- Leseraum
| Am Grunde des Brunnens der Wissenschaft. Sponsionen am 9. Juli 2011Autor: | Guggenberger Wilhelm |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | fak |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | |
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Datum: | 2011-07-19 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
| Magnifizenz,
geehrter Herr Rektor Merk, geschätzte
KollegInnen und Kollegen, liebe Studierende, verehrte Verwandte, Freunde und
Bekannte unserer AbsolventInnen und natürlich ganz besonders Sie, die Sie heute hier den Abschluss Ihres
Studiums oder gar Ihrer Studien feiern können. Es freut mich, dass ich bei diesem schönen Anlass als sein
Stellvertreter in die Roll des Dekans schlüpfen darf um mit Ihnen zu
feiern. | 2
| Die
Reihe der neun Personen, die hier vor Ihnen steht, verehrte
Festversammlung, repräsentiert die
Studentenschaft unserer Katholisch-Theologischen Fakultät sehr gut. Hier stehen
drei Frauen und sechs Männer,
zwei von Ihnen kommen aus Afrika; genauer aus Äthiopien bzw. Uganda, eine
der Kandidatinnen ist Südtirolerin,
ein Kandidat Vorarlberger. Wir haben hier einen Seniorenstudenten, zwei
Ordensleute und einen Priesterseminaristen. So in etwa kenne ich es auch aus
meinen Lehrveranstaltungen. | 3
| Neun
Personen. Das ist keine sehr große
Gruppe. Und doch mag sich mancher wundern, dass es immerhin noch so viele sind,
die sich für das
Studium der Theologie und der christlichen Philosophie entscheiden. So viele
angesichts dessen, dass der christlichen Tradition ein eher uncooles Image
anhaftet, angesichts einer mitunter doch recht massiven Infragestellung der
Wissenschaftlichkeit von Theologie und insbesondere angesichts der so bedrückenden kirchlichen
Skandalflut der jüngsten,
ja leider auch allerjüngsten
Vergangenheit. Nun, ich vermag freilich
nicht zu sagen, was jeden dieser neun Menschen zu seiner Studienwahl bewogen
hat. Da müssen
Sie schon selber nachfragen. Was ich aber tun kann, ist an dieser Stelle einige
Gedanken zu äußern über die bleibende
Bedeutung der Entscheidung für
eine bestimmte lebensprägende
Weltanschauung und auch einige Gedanken über die bleibende Bedeutung einer verantwortlichen, rational
nachvollziehbaren Reflexion der Konsequenzen einer solchen Entscheidung; denn
genau das ist es, was an unserer Fakultät in Lehre und Forschung gemacht wird. | 4
| Vor
ziemlich genau einem Monat hat die internationale Giordano-Bruno-Stiftung den
in Princton lehrenden, australischen Moralphilosophen Peter Singer mit ihrem
Ethik-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis wurde zum ersten Mal vergeben und so
hat die Auswahl des Preisträgers
wohl doch eine ganz besondere Signalwirkung. Die 2004 gegründete Giordano-Bruno-Stiftung
versteht sich, so formuliert sie es selbst, als Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung. Dieses Ziel verfolgt
sie auf eine radikal religionskritische Art und Weise, weil sie davon ausgeht,
dass Religionen die kulturelle Evolution der Menschheit bis heute auf
unheilvolle Weise beeinflussen und dass, wer sich um Wissenschaft, Philosophie
und Kunst bemüht,
keine Religion braucht. Religion und Theologie sollte demgemäß auch kein Raum an
Schulen und Universitäten
eingeräumt
werden. | 5
| Ihren
Ethikpreis hat die Stiftung nun also an Peter Singer (und Paola Cavalieri)
vergeben; vor allem wegen dessen Engagement für Tierrechte; ein durchaus
ernst zu nehmendes und weitgehend vernachlässigtes Thema. Singer geht
davon aus, dass auch Tiere Interessen haben, die ebenso ernst zu nehmen sind,
wie menschliche Interessen. Aber worauf kann er sich stützen, wenn es um eine
Gewichtung, um ein Abwägen
dieser Interessen gegeneinander geht? Eine geschenkte, gottgegebene, und
deshalb voraussetzungslose Würde
kann er als konsequent atheistischer Denker natürlich nicht annehmen. So
bleibt er letztlich auf bestimmte Qualitätsmerkmale verwiesen, die Rechte begründen. Er bleibt auf
irgendeine Form von Leistungen verwiesen, die zu erbringen sind,
Intelligenzleistungen oder Bewusstseinskapazitäten. Das heißt dann bei Singer konsequent, dass höheren Tieren, sofern sie
mehr geistige Leistung zustande bringen, auch mehr Rechte zukommen sollten als
etwa neugeborenen Kindern, Menschen mit schwerer geistiger Behinderung oder
auch dementen Personen. | 6
| Warum
erzähle
ich Ihnen das im Rahmen dieser akademischen Feier, warum belaste ich Sie mit so
schwerer Kost? Nun einfach weil ich meine: An diesem Beispiel zeigt sich sehr
klar, dass bestimmte weltanschauliche Grundannahmen durchaus zu ganz konkreten
lebenspraktischen Konsequenzen führen.
Beides hängt
zusammen. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Ich denke, es gibt heute
nicht wenige Menschen, die Religion und Humanismus als Gegensatz wahrnehmen,
die theologische Reflexion eigentlich nicht mehr im bunten Strauß der Wissenschaften dabei
haben möchten.
Ich bezweifle aber, dass sie in ähnlich
konsequenter Weise wie Singer bereit sind, diese Positionen auch zu Ende zu
denken und diese Ende dann auch zu akzeptieren. | 7
| Um weltanschauliche Grundannahmen
kommen wir nicht herum. Der aufklärerische
Humanismus der Giordano-Bruno-Stiftung ist genauso von einem Glauben getragen,
wie die christliche Theologie. Was Singer auf der Grundlage dieses Glaubens
argumentiert hat Hand und Fuß, es
ist nachvollziehbar, genauso wie die Arbeiten unzähliger Theologinnen und
Theologen, auch wenn die konkreten Schlüsse ausgesprochen verschieden sind. Am Grunde des Brunnens der
Wissenschaft liegen immer Entscheidungen, die nicht mehr im strengen Sinn
bewiesen oder widerlegt werden können.
Wenn man aber zu Ende denkt, wohin sie führen, mag es durchaus gute Gründe geben an ihnen festzuhalten, oder eben auch nicht. | 8
| Verstehen
Sie mich nicht falsch: Die Positionen der Giordano-Bruno-Stiftung oder Singers
sollen vertreten und vor allem auch diskutiert werden. Ich halte das für überaus wichtig, weil der
weltanschauliche Pluralismus ein Wert an sich ist, den es zu schützen gilt. Eine religiöse Weltsicht wie die
christliche kann in dieses pluralistische Gespräch nur als Angebot eingebracht
werden, als eine mögliche
Stimme, und im wissenschaftlichen Gespräch an der Universität
kann sie nur als eine mögliche
Hypothese in Erscheinung treten. Mit dieser Situation bin ich keineswegs
unzufrieden. Aber ich hielte es für ein
großes Übel, wenn jene Überlegungen, die auf einer
religiös
begründeten
Weltanschauung aufbauen aus dem öffentlichen,
wissenschaftlichen Gespräch
ausgeschlossen würden,
und wenn dann nur noch jene überblieben,
die sich auf eine a-religiös
begründete
Weltanschauung berufen. Die religiösen Überzeugungen würden dadurch ihre
Reflexionsfähigkeit
und ihre Dialogfähigkeit
mit der Wissenschaft verlieren. Die a-religiösen Überzeugungen hingegen und
deren Schlussfolgerungen würden
früher
oder später
als -wie es neuerdings so schön heißt - alternativlos
erscheinen, weil sie ja durchaus kohärent und vernünftig
argumentiert sind. | 9
| Angesichts
dessen freut es mich besonders - nicht nur für unsere Fakultät - sondern auch für die Universität in ihrer Gesamtheit und
für
unsere Gesellschaft, dass junge, manchmal auch nicht mehr ganz so junge
Menschen nach wie vor bereit sind, das Geschäft einer rationalen,
wissenschaftlichen Argumentation ihres religiösen, in unserem Fall
christlichen Glaubens zu erlernen. Sie ermöglichen damit ein wirklich
plurales Gespräch.
Sie tragen dazu bei, dass unsere Gesellschaft kritikfähig bleibt, gegenüber so genannten Sachzwängen, gegenüber einer einseitig
leistungsorientierten Logik, der gemäß alles einen Zweck erfüllen
muss. Sie tragen dazu bei, dass manche
Position, die zumindest fragwürdig
ist auch tatsächlich
hinterfragt wird. Denn nicht jedes Argument führt - nur weil es in sich
schlüssig
ist - auch schon zu einer lebenswerteren Welt, zu einer Welt, die für alle einen guten Platz
bietet, auch für
jene, die auf den ersten Blick nicht unseren Maßstäben des Erfolgs
entsprechen. | 10
| Moses
Alir Otii trägt zu
einem solch kritisch-vielfältigen
Dialog mit seiner philosophischen Diplomarbeit bei, die den Titel trägt: Human Being: A Social
Being or a Monster?! In the Light of the Thesis of Samuel Bowles. Die von Hans
Kraml begleitete Arbeit beschäftigt
sich mit unterschiedlichen anthropologischen Grundannahmen, mit Menschenbildern
also und deren Auswirkung auf die Einstellung zu Konflikt und Gewalt. Die
Frage, ob wir uns selbst als egoistische Nutzenmaximierer sehen, oder aber als
Wesen die auf Gemeinschaft und Kooperation angelegt sind, ist keineswegs
unbedeutend dafür,
wie Politik und Wirtschaft gestaltet werden. | 11
| In seiner theologischen Diplomarbeit
beschäftigte
sich Moses Otii unter der Leitung von Reinhard Meßner mit der Liturgischen
Bewegung, die in Manchem das zweite Vatikanum vorbereitete, insbesondere mit
der Theologie Odo Casels und Karl Rahners. | 12
| Ebenfalls
mit überaus
praxisrelevanten Grundentscheidungen konfrontiert die von Wilhelm Rees betreute
Diplomarbeit Josef Kathreins. Sie trägt den Titel: Schadensfall Kind. Die Pränatale Diagnostik aus
kirchenrechtlicher und gesellschaftlicher Perspektive. Damit wagt sich Herr
Kathrein nicht nur an ein sehr umstrittenes und brandaktuelles Thema, er
reflektiert hier in wissenschaftlicher Weise auch Erfahrungen aus seinem persönlichen Umfeld. Die Arbeit
ist der Cousine des Autors, Silvia, gewidmet. Da ist es doch eine schöne Koinzidenz, dass unser
Seniorenstudent Hubert Haberfellner, bevor es ihn an unsere Fakultät verschlagen hat, in
seiner Funktion als Professor für
Neuropädeatrie
an der Uniklinik, diese junge Frau bei ihrem vermutlich nicht ganz leichten
Start ins Leben unterstützt
hat. So verflechten sich Lebenswege! Hubert Haberfellner selbst hat bei Martin
Hasitschka eine exegetische Arbeit über die letzten beiden Vaterunser-Bitten verfasst. “Führe uns nicht in
Versuchung, sondern erlöse
uns von dem Bösen.” | 13
| Bei
Jozef Niewiadomski hat Theresa Zingerle eine Masterarbeit geschrieben, deren
Titel schon deutlich macht, dass es hier um sehr grundlegende,
systematisch-theologische Reflexionen geht, auch wenn wir inhaltlich beim Thema
des Menschenbildes bleiben: “Die sich selbst gestellte Frage vor dem
unendlichen Geheimnis. Zentrale anthropologische Aspekte der Beziehung von
Mensch und Gott in Karl Rahners Grundkurs des Glaubens.” Die sich selbst
gestellte Frage ist der Mensch. Theresa Zingerle nimmt die Herausforderung
dieser Frage an und spürt
einer möglichen
Antwort nach, die im Gefolge Rahners notwendig in die Transzendenz führt. | 14
| Frau
Birgit Prader ist die Frage angegangen, wie konkrete Menschen denn eigentlich
zu ihren lebensprägenden
Grundannahmen und Überzeugungen
kommen. Ihre von Franz Weber begleitete Diplomarbeit trägt den Titel: Vom Schatten
in das Licht. Menschen bekehren sich zu Gott - Analyse individueller
Bekehrungserlebnisse. Das Herzstück
dieser Arbeit bildet eine kleine qualitativ-empirische Studie. | 15
| Dem
kirchlichen und universitären
Umfeld, in dem Glaubensüberzeugungen
gelebt und reflektiert werden, widmen sich zwei Masterarbeiten von heute
Gefeierten. Da ist zum einen die wiederum von Wilhelm Rees betreute Arbeit von
Viktoria Egger: Kirche im Wandel: Neue Seelsorgemodelle - Chancen für die Laien!? Die Arbeit
fragt nach den kirchenrechtlichen Freiräumen und Möglichkeiten
in diesem Bereich und konfrontiert diese mit der Praxis, insbesondere in der Diözese Bozen-Brixen. | 16
| Begleitet von Matthias Scharer und
Martina Kraml hat sich Fabian Jochum hingegen damit beschäftigt, wie Theologie als
akademisches Fach im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis erlernt wird.
“Von Räumen
und Zwischenräumen”
heißt
seine Arbeit, die wohl auch Anstöße
zur kritischen Selbstreflexion für uns
Lehrende an der theologischen Fakultät liefern kann. | 17
| Zu
guter Letzt darf ich noch zwei Arbeiten vorstellen, die sich wohl einem Schlüsselthema der Menschheit,
insbesondere aber auch unserer Zeit widmen, der Frage nach Möglichkeiten friedlichen
Zusammenlebens. Bei Martin Hasitschka verfasste Kidane Wodajo Korabza seine
Diplomarbeit über
die Friedensthematik im Johannesevangelium mit dem Titel “Meinen Frieden gebe
ich euch.” Dabei ist es dem Autor wichtig, das was er in exegetischer
Feinarbeit über
den Frieden, der immer auch Geschenk ist, erkannt hat, auf politische und
soziale Probleme unserer Zeit anzuwenden. | 18
| Herr Adrian Georg Gstrein schließlich beschäftigt sich mit einem der
großen
christlichen Mystiker des 20, Jahrhunderts und Lehrer der Gewaltfreiheit;
Thomas Merton. Seine von Wolfgang Palaver betreute Arbeit trägt den Titel: Eskalation
und Apokalyptik bei Thomas Merton. Auf der Grundlage anthropologischer
Reflexionen geht es dabei um die Frage, welche menschlichen Grundhaltungen sich
der Gewalteskalation und apokalyptischen Weltzerstörung entgegen stellen können. | 19
| Meine
Damen und Herren, ich hoffe, dass dieser ganz knappe Überblick über die wissenschaftlichen
Abschlussarbeiten unserer Absolventinnen und Absolventen zu illustrieren
vermochte, was ich vorhin angedeutet habe. In ihrer methodischen Vielfalt -
empirisch, exegetisch, systematisch-reflektierend, spekulativ - und in ihrer
thematischen Breite setzen sie sich alle mit einer weltanschaulichen
Grundannahme auseinander; mit dem Welt- Menschen und Gottesbild des
christlichen Glaubens. Und sie ziehen Schlussfolgerungen daraus für die Gestaltung des
individuellen und gesellschaftlichen Lebens. Das tun sie in einer auch
interdisziplinär
nachvollziehbaren, rationalen Weise. Ich denke, dass sie damit eine Wichtige
Aufgabe erfüllen,
in einer Welt, in der uns nur allzu oft gesagt wird, es gäbe keine Alternative.
Keine Alternative zu einem eingeschlagenen Weg, einer sich breit machenden
Politik, einer herrschenden Ordnung. Meist gibt es eine Alternative, man muss
allerdings weit genug hinunter schauen in den Brunnen der Wissenschaft,
dorthin, wo die Grundentscheidungen getroffen werden. |
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