Ist die Angst vor Religion, wie sie derzeit in Europa an vielen Fronten geschürt wird, gerecht? José Casanova, einer der wichtigsten Religionssoziologen der Gegenwart, sagt: Nein! Seine Forschungsarbeiten stellen die simple These in Frage: Säkularisierung gehe Hand in Hand mit Demokratisierung und Toleranz. Damit entziehen sie jenen kulturpolitischen Strömungen den Boden, die im Namen eines säkularistischen Selbstverständnisses der modernen Gesellschaft das religiöse Erbe aus dem kollektiven Bewusstsein zu tilgen versuchen. Casanova warnt vor dem “säkularistischen Dogma”, er öffnet aber auch neu den Blick auf die Frage nach integrativer Rolle von Religionen. Deswegen kritisiert er die neurotisierende Angst vor dem Islam und leistet auch einen Beitrag zur Thematik der Integration muslimischer MigrantInnen in Europa. Vieles aus seiner Arbeit ist durch die epochale Wende in der katholischen Kirche mit bedingt: Nicht der Staat, sondern die Zivilgesellschaf sei demnach der eigentliche öffentlichen Ort der Kirche: „Die Kirche scheint nicht nur die Trennung vom Staat, sondern auch die Abkoppelung von der politischen Gesellschaft im eigentlichen Sinne akzeptiert zu haben. Freilich bedeutet das nicht, dass damit der Katholizismus zwangsläufig zu einer reinen Privatsache würde oder die Kirche keine öffentliche Rolle mehr spielte. Es bedeutet lediglich, dass nun die Zivilgesellschaft zum öffentlichen Ort der Kirche geworden ist, und nicht mehr, wie früher der Staat oder die politischen Gesellschaft.” |