur erstaunt sein können über ihr Verständnis und ihre Antworten. So auch bei Jesus: ganz Mensch.

6
Paragraph Icon

Aber: Die wenigsten unserer Kids gehen, wenn sie einfach verschwinden ohne die Eltern zu informieren, in einen Tempel oder eine Kirche. Sie gehen vielleicht in die Disco oder heimlich rauchen, oder halt nur untereinander herumhängen. Jesus geht in den Tempel und zwar mit einer ganz seltsamen Begründung: „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Da zeigt sich ein Bewusstsein, das über das hi­nausgeht, was unsere Jugendlichen oder auch wir in unserer Jugend gehabt haben. Wir suchen gewöhnlich nach uns selber, wollen herausfinden, wer wir sind. Jesus fühlt sich von Jugend an verwiesen auf einen himmlischen Vater, auf einen, der über alles Innerweltliche hi­nausgeht. Und er spürt, dass er eine ganz spezielle, einmalige Beziehung zu diesem Vater hat, eine Beziehung, die so eng und so persönlich ist, dass unser Glaube Jesus als wahren Gott bezeichnet: so wahr der Vater Gott ist, so wahr ist es auch dieser Sohn. Und – so können wir im Glauben feststellen: Das ist auch der letzte Grund, warum er die Lehrer im Tempel so verblüfft. Da ist ein jugendlicher Verstand, der nach Worten sucht und die Lehrer befragt; der aber dann das, was sie ihm beibringen, neu ausspricht in einem Horizont der Vertrautheit und des intimen Wissens, das er auch ohne Worte schon hatte, das er aber nun in Worte fasst, so dass man nur staunen kann. Was er sagt über Gott – seine Worte –, wie er es sagt – mit Vollmacht, wird es später heißen – und wem er es sagt – denen, die es am meisten brauchen –, das passt bei ihm absolut zusammen, bildet eine Einheit, wie sie andere religiöse Lehrer nicht erreichen.

7
Paragraph Icon

Was bedeutet diese Erzählung aus dem Leben Jesu aber für unsere Familien? Zunächst einmal können wir feststellen: nicht einmal bei Jesus ging das Erwachsenwerden ganz ohne Reibung, ja ohne Verletzung. Unsere menschliche Natur – und zwar auch die ganz sündenfreie – ist so angelegt, dass es zwischen den Generationen manchmal Konflikte geben muss. Nicht, dass es Konflikte gibt, ist problematisch und sündhaft, wohl aber oft, wie wir mit den Konflikten umgehen. Da fehlt wahrscheinlich anderen Kids meist das feine Unterscheidungsvermögen Jesu, wann man wirklich das eigene tun muss, und wann man gehorsam sein kann ohne seinen Eigenstand zu verlieren. Und es fehlt den Eltern meist die Größe, die Maria und Josef beweisen: das Tun des Sprösslings zu akzeptieren und ihn anzunehmen, obwohl sie es überhaupt nicht verstehen können. Wenn es Unverständnis zwischen Jesus und seinen Eltern gab, wie sollte es da nicht Unverständnis in unseren Familien – zwischen Eltern und Kindern, zwischen Vätern und Müttern, gar zwischen Schwiegereltern und angeheirateten Söhnen und Töchtern geben? Das ist unvermeidlich und nicht an sich etwas Schlechtes. Wieder ist aber die Frage, wie wir damit umgehen. Können wir den anderen, den Fremden neben uns, den wir nicht verstehen, in seiner Eigenheit lassen und so akzeptieren oder müssen wir das Fremde immer auch als bedrohlich und daher feindlich empfinden?

8
Paragraph Icon

Das versucht Paulus auch der jungen Kirche in Kolossä zu sagen. Seine Mahnungen kann man in zwei Teile gliedern: einen ersten Teil, in dem er den Gläubigen das Zentrale und Wesentliche für das christliche Leben mitteilt; dann einen zweiten, in dem er das für seine Zeit und die betroffene Gemeinde praktisch anwendet. Daher können und müssen wir diesen zweiten Teil für unsere Zeit auch anpassen. Der erste Teil aber muss Grundlage jeder Anpassung sein.

9
Paragraph Icon

Das Allererste ist: wir sind von Gott geliebt. Bevor wir mit irgendwelchen Verhaltensregeln beginnen, müssen wir uns das vergegenwärtigen: trotz unserer Fehler und unserer Einwilligkeiten liebt uns Gott ohne Wenn und Aber. Das heißt: Gott ist mit uns erbarmungsvoll, gütig, mild und geduldig. Das alles sollen wir auch miteinander sein; und dazu auch demütig – eben weil wir wissen, dass wir diese Zuwendung Gottes gar nicht verdienen, sondern nur dankbar annehmen können. Und dann – sehr realistisch: „Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ Manchmal, wenn man den anderen nicht versteht und als so fremd empfindet, und wenn einen das auch noch verletzt, so bleibt gar nichts übrig, als den anderen einfach nur zu ertragen – und die Verletzung zu vergeben. Es bleibt nichts anderes übrig, wenn – ja wenn – man den anderen trotzdem liebt, denn nur die echte Liebe kann einem helfen, zu vergeben; kann einen motivieren auszuhalten und zu ertragen trotz der Verletzung. Und doch bedeutet das nicht, dass man alles hinnehmen, alles kritiklos schlucken müsste: „Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit!“, schreibt Paulus auch. Da geht es nicht um rechthaberische Belehrung oder moralisierende Ermahnung, sondern es geht darum, das, was eine Beziehung schwer macht und belastet, so anzusprechen, dass der/die andere möglicherweise verstehen kann, warum mich das so kränkt und so verletzt.

10
Paragraph Icon

Liebe Gläubige, das Fest der Heiligen Familie kann uns Mut machen, indem es uns zeigt, dass Familie nicht konfliktfreie Harmonie bedeutet. Es zeigt uns aber auch, wie unheilig unsere Familien oft sind, wenn darin Konflikte gar nicht oder auf ungute Weise ausgetragen werden. Und das gilt sowohl für unsere Familien im eigentlichen Sinn als auch für die große Familie der Kirche – und wohl noch viel mehr, wenn wir die ganze Menschheit letztlich als unsere Familie ansehen. Gerade dort empfinden wir das Fremde und Unverständliche oft als Bedrohung und reagieren nicht liebevoll darauf, vor allem wenn es in unser Land und unsere Kultur kommt. Wir können nur hoffen, dass uns ein wenig gelingt, was uns Gott uns in Jesus und seinen Eltern vorgemacht hat: Konflikte konstruktiv auszutragen

© Universität Innsbruck - Alle Rechte vorbehalten
Webredaktion | Impressum

Powered by XIMS