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Segen und Fluch der Konkurrenz
(Die Globalisierung als sozialethische Herausforderung)

Autor:Palaver Wolfgang
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Die Problematik der Globalisierung zeigt sich am Beispiel der Ambivalenz von Konkurrenz, die sowohl als fördernder Wetteifer als auch als zerstörerischer Neid wirksam werden kann. Aus der Sicht der katholischen Soziallehre wird auf die Notwendigkeit einer internationalen solidarischen Rahmenordnung und den Aufbau einer "Zivilisation der Liebe" zur Hegung der Globalisierung hingewiesen.
Publiziert in:actio catholica 42/1 (1998) 39–48.
Datum:2001-10-18

Inhalt

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Die Globalisierung ist zu einem der wichtigsten Thema der aktuellen politischen Diskussion geworden. Das Wort selbst umgibt eine Aura der Ambivalenz ähnlich jener von sakralen Erscheinungen. Optimistische Heilserwartungen und apokalyptische Schreckensszenarios werden gleichzeitig mit diesem Begriff transportiert. Sachlich beschreibt das Wort Globalisierung die weltweite Öffnung der Märkte für Waren und Dienstleistungen, die zunehmende Freizügigkeit für unternehmerisches Handeln, die weltweite Verfügbarkeit technischen Wissens, Könnens und qualifizierter Arbeitskräfte, sowie die wachsende Mobilität des Kapitals (vgl. Zukunft Nr. 84).

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Im folgenden möchte ich die Frage beantworten, welche sozialethischen Konsequenzen sich durch die Globalisierung ergeben. Dazu möchte ich mich besonders auf den Aspekt der Konkurrenz konzentrieren, die als zentrales Element der Marktwirtschaft im Zeitalter der Globalisierung zum weltweiten Wettbewerb geworden ist. Die Globalisierung bedeutet im wesentlichen eine Verschärfung und Ausdehnung der Konkurrenz.

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1. Der Segen der Konkurrenz

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Neigen Sozialethiker und Moraltheologen zwar eher zu einer skeptischen Bewertung der Konkurrenz, so betonen heute zunehmend auch kritische Vertretern dieser Fächer, daß der Wettbewerb eine Quelle des Fortschritts und des Wohlstands ist. Für den Sozialethiker Friedhelm Hengsbach ist beispielsweise "der Konkurrenzgrundsatz ... eine Grundlage von Massenwohlstand, beachtlichen Sozialleistungen, Bildungschancen und Umweltreparaturen" (Hengsbach 38).

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Kulturgeschichtlich ist die positive Bewertung der Konkurrenz nichts wirklich neues. Seit Jahrtausenden machen wir Menschen die Erfahrung, daß die Konkurrenz eine Quelle unseres Wohlstandes darstellt. Als Beispiel möchte ich den griechischen Dichter Hesiod (700 v. Chr.) zitieren, der von der guten Göttin Eris sprach, die die Menschen zur Konkurrenz treibt und so zum Segen für die ganze Menschheit wird: "Ist einer auch träg, treibt sie ihn doch ans Werk. Sieht nämlich der Nichtstuer, wie sein reicher Nachbar mit Eifer pflügt, sät und sein Haus wohl bestellt, dann eifert der Nachbar dem Nachbarn nach, der zum Wohlstand eilt. Fördernd ist solcher Wetteifer für die Menschen, und so grollt der Töpfer dem Töpfer und der Zimmermann dem Zimmermann, der Bettler neidet dem Bettler, und der Sänger dem Sänger." (Hesiod, Werke, Vers 20-26).

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Am Anfang unseres Jahrhunderts hat der deutsche Soziologe Georg Simmel (1858-1918) ganz ähnlich wie Hesiod auf die Konkurrenz als Quelle des Wohlstands hingewiesen. Gegen die Tendenz, in der Konkurrenz nur "vergiftende, zersprengende, zerstörerische Wirkungen" hervorzuheben, betont er ihre "vergesellschaftende Wirkung" (Simmel 327). Ja, er geht dabei soweit, daß er von einer Nähe der Konkurrenz zur "Liebe" spricht: Der Konkurrenz "gelingt unzählige Male, was sonst nur der Liebe gelingt: das Ausspähen der innersten Wünsche eines Anderen, bevor sie ihm noch selbst bewußt geworden sind. Die antagonistische Spannung gegen den Konkurrenten schärft bei dem Kaufmann die Feinfühligkeit für die Neigungen des Publikums bis zu einem fast hellseherischen Instinkt für die bevorstehenden Wandlungen seines Geschmacks, seiner Moden, seiner Interessen; und doch nicht nur bei dem Kaufmann, sondern auch bei dem Zeitungsschreiber, dem Künstler, dem Buchhändler, dem Parlamentarier. Die moderne Konkurrenz, die man als Kampf Aller gegen Alle kennzeichnet, ist doch zugleich der Kampf Aller um Alle." (ebd. 328)

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2. Der Fluch der Konkurrenz

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Genauso häufig wie von den positiven Seiten der Konkurrenz gesprochen wird, kommen heute aber auch deren Schattenseiten zur Sprache. Der Sozialethiker Hengsbach unterscheidet beispielsweise den positiv bewerteten Konkurrenzgrundsatz vom "krankhaften Konkurrenzfieber", das sich letztlich gegen die Schwachen einer Gesellschaft richtet. Diesem Konkurrenzfieber entspringe ein "aggressiver Verdrängungswettbewerb", der ein "fortwährendes Treten der Stärkeren von oben nach unten" (Hengsbach 49) bedeute.

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Auch hier lassen sich kulturgeschichtlich schon viel ältere Hinweise auf die bedrohliche Seite der Konkurrenz finden. In manchen Kulturen wie z. B. bei den Hopi-Indianern Nordamerikas ist konkurrierendes Verhalten überhaupt verboten (Schoeck 19). Deutlich läßt auch der griechische Mythos die problematische Seite der Konkurrenz erkennen. Die Göttin Eris gilt als Göttin des Streits, die zu Krieg und gegenseitiger Gewalt führt. Weil sie von einer Hochzeit ausgeschlossen wurde, rächte sie sich mit einem goldenen Apfel, der zur Schönheitskonkurrenz zwischen Aphrodite, Hera und Athena führte und schließlich den trojanischen Krieg auslöste. Selbst für Hesiod war Eris in seinem früheren Werk "Theogonie" (Vers 226-231) nur eine negative und zerstörerische Göttin und dort, wo er später von der guten Eris spricht, bleibt sie noch immer von der negativen unterschieden.

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Auch für Georg Simmel folgt aus der Konkurrenz nicht nur wachsender Wohlstand, sondern er weiß auch um ihre "Tragik" und ihre "Opfer". Er scheut sich dabei nicht, von der Möglichkeit der Vernichtung der "ökonomischen, sozialen, familiären, ja physischen Existenz" (Simmel 343f) zu sprechen, die aus der Konkurrenz folgen können.

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3. Die moderne Schwierigkeit der Unterscheidung von Wetteifer und Neid

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Bei Hesiod fällt dem modernen Leser auf, daß er die gute Eris sprachlich mit dem Neid in Verbindung bringt. Dieser bei Hesiod angedeutete ambivalente Charakter der Konkurrenz hat auch in den verschiedenen Sprachen ihren Niederschlag gefunden. So umfaßt das lateinische Wort für Wetteifer "aemulatio" auch die Eifersucht und das Neidischsein. Ähnlich bedeutet die althochdeutsche Wurzel für das Wort Neid, "nid", sowohl den positiven Wetteifer als auch den zerstörerischen Neid. Die Ambivalenz der Konkurrenz verlangte nach einer systematischen ethischen Antwort, die eine Unterscheidung der guten und der bösen Aspekte erlaubte. Ähnlich wie Hesiod die gute von der bösen Eris unterschied, versuchte man traditionell den positiven, zum Wohlstand führenden Wetteifer vom negativen Phänomen des Neids zu unterscheiden. Dabei ging man allerdings schon über Hesiod hinaus, der durchaus auch im Zusammenhang mit der guten Eris von Neid spricht. Aristoteles, Cicero, Thomas von Aquin oder - um ein Beispiel aus unserer Gegenwart anzuführen - der Soziologe Helmut Schoeck können als typische Vertreter dieses Unterscheidungsversuchs angesehen werden. Nach Schoeck können Wetteifer und Neid klar voneinander unterschieden werden: "Wer nacheifert, es einem anderen gleich zu tun strebt, ist weder selbstsüchtig, böswillig noch haßerfüllt. Der Wetteifer braucht einen Rivalen, einen Konkurrenten, aber dieser muß nicht als Feind angesehen werden. Er kann sogar unser Freund sein, dessen Vorbild unsere Kräfte und Talente hervorbringt." (Schoeck 29) Kritisch bemängelt Schoeck an Dichtern und heutigen Amerikanern, daß sie diese Unterscheidung nicht genug beachten würden (ebd. 14, 28, 111, 187). Indirekt deutet Schoeck aber mit dieser kritischen Nebenbemerkung darauf hin, daß die Unterscheidung von Neid und Konkurrenz keineswegs selbstverständlich ist, sondern gewisse Bedingungen voraussetzt. Schon am Beispiel Hesiods läßt sich klar zeigen, daß die Unterscheidung von guter und böser Eris eine bestimmte Gesellschaftsordnung zur Voraussetzung hat. Hesiod spricht von einer Gesellschaft, die von einer Rechtsordnung (nomos) getragen ist. Außerdem handelt es sich bei Hesiod um eine lokal begrenzte, agrarisch ausgerichtete antike Sklavenhalter-Gesellschaft, in der sogar die Schiffahrt nur als Ausnahme angesehen wird. Ähnliches gilt für Aristoteles, Cicero und Thomas. Die antiken und mittelalterlichen Gesellschaften kannten die moderne Aufhebung der sozialen Differenzen und die moderne Dynamik des Handels noch nicht. Die sozialen Differenzen und die Statik des Wirtschaftslebens machten eine Unterscheidung von Wetteifer und Neid möglich.

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In der modernen Welt haben sich diese Bedingungen mehr oder weniger aufgelöst. Die zunehmende politische Gleichheit unter den Menschen, die durch die weltweite Seefahrt beginnende Globalisierung und die Dynamisierung des Wirtschaftslebens machten die traditionelle Unterscheidung von Wetteifer und Neid fragwürdig. Eines der wichtigsten literarischen Beispiele dafür findet sich bei William Shakespeare (1564-1616), der in seiner Tragödie "Troilus und Cressida" die traditionelle Unterscheidung von "emulation" (Wetteifer) und "envy" (Neid) durchbricht und gleichzeitig auch aufzeigt, welche gesellschaftlichen Bedingungen diese begriffliche Entdifferenzierung fördern. In einer großen Rede beschreibt der griechische Stratege Ulysses, wie durch den Zusammenbruch der hierarchischen Ordnung ein gewalttätiges Begehren freigelassen wird, das die traditionelle Rechtsordnung sowie die Unterscheidung von Wetteifer und Neid aufhebt und eine Welt des grenzenlosen Wachstums zum Vorschein kommen läßt:

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"Nehmt nur die Rangordnung! - Verstimmt die Saite,

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Und horcht, wie Mißklang folgt.

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Gewalt wär' Recht. - Nein: Recht und Unrecht, deren

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Endlosen Streit Gerechtigkeit in Bann hält,

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Wären mitsamt der Rechtsordnung dahin.

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Dann löste alles in Gewalt sich auf.

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Gewalt in Willkür, Willkür in Begierde. -

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Und diese Gier, ein Wolf, der alle Welt frißt,

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Doppelt gestützt auf Willkür und Gewalt,

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Müßte sich die ganze Welt zur Beute machen

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Und fräß sich selbst dann. -

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So wird, Rang um Rang,

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Dem Ersten nach, der seinen Herrn schief ansah,

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Ein neidisches und blasses Fieber draus

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Von blutlos gegenseitiger Mißachtung." (1. Aufzug, 3. Szene)

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Shakespeare beschreibt hier das Heraufziehen der modernen Welt. In ihr ist es viel schwieriger geworden, grundsätzlich zwischen Wetteifer und Neid zu unterscheiden. Im englischen Text zeigen die letzten beiden Zeilen, wie "envy" und "emulation" miteinander identisch werden: "... grows to an envious fever / Of pale and bloodless emulation". Gleichzeitig verweist er auch schon auf die Problematik des mit der modernen Welt eng verknüpften grenzenlosen Wachstums, das erst in unserem Jahrhundert im Hinblick auf die gegenwärtigen ökologischen Probleme sein wirkliche Gefahr erkennen läßt.

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Was Shakespeare hier mit dichterischer Kraft voraussah und pointiert zum Ausdruck brachte, ist dann sehr bald auch in der politischen Philosophie thematisiert worden. Für die großen Philosophen am Beginn unserer modernen Welt war die traditionelle Unterscheidung von Wetteifer und Neid nicht mehr gültig. Sie erkannten in der Konkurrenz ein grundsätzlich ambivalentes Prinzip, dessen Gefährlichkeit sich nicht mehr ohne weiteres eindämmen ließ. Im 17. Jahrhundert löste die Marktgesellschaft die traditionelle ständische Ordnung ab. Während in der ständischen Ordnung Konkurrenz nur sehr begrenzt möglich war (Kämpfe zwischen Gleichgestellten, gelegentlich zwischen Klassen), wird nun in der Marktgesellschaft die Konkurrenz zum alles bestimmenden Moment (Vgl. McPherson 61-86). Thomas Hobbes (1588-1679), einer der Väter der modernen politischen Philosophie, hat diese neue Welt des Marktes und der Konkurrenz bildlich präzise auf den Punkt gebracht. Für ihn ist das Leben mit einem Wettlauf identisch: "Stets den nächsten vor uns besiegen ist Glück; Und das Rennen aufgeben heißt Sterben." (Hobbes, Naturrecht 77) Für Hobbes ist die Konkurrenz im Sinne eines ständigen gegenseitigen Vergleichens zum bestimmenden Moment des menschlichen Zusammenlebens geworden. Macht, Ehre und Reichtum sind keine absoluten Größen mehr, sondern ergeben sich aus der gegenseitigen Konkurrenz. Oberflächlich gesehen scheint Hobbes noch wie Aristoteles zwischen Wetteifer und Neid zu unterscheiden. Ein genauerer Blick aber zeigt, daß für ihn die Konkurrenz zum alles bestimmenden Grundstreben des Menschen geworden ist, das auch die negative Seite des Neids umfaßt.

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Noch stärker als Hobbes hat Bernhard de Mandeville (1670-1733) die Aufhebung der Unterscheidung von Wetteifer und Neid zum Ausdruck gebracht. Der Neid bleibt zwar für ihn ein Laster, aber gleichzeitig ist er eine notwendige Triebkraft des menschlichen Handelns: "Nicht minder dient der Neid sowie / Die Eitelkeit der Industrie." (Mandeville 85, 177-189)

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Ähnlich ambivalent wird die Konkurrenz von Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) gesehen. Nach Rousseau ist der zivilisierte, nicht mehr im Naturzustand befindliche Mensch wesentlich von der Eigenliebe ("amour propre") bestimmt, die im ständigen Vergleichen und Konkurrieren besteht. Dieser Eigenliebe spricht er sowohl die guten als auch die schlechten Errungenschaften unserer Zivilisation zu: "Ich würde darauf aufmerksam machen, wie sehr jenes universelle Verlangen nach Reputation, Ehren und Auszeichnungen, das uns alle verzehrt, die Talente und die Kräfte übt und vergleicht; wie sehr es die Leidenschaften anstachelt und vervielfacht; und - da es alle Menchen zu Konkurrenten, Rivalen, oder vielmehr Feinden macht - wie viele Schicksalsschläge, Erfolge und Katastrophen aller Art es täglich verursacht, daß es so viele Bewerber dasselbe Rennen laufen läßt. Ich würde zeigen, daß wir diesem Eifer, von sich reden zu machen, dieser Raserei, sich zu unterscheiden, die uns immer außerhalb unserer selbst hält, verdanken, was es an Bestem und was es an Schlechtestem unter den Menschen gibt: unsere Tugenden und Laster, unsere Wissenschaften und unsere Irrtümer, unsere Eroberer und unsere Philosophen, das heißt eine Menge schlechter Dinge gegenüber einer geringen Zahl guter." (Rousseau, Diskurs 257)

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4. Der neuzeitliche Staat als Heilmittel gegen die Gefahren der Konkurrenz

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Für ein tieferes Verständnis der heutigen Problematik der Globalisierung ist es wichtig, zu sehen, wie die Väter der modernen politischen Philosophie im neuzeitlichen Staat das Heilmittel gegen die Gefahren der Konkurrenz suchten. Sowohl Hobbes, de Mandeville als auch Rousseau können dafür als Beispiel herangezogen werden. Für Hobbes ist die Konkurrenz eine der Hauptursachen für den Krieg aller gegen alle, den er mit dem Naturzustand gleichsetzt (Vgl. Hobbes, Leviathan 45, 76, 95, 133). Aus der allseitigen Konkurrenz entstehen Feindschaft und Krieg, die nur durch den absoluten Staat, den Leviathan, überwunden werden können. Ausdrücklich lassen sich dabei bei Hobbes auch schon Ansätze zum Sozialstaat erkennen. Der Staat soll jene unterstützen, die im Wettlauf auf der Strecke bleiben: "Und da viele Menschen durch unvermeidbare Zufälle unfähig werden, sich selbst durch eigene Arbeit zu ernähren, sollten sie nicht der Wohltätigkeit von Privatpersonen überlassen, sondern aufgrund staatlicher Gesetzgebung wenigstens mit dem Lebensnotwendigen versorgt werden. Denn es ist von jedermann hartherzig, wenn er sich um den Schwachen nicht kümmert, so ist dies auch vom Souverän eines Staates, wenn er sie der zufälligen und so unsicheren Wohltätigkeit überläßt." (Hobbes, Leviathan 264)

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Auch Mandeville verweist indirekt auf den Staat, wenn er von der "Furcht vor dem Gesetze" spricht, der es einzig gelingt, die vom Neid getriebenen "rohen und ungebildeten Leute" (Mandeville 178f) im Zaum zu halten.

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Ähnlich wie Hobbes im absolutistischen Staat das notwendige Gegengewicht zu Konkurrenz sieht, so bietet auch für Rousseau einzig der Staat die Möglichkeit, die durch die Konkurrenz bestimmte Eigenliebe positiv zu kanalisieren. Damit die Eigenliebe nicht zum Krieg und zur Auflösung des menschlichen Zusammenlebens führt, muß sie mit dem Gemeinwohl in Übereinstimmung gebracht werden. Das wichtigste Mittel dazu ist nach Rousseau die Tugend der Vaterlandsliebe, der Patriotismus: "Es ist gewiß, daß die größten Wunderwerke der Tugend ihre Entstehung der Liebe fürs Vaterland zu verdanken haben: Diese süße und lebhafte Empfindung, welche die Kraft der Eigenliebe mit aller Schönheit der Tugend vereinigt, gibt ihr einen Nachdruck, welcher, ohne sie zu verunstalten, sie zur heldenmütigsten aller Leidenschaften macht." (Rousseau, Abhandlung 241) Die Eigenliebe muß nach Rousseau also in jenen "gemeinsamen Wetteifer ("l'émulation commune") fürs Vaterland zu leben und zu sterben" (ebd. 248) verwandelt werden. Jeden Kosmopolitismus lehnte er dabei ab, da die Eigenliebe seiner Meinung nach nur durch den nationalen Kleinstaat überwunden werden kann. Im Hintergrund dieser Position stand indirekt auch Rousseaus Einsicht, daß erst die Feindschaft gegen Dritte jenen Gemeinwillen erzeugen kann, der die Eigenliebe zur patriotischen Tugend erhebt. Wo er nach der Art des Zustandekommens des für seine politischen Theorie zentralen Gedankens des Gemeinwillens (volonté générale) fragt, verweist er indirekt auf die Notwendigkeit eines äußeren Feindes. "Die Übereinstimmung zweier Einzelinteressen kommt durch die Gegnerschaft gegen ein drittes zustande." (Rousseau, Gesellschaftsvertrag 31) Nach Hannah Arendt (Revolution 97f) beruht alle nationalistische Politik des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts im Grunde auf dieser bei Rousseau ausgedrückten Binsenwahrheit.

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Der von Hobbes und Rousseau beschworene neuzeitliche Nationalstaat zur Eindämmung der Konkurrenz hat sich im Laufe der Zeit selbst seine ethische Rechtfertigung entzogen. Er führte immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen und hat zumindest in Europa nach zwei Weltkriegen zum Überdenken dieses Prinzips geführt. Die Europäische Union ist ja nicht nur ein Versuch, den freien Markt in Europa immer weiter auszudehnen, sondern wesentlich auch durch die Überwindung des engen nationalstaatlichen Denkens motiviert. Hier läßt sich auch ein indirekter Einfluß des Christentums erkennen, das der absoluten staatlichen Souveränität eher kritisch gegenübergestanden ist und so die Tendenz zur Globalisierung mitverursacht hat.

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Obwohl der souveräne Nationalstaat sich zunehmend als ein Ding der Vergangenheit herausstellt, gibt es gerade angesichts der zunehmenden ökonomischen Globalisierung in diesem Jahrhundert immer wieder Versuche, den neuzeitlichen Nationalstaat - oder ihm vergleichbare politische Äquivalente wie etwa Staatenblöcke - mit seiner mit dem Feinddenken gekoppelten politischen Abschottung nach außen zu revitalisieren. Der wichtigste Vertreter eines solchen Denkansatzes ist wohl der deutsche Staatsrechtsgelehrte Carl Schmitt (1888-1985), der sich diesbezüglich ausdrücklich sowohl auf Hobbes als auch auf Rousseau berief (Schmitt 69-71; vgl. Palaver). Gegenwärtig ist dabei besonders interessant, daß nicht nur Vertreter der politischen Rechten (Le Pen, Haider) mittels Schmitt eine Stärkung der Staaten und Vaterländer fordern, sondern daß auch die Vertreter der Linken mit Schmitt gegen die Globalisierung auftreten. Das interessanteste Beispiel dafür ist der ehemalige Redakteur der sozialdemokratischen Arbeiterzeitung in Österreich, Robert Misik, der nun in einem Essay mit dem Titel "Mythos Weltmarkt" unter ausdrücklicher Berufung auf Schmitt zu einer Stärkung des Staates auffordert: "Der politische Liberalismus muß sich entscheiden: will er den entfesselten Marktliberalismus in die Schranken weisen, dann muß er auf den Staat pochen - und somit aufhören liberal zu sein. Ist er dazu aber nicht bereit, will er der antipolitischen Marktlogik nicht widersprechen, dann hört er auf, politisch zu sein. Wer heute die liberale Demokratie retten will, muß sich auf die Seite des Staates, seiner ein Mindestmaß an sozialem Ausgleich herstellenden Bürokratien und damit in einen schroffen Gegensatz zu allen wirtschaftsliberalen 'Antibürokraten' und Deregulieren stellen." (Misik 26f; vgl. 125) Kurzfristig mögen die negativen Seiten der Globalisierung solchen Versuchen einer Revitalisierung des traditionellen Staatsdenkens durchaus zum Erfolg verhelfen. Mittel- und langfristig hingegen müssen andere Lösungen gefunden, um die negativen Folgen der Konkurrenz eindämmen zu können.

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5. Katholische Soziallehre: Vom Sozialstaat zur solidarischen internationalen Ordnung

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Die im Laufe der Neuzeit ausformulierte katholische Soziallehre hat von Anfang an ein durchaus komplexes Verhältnis zur Konkurrenz eingenommen. Im Sinne der hier aufgezeigten Ambivalenz der Konkurrenz wurde zwar ihr grundsätzlicher positiver Nutzen anerkannt, gleichzeitig hielt man aber fest, daß die Konkurrenz nicht zum obersten Prinzip erhoben werden darf. Das Solidaritätsprinzip muß dem Konkurrenzprinzip übergeordnet werden. Im Einklang mit der neuzeitlichen Tradition wurde dabei zuerst an den Nationalstaat gedacht, der als Sozialstaat die negativen Seiten der Konkurrenz begrenzen soll: "Die Wettbewerbsfreiheit - obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen - kann ... unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein. ... Um segenbringend für die Menschheit zu sein, bedarf sie selbst kraftvoller Zügelung und weiser Lenkung; diese Zügelung und Lenkung kann sie aber nicht selbst geben. Höhere und edlere Kräfte müssen es sein, die die wirtschaftliche Macht in strenge und weise Zucht nehmen: die soziale Gerechtigkeit und die soziale Liebe! Darum müssen die staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen ganz und gar von dieser Gerechtigkeit durchwaltet sein." (Quadragesimo anno Nr. 88; vgl. Rerum novarum Nr. 2; Mater et magistra Nr. 11f, 23; Populorum progressio Nr. 26; Centesimus annus Nr. 10, 15) Im Unterschied aber zur neuzeitlichen Tradition, die dem einzelnen Nationalstaat eine absolute Souveränität zugesprochen hat, gab es für die katholische Kirche immer auch eine über den staatlichen Bereich hinausgehende Gemeinschaft der Menschen. Das von der katholischen Soziallehre ausformulierte Solidaritätsprinzip blieb daher niemals wirklich auf den Bereich des einzelnen Staates begrenzt. Im Zuge der zunehmenden internationalen Verflechtung der Welt hat die katholische Kirche schon sehr früh eine Ausweitung des Solidaritätsprinzips gefordert. Die Unterordnung des Konkurrenzprinzips unter das Solidaritätsprinzip muß heute angesichts der Globalisierung kontinental und weltweit umgesetzt werden. Es geht darum, auf internationaler Ebene geeignete Maßnahmen zu treffen, um auch das Funktionieren des weltweiten Marktes am Gemeinwohl zu orientieren (Centesimus annus Nr. 10, 52; Zukunft Nr. 118). Bahnbrechend innerhalb der katholischen Soziallehre war in diese Richtung die Forderung nach einer "universalen politischen Gewalt" (Pacem in terris Nr. 137). Konkret könnte eine solche Weltautorität im Sinne einer Verbindung von Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzip durch eine kontinental gegliederte Weltföderation freier Republiken verwirklicht werden (vgl. Büchele).

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Direkt spricht die katholische Soziallehre bezüglich der "Globalisierung der Wirtschaft" (Centesimus annus Nr. 58; vgl. Zukunft Nr. 84-90) von der "außerordentlichen Möglichkeit zu einem größeren Wohlstand", wenn gleichzeitig "wirksame internationale Kontroll- und Leitungsorgane" geschaffen werden, "die die Wirtschaft auf das Gemeinwohl hinlenken". Da der einzelne Staat dazu nicht in der Lage ist, "muß das Übereinkommen zwischen den großen Ländern wachsen, und in den internationalen Organen müssen die Interessen der großen Menschheitsfamilie gerecht vertreten werden". Besonders wichtig ist dabei, daß jene Länder Beachtung finden, in denen die Not am schlimmsten ist.

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6. Der Aufbau einer "Zivilisation der Liebe" als Aufgabe einer kirchlichen Ethik

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Ein rein bei den politischen Strukturen ansetzender ethischer Ansatz bleibt aber ungenügend, wenn es nicht auch zu einer individuellen Umkehr der Herzen kommt (Quadragesimo anno Nr. 127; Solicitudo rei socialis Nr. 36-40). Ohne Änderung der Gesinnung und des Bewußtseins können Strukturveränderungen zu keinen wirklichen Lösungen der sozialen Probleme beitragen. Würde man Hobbes' staatliche Lösung der Konkurrenzproblematik auf die Frage der Globalisierung übertragen, so müßte heute ein absolutistischer Weltstaat gefordert werden. Ein Weltsozialstaat im Sinne der Theorie von Hobbes wäre ein Superleviathan, der auch ein Weltpolizeistaat sein müßte. Gegen eine solche vollkommene Politisierung der sozialen Fragen hat die katholische Soziallehre immer das Subsidiaritätsprinzip eingemahnt, das letztlich bis auf die Ebene des individuellen Menschen hinunterreichen muß (vgl. Octogesima adveniens Nr. 46; Cenesimus annus Nr. 11, 48).

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Die grundsätzliche Ambivalenz der Konkurrenz zeigt sich gerade durch ihre große Nähe zum Neid schon auf der Ebene des einzelnen Individuums. Auf dieser Ebene ergibt sich auch die Wichtigkeit einer biblischen Auseinandersetzung mit der Problematik der Konkurrenz, die nach Johannes Paul II. sozialethisch gerade deshalb notwendig ist, weil es "keine echte Lösung der 'sozialen Frage' außerhalb des Evangeliums gibt" (Centesimus annus Nr. 5). Die biblische Sicht der Konkurrenz stimmt mit der bisherigen Darstellung überein. Auch aus biblischer Sicht zeigt sich die Konkurrenz als ambivalentes Phänomen. Es gibt kein grundsätzliches biblisches Nein zu Wetteifer und Konkurrenz. Beispiele dafür sind vor allem bei Paulus zu finden, der immer wieder auch seinen Einsatz für den Glauben mit Bildern des Wettkampfes und Wetteifers beschreibt (1 Kor 14,1; 1 Kor 9,24-27; Phil 3,13).

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Gleichzeitig finden sich aber in der Bibel deutliche Hinweise auf die Problematik der Konkurrenz und des Wetteifers. Deutlich fällt das Urteil über die Konkurrenz im Buch "Kohelet" aus, wo der Konkurrenzkampf zwischen den Menschen als "Windhauch und Luftgespinst" (Koh 4,4) kritisiert wird. Ein besonderes Augenmerk legt die Bibel auch auf die Problematik des Neids. Im Neuen Testament fällt die Kritik des Neides besonders stark auf. Es scheint, daß hier diese negative Seite der Konkurrenz mit genau jener Schärfe analysiert wird, wie sie vielleicht erst wieder in unserer modernen Welt wirklich verständlich geworden ist. Deutlich kommt zum Ausdruck, daß der Neid in den Herzen der Menschen seine Wurzel hat (Mk 7,22). Ein bekanntes Beispiel für die kritische Haltung Jesu gegenüber dem Neid ist das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16), die schon seit den frühen Morgenstunden im Weinberg arbeiteten und mit scheelen Augen auf jene blickten, die für denselben Lohn nur eine Stunde arbeiten mußten. In Gal 5,21 wird der Neid ähnlich wie in anderen Lasterkatalogen des Neuen Testaments zu den gefährlichen "Werken des Fleisches" gezählt (vgl. Röm 1,29; 1 Tim 6,4; 1 Petr 2,1). Die systematisch vielleicht interessanteste Stelle zum Thema Konkurrenz ist aber der Streit der Jünger um den Vorrang (Mk 10,35-45). Hier zeigt sich, daß die Problematik von Neid und Wetteifer nicht nur böse Menschen mit einem angeblichen besonderen Hang zum Neid betrifft, sondern gerade für die besonders eifrigen Jünger, die Donnersöhne Jakobus und Johannes, zum Problem wird. Die Antwort Jesu, die sich an alle zwölf Jünger richtet, weil indirekt letztlich alle an diesem Wettrennen um den Vorrang beteiligt sind, ist kein grundsätzliches Zurückweisen des gegenseitigen Wetteiferns um den ersten Platz, sondern der Hinweis auf die Bereitschaft zum Dienen, zum Sklavendienst, ja sogar zur Hingabe des eigenen Lebens, auf die jeder Wetteifer ethisch gesehen letztendlich ausgerichtet sein muß. Aus der Sicht des Neuen Testaments ist also der Wetteifer nur gerechtfertigt, insofern er von jener Liebe getragen ist, die sogar bereit ist, das eigene Leben hinzugeben (vgl. Joh 15,12f). Die Liebe wird ganz grundsätzlich dem Neid entgegengesetzt. So wird sie in Gal 5,22 als eine "Frucht des Geistes" dem Neid gegenübergestellt. In 1 Kor 13,4 heißt es von der Liebe, daß "sie sich nicht ereifert" und in 1 Kor 14,1 ist das Wetteifern gerechtfertigt, weil es um das Jagen nach der Liebe geht.

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Dieses Einüben in die Tugend der Liebe ist natürlich nicht eine private und individuelle Sache, sondern setzt eine gemeinschaftliche ethische Anstrengung voraus. Sie kann allerdings nicht einfach im staatlichen oder weltpolitischen Rahmen geschehen, sondern braucht als ihren primären Bezugsrahmen die Kirche. Rein weltlich gesehen bleibt es nämlich unverständlich, warum jene, die Erste sein wollen, zum Sklaven aller werden müssen (Mk 10,42f). Aber nur diese Tugend, "sich im Sinne des Evangeliums für den anderen zu 'verlieren', anstatt ihn auszubeuten, und ihm zu 'dienen', anstatt ihn um des eigenen Vorteils willen zu unterdrücken" kann die "Strukturen der Sünde", die die negativen Seiten unserer gegenwärtigen Welt charakterisieren, überwinden (Solicitudo rei socialis Nr. 38). Die Einübung in die Tugenden der biblischen Ethik gehört zu den zentralen Aufgaben der Kirche. Sozialethisch gesehen geht es hier um die Einsicht, daß die Kirche nicht so sehr eine Soziallehre hat, sondern selbst Soziallehre ist (Hauerwas 159).

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Diese grundsätzlichen Überlegungen decken sich mit jenen Ansätzen, die gerade in den letzten Sozialenzykliken von Johannes Paul II. zum Ausdruck gebracht wurden. Im Einklang mit der Tradition der Soziallehre und unter direktem Hinweis auf Paul VI. spricht er von der Notwenigkeit, eine "Zivilisation der Liebe" (Centesimus annus Nr. 10) aufzubauen. Dabei gilt diese Aufforderung zuerst der Kirche selbst, denn "für die Kirche darf die soziale Botschaft des Evangeliums nicht als eine Theorie, sondern vor allem als eine Grundlage und eine Motivierung zum Handeln angesehenwerden." (Centesimus annus Nr. 57)

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Literatur:

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  • Hannah Arendt, Über die Revolution. München: Piper, 31986.
  • Herwig Büchele, Eine Welt oder keine. Sozialethische Grundfragen angesichts einer ausbleibenden Weltordnungspolitik. Innsbruck: Tyrolia-Verlag, 1996.
  • Stanley Hauerwas, Selig sind die Friedfertigen. Eine Einführung in die christliche Ethik. Hrsg. und eingeleitet von R. Hütter. Aus dem amerikanischen Englisch von G. M. Clicqué. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1995.
  • Friedhelm Hengsbach, Abschied von der Konkurrenzgesellschaft. Für eine neue Ethik in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. München: Knaur, 1995.
  • Hesiod, Theogonie. Hrsg., übersetzt und erläutert von K. Albert. Sankt Augustin: Academie Verlag Richarz, 1990.
  • Hesiod, Werke und Tage. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von O. Schönberger. Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1996.
  • Thomas Hobbes, Naturrecht und allgemeines Staatsrecht in den Anfangsgründen. Mit einer Einführung von F. Tönnies. Mit einem Vorwort zum Neudruck 1976 von A. Kaufmann. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1983.
  • Thomas Hobbes, Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hrsg. und eingeleitet von I. Fetscher. Übersetzt von W. Euchner. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1984.
  • Bernard Mandeville, Die Bienenfabel oder: Private Laster, öffentliche Vorteile. Mit einer Einleitung von W. Euchner. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1980.
  • Robert Misik, Mythos Weltmarkt. Vom Elend des Neoliberalismus. Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag, 1997.
  • Wolfgang Palaver, Die mythischen Quellen des Politischen. Carl Schmitts Freund-Feind-Theorie. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer, 1998.
  • Crawford B. McPherson, Die politische Theorie des Besitzindividualismus. Von Hobbes bis Locke. Übersetzt von A. Wittekind. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 21980.
  • Jean-Jacques Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit. Discours sur l'inégalité. Kritische Ausgabe des integralen Textes. Mit sämtlichen Fragmenten und ergänzenden Materialien nach den Orginalausgaben und den Handschriften neu editiert, übersetzt und kommentiert von H. Meier. Paderborn: Ferdinand Schöningh, 21990.
  • Jean-Jacques Rousseau, Abhandlung über die politische Ökonomie. In: Sozialphilosophische und Politische Schriften. München: Winkler Verlag, 1981.
  • Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts. In Zusammenarbeit mit E. Pietzcker neu übersetzt und herausgegeben von H. Brockard. Stuttgart 1983.
  • Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien. Nachdruck der 1963 erschienen Auflage. Berlin: Duncker & Humblot, 1987.
  • Helmut Schoeck, Der Neid. Eine Theorie der Gesellschaft. Freiburg: Verlag Karl Alber, 1966.
  • William Shakespeare, 27 Stücke von William Shakespeare in der Übersetzung von Erich Fried. Hrsg. von F. Apel. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 31992.
  • Georg Simmel, Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Hrsg. von O. Rammstedt. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1992.
  • Texte zur katholischen Soziallehre. Hrsg. vom Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands - KAB. Bornheim, Kevelaer: Ketteler Verlag, Verlag Butzon & Bercker, 81992.
  • Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland. Hrsg. vom Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland und vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Hannover, Bonn 1997.

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