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Das österreichische Konkordat: was steht eigentlich drin?

Autor:Rees Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2011-06-25

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Die beste Art, um gemeinsam interessierende bzw. kontroverse Dinge zu regeln, ist der Abschluss eines Vertrags. Dies gilt für Privatpersonen ebenso wie für Unternehmen, aber auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie für den Staat. Solche Vereinbarungen gibt es seit dem Mittelalter (vgl. Wormser Konkordat vom 23. September 1122).

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Die Republik Österreich hat ein solches Konkordat mit dem Heiligen Stuhl am 5. Juni 1933 unterzeichnet. Es ist am 1. Mai 1934 in Kraft getreten. Nach dem Wiedererstehen der Republik ist dessen Weitergeltung ausdrücklich (1957) bestätigt worden.

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Die Römisch-Katholische Kirche in Österreich ist eine vom Staat anerkannte Kirche und genießt gemäß Konkordat eine öffentlich-rechtliche Stellung. Art. 15 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) spricht diese Rechtsstellung allen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften zu, u. a. der Evangelischen Kirche AB und HB, den Muslimen sowie seit 7. Mai 2009 auch den Zeugen Jehovas.  

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Die Republik Österreich hat sich im Konkordat zum Erhalt der in Österreich bestehenden Katholisch-Theologischen Fakultäten verpflichtet, an denen nicht nur Priesteramtskandidaten, sondern zahlreiche ReligionslehrerInnen und LaientheologInnen ausgebildet werden. Der Staat hat bei den genannten Personen Interesse an einer soliden Ausbildung gemäß akademischen Standards. Zudem anerkennt er damit, dass die Theologie als Wissenschaft „ein wichtiger Gesprächspartner für die Kommunikation innerhalb der scientific community“ (Richard Potz) ist. Gerade neuere Diskussionen im medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich lassen diese Einbindung als dringlich erscheinen.

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Im Konkordat wird der Römisch-Katholischen Kirche auch das Recht zur Erteilung von Religionsunterricht in öffentlichen Schulen zugestanden. Dieses Recht, das später im so genannten Schulvertrag näher geregelt wurde, steht gemäß Art. 17 Abs. 4 StGG jeder anerkannten Kirche und Religionsgemeinschaft zu. Die Republik Österreich trägt somit einer multireligiösen Entwicklung Rechnung. Sie erfüllt mit dieser Gewährleistung darüber hinaus auch eine Selbstverpflichtung, nämlich „an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten“ mitzuwirken (vgl. § 2 Abs. 1 SchOG). Als religiös-neutrales Staatswesen ist die Republik Österreich hier auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften angewiesen. Mit einem konfessionellen Religionsunterricht ermöglicht sie zugleich auch die Wahrnehmung von Grund- und Menschenrechten in Form der positiven Religionsfreiheit (vgl. Art. 14 und 15 StGG; Art. 9 EMRK). Diese hat gerade das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 18. März 2011 zum Kreuz im Klassenzimmer erneut bekräftigt.

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Das Konkordat räumt der Römisch-Katholischen Kirche auch eine Abgaben- und Beitragshoheit ein. Darin ist das Recht enthalten, Kirchenbeiträge in Eigenregie zu erheben. Diese dienen zur Finanzierung der Bediensteten, d. h. von Klerikern und LaienmitarbeiterInnen, und zum Bau und Erhalt von zahlreichen Gebäuden. Zudem ermöglicht der Kirchenbeitrag auch eine Vielzahl von sozialen und karitativen Aktivitäten sowie von Bildungseinrichtungen, wie u. a. von Krankenhäusern, Altersheimen, Kindergärten usw. Wenn der Staat der Römisch-Katholischen Kirche hierbei Zuschüsse gewährt, so unter der Rücksicht, dass die Kirche den Staat in seiner sozialen Verantwortung und in seiner Erziehungsverpflichtung wesentlich entlastet. Gäbe es diese Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft nicht, so müsste die Republik Österreich auf Grund ihrer Sozial- und Bildungsverpflichtung hier einspringen. Damit wären wohl höhere Kosten verbunden als mit einer Bezuschussung. Ähnliches gilt auch mit Blick auf Schulen in Trägerschaft der Römisch-Katholischen Kirchen. Eine finanzielle Unterstützung dieser Schulen ist daher mehr als verständlich. So ermöglicht der Staat ein plurales Schulwesen und trägt einer freiheitlich verfassten Gesellschaft Rechnung.

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Die im Konkordat und in den folgenden Finanzverträgen gewährleisteten jährlichen Staatsleistungen sind im Sinne einer „Entschädigung“ und damit einer Wiedergutmachung für vom Staat vorgenommene Säkularisationen sowie als „Subventionen für Kultuszwecke“ (Richard Potz) zu sehen. Dies gilt auch für indirekte Staatsleistungen in Form von Begünstigungen im Steuer- und Abgabenrecht.

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Trotz des Makels, der dem Konkordat auf Grund seiner Entstehungsgeschichte anhaftet, stand und steht das Konkordat über mehr als 75 Jahre im Dienst am Menschen, der zugleich Bürger des Staates und Mitglied der Kirche ist (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes Art. 76 Abs. 3). Die Trennung von Staat und Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften, die in Österreich besteht, ist nicht im laizistischen Sinn zu verstehen. Der österreichische Staat akzeptiert und unterstützt vielmehr deren Wirken durch die “pluralistische Hereinnahme von Religion in die gesellschaftliche Öffentlichkeit“ (Richard Potz). Religion wird nicht in das Private abgedrängt. So ist auch die Präsenz von Kirchen und Religionsgemeinschaften in den öffentlich-rechtlichen Medien verständlich. Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Staates, die das Zweite Vatikanische Konzil und ebenso die Republik Österreich betonen, verbietet es dem Staat jedoch, sich in so genannte innere Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften einzumischen.

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