- Leseraum
| Wege und Ziele. Sponsionen und Promotionen am 18. Februar 2012Autor: | Guggenberger Wilhelm |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | fak |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | |
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Datum: | 2012-02-21 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
| Magnifizenz, sehr geehrter Herr Vizerektor Klotz, Altrektor Muck, geschätzte
KollegInnen und Kollegen, liebe Studierende, verehrte Verwandte, Freunde und
Bekannte unserer AbsolventInnen und natürlich ganz besonders Sie, die Sie heute
hier den Abschluss Ihres Studiums oder gar mehrerer Studien feiern können. Es
freut mich, dass ich bei diesem schönen Anlass als sein Stellvertreter in die
Roll des Dekans schlüpfen darf um mit Ihnen zu feiern. | 2
| Kaum
ein Versatzstück fernöstlicher Weisheit wurde in jüngster Zeit derart breit bei
uns rezipiert, wie der Satz des Kong Fuze: “Der Weg ist das Ziel.” Dieser Satz
wurde nicht nur überaus bekannt, hat er sich doch auf den Schultern der
Automobilindustrie sogar zum Werbeslogan aufgeschwungen; nein vielfach stimmt
man ihm auch zu. Frau Stoll-Erler, eine unserer Neo-Magistrae, wäre aufgrund
ihrer erworbenen Kenntnisse über fernöstliche Weisheitslehren wohl in der Lage
eine authentische Interpretation dieses Dictums zu geben, auch wenn sie sich
primär mit Lao-Tse beschäftigt hat und nicht mit Kong Fuze. Mir jedenfalls
scheint, dass die Rezeption östlicher Traditionen bei uns mitunter mehr über
westliche Sehnsüchte sagt, als über die ursprünglichen Lehren, und so wird das
Lob des Weges, der das Ziel sei, nicht selten gesungen, um eigene Ziel- und
Perspektivenlosigkeit zu kaschieren. Weil wir alle miteinander manchmal nicht
so recht wissen, wo es hingehen soll, erklären wir den Weg kurzerhand zum
Selbstzweck. | 3
| Ich
für meinen Teil gehe jedenfalls nach wie vor davon aus, dass Wege beschritten
werden, um Ziele zu erreichen, auch wenn ein solches Ziel nicht geographischer
Natur sein muss, auch wenn es nicht außerhalb von uns selbst liegen muss. Wege,
die nirgends hinführen sind letztlich Irrwege. | 4
| Sie,
meine Damen und Herren sind einen weiten Weg gegangen und nun vorerst an einem
Ziel angelangt. Natürlich hoffe ich, dass dieser Weg für sie nicht nur Mühe
war, nicht nur ein möglichst schnell zu überwindendes Hindernis, sondern dass
er auch lustvoll war. Ich hoffe die Universität Innsbruck war ein Haus für Sie,
eine Wegstation in der Sie gern verweilt haben. Ich hoffe, dass sie mitunter
den Eindruck hatten, so könnte es weiter gehen bis in alle Ewigkeit, weil das,
was Sie hier gemacht haben: lesen, lernen, zuhören, experimentieren und
analysieren, Dingen nach und auf den Grund gehen, denken und Gedanken
formulieren; weil all das genau das ist, was sie eigentlich tun möchten. Diese
Leidenschaft des Studierens sollte ihnen nicht versagt geblieben sein - als
Eigenwert des gegangenen Weges. Wir wären aber schlechte Lehrer, wenn wir nicht
auch darauf hingearbeitet hätten, Sie an ein Wegziel zu bringen. Der Erwerb
eines akademischen Grades soll für Sie ein solches Ziel sein, und zugleich
Ausgangspunkt neuer Wege. Abschließen, um neu anfangen zu können, ankommen, um
bereit zu sein, für neues Aufbrechen: gerade das, wollen wir heute doch feiern. | 5
| Wir
haben hier einen Sponsionskandidaten, der sehr viel über das Gehen von Wegen
erzählen könnte, der auch bereits viel darüber erzählt hat. Franz Fröhlich ist
ein leidenschaftlicher Pilger, einer, für den die Wallfahrt nichts mit Fahren
zu tun hat, sondern mit dem Gehen auf eigenen Füßen. Das hat er denn nicht nur
- wie es heute schon fast zur Mode geworden ist - auf dem Jakobsweg nach
Santiago de Compostela, praktiziert. Seine Beine haben ihn auch schon nach Rom
getragen und beinahe bis Jerusalem, hätte ihn nicht eine Erkrankung in Rumänien
zum Abbruch genötigt. Von einer Kleinigkeit wie dem Weg nach Mariazell wollen
wir hier gar nicht erst sprechen. Franz Fröhlich hat seine Leidenschaft auch
zum Thema seiner Diplomarbeit, die Anni Findl-Ludescher betreute, gemacht. “Pilgern.
Auf dem Weg sein zu einem Ziel und Ankommen. Eine historisch-bibeltheologische
und spirituell-erfahrungsbezogene Betrachtung eines erfahrenen Fußpilgers”
lautet ihr Titel. Das was er tat, wollte er theologisch reflektieren. Auch das
Ankommen, so sagt es der Titel der Arbeit, spielt beim Gehen des Weges eine
entscheidende Rolle. Für Fröhlich ist der Weg aber auch ein Ort, sogar ein
privilegierter Ort, nämlich für die Pastoral, die Verkündigung Gottes weil der
Weg eben auch Ort der Begegnung ist. | 6
| Wege
kreuzen sich. Das ist auch auf intellektuellem Niveau mitunter der Fall. Unsere
beiden Promovenden gehen in ihren Dissertationen sich kreuzenden Denkwegen
nach. Autoren, wenngleich sie persönlich einander auch nur ganz punktuell und
flüchtig begegnet sein mögen, werden über ihre Werke miteinander ins Gespräch
gebracht. Wojciech Morzyckis Dissertation trägt den Titel: Seele. Joseph
Ratzingers Konzeption im Gespräch mit dem dramatischen Entwurf von Raymund
Schwager. Das ist ein Thema nicht ganz
frei von Risiko. Immerhin ist der eine der behandelten Autoren der amtierende
Papst und der andere eine der Leitfiguren, schon geradezu eine Ikone der
derzeit an unserer Fakultät, auch vom Betreuer der Arbeit Jozef Niewiadomski
betriebenen Theologie. In Morzyckis Arbeit begegnen einander aber nicht nur
prominente theologische Konzepte, sondern auch praktizierte Frömmigkeit und
mitunter scheel beäugte visionäre Erfahrungen auf der einen Seite und rational
analysierende und systematisierende Reflexion auf der anderen Seite. Morzycki möchte
diese beiden Realitäten gerade vor dem Hintergrund seiner persönlichen
Erfahrungen zusammen bringen, Erfahrungen die viel mit dem zu tun haben, was
zunächst als Ende aller Wege erscheint: Erfahrungen mit dem Tod. | 7
| Auch
Linus Kpalap wurde von Jozef Niewiadomski betreut. Er brauchte allerdings nicht
erst dazu angehalten werden, sich mit der Theologie Schwagers
auseinanderzusetzen, hat er seine Studien doch noch bei Raymund Schwager selbst
begonnen. Kpalap ließ den Weg des dramatischen Modells sich mit der
transzendentalen Methode Berhard Lonergans kreuzen. Wer Lonergans formal und
methodologisch hochkomplexen Ansatz kennt, weiß, dass auch dies ein
anspruchsvolles Vorhaben darstellt. Wenn Wege einander Kreuzen, so gehen sie
nach einer mehr oder weniger kurzen Begegnung auch wieder auseinander.
Wissenschaftliche Ansätze, die miteinander ins Gespräch gebracht werden, tun
das häufig auch. Eine Harmonisierung ist nicht immer möglich. Keiner wird aber
unverändert aus der Begegnung hervorgehen und sei es nur, weil er im Diskurs
Inhalte und Argumente klären und vor allem das methodische Werkzeug schärfen
musste. Mir scheint, genau dieses Anliegen der Schärfung des intellektuellen
Instrumentariums hat Linus Kpalap in seiner Dissertation verfolgt. | 8
| Von
Begegnungen handelt auch die Diplomarbeit von Johanna Stoll-Erler. Ihre Arbeit,
die eine Frucht unserer guten Beziehungen zur Philosophisch-Theologischen
Hochschule Brixen darstellt und von Karl Renner aus Brixen und Roman Siebenrock
an unserer Fakultät betreut wurde, trägt den Titel: “Daoismus und Christentum.
Geschichte und Themen einer Begegnung”. Im Zentrum steht hier nicht die sehr
kompetent erfolgende Einführung in die daoistische Lehre, sondern deren
Rezeption im Westen, ja ihre Wirkung sozusagen vor der eigenen Haustür, wie sie
etwa am Beispiel des Südtiroler Privatgelehrten Carl Delago geschildert wird.
Was dabei über Möglichkeiten der Begegnung zwischen Daoismus und Christentum
gesagt wird, zeigt, wie unterschiedlich Wege sein können, die letztlich doch
ein Ziel erreichen. Die Aufmerksamkeit und Wertschätzung für den anderen Weg
kann hilfreich für das eigene Gehen sein, ohne dass man dabei den eigenen Weg
aufgeben und auf einen fremden wechseln müsste. Die Wahrnehmung dieser Tatsache
könnte in gerade heute immer wieder notwendigen Begegnungen zwischen Religionen
und Kulturen manches entkrampfen und erleichtern. | 9
| Nicht
nur Menschen und ihre Gedanken in Form von Theorien und Konzepten gehen -
mitunter arg verschlungene - Wege, sondern auch Dinge, oder wie unsere
Philosophen das ausdrücken Würden; Artefakte, wie zum Beispiel Kunstwerke. Die
Provenienzforschung im Kontext von Raubkunst versucht diese Wege
nachzuvollziehen. Aber wie geht man dann mit solchen Erkenntnissen um? Frau
Theresa Nindl ist dieser Frage im Rahmen ihres rechtswissenschaftlichen
Diplomstudiums nachgegangen. Frau Nindl ist einer unserer beiden Gäste aus
anderen Fakultäten bei dieser Feier. Wir bemühen uns an der Theologie ja immer
wieder um eine interdisziplinäre, auch interfakultäre Anbindung unserer
Forschung, da ist es schön, auch einmal bei einer akademischen Feier richtig
interdisziplinär sein zu können, gleich über vier Fakultäten hinweg. Nindl hat
im Übrigen ja auch selbst interdisziplinär gearbeitet. Sie widmet sich in ihrer
juridischen Diplomarbeit verfassungsrechtlichen Problemen des österreichischen
Kunstrückgabegesetzes von 1998. Ob sie durch diese Beschäftigung zu ihrer
kunstgeschichtlichen Diplomarbeit über Raubkunst in Tirol und Österreich
angeregt wurde oder aber umgekehrt, kann ich nicht sagen. Jedenfalls scheint es
an Objekten der Raubkunst bis heute nicht zu mangeln, was sowohl rechtlich als
auch kunsthistorisch genügend zu tun gibt, und Frau Nindl kann damit heute den
Abschluss von zwei Diplomstudien feiern. | 10
| Wenn
Wege einander kreuzen, muss das, was sich dabei ereignet, nicht unbedingt
positiv oder erfreulich sein. Es gibt auch Begegnungen, die letztlich für
keinen der Beteiligten zielführend sind. An solchen hat Ursula Sichrowsky - unser zweiter Gast -
geforscht. Konkret geht es in ihrer Diplomarbeit aus dem Bereich Ökologie mit
dem geradezu dramatischen Titel “Cradle or Plague-Pit” zu gut Deutsch “Kinderstube
oder Pestgrube” um die Begegnung zwischen Reinanke und Ruderfußkrebs. Letzteren
kostet dieses Zusammentreffen für gewöhnlich das Leben, weil er dem Fisch als
Nahrung dient, dabei infiziert er diesen aber nicht selten mit einem parasitären
Bandwurm. Frau Sichrowsky konnte nun zeigen, dass die Rate solcher Infektionen
in beleuchteten Zuchtgehegen deutlich höher liegt, als in freier Wildbahn. Was
im Sinne des Zuchterfolges wohl gut gemeint ist führt also faktisch zu
kontraproduktiven Ergebnissen. Auch wenn wir Wege verfolgen, um ein klar
definiertes Ziel zu erreichen, ist es also keineswegs gleichgültig, welche
Schritte wir auf diesen Wegen setzten. Einer meiner Lehrer an der Theologie hat
das so ausgedrückt: Weg und Ziel müssen einander entsprechen. Das Ziel muss im
Weg schon spürbar, in gewisser Weise bereits gegenwärtig sein. | 11
| Ich
denke mit dieser Entsprechung von Weg und Ziel hat auch die von Christian
Kanzian betreute, philosophische Diplomarbeit von Frau Klaudia Bestle einiges
zu tun. In ihr geht es um die Pflege von Patienten im Wachkoma. Bestle geht
dabei der Frage nach, welchen Einfluss Annahmen über das Personsein des
Menschen auf die Pflegepraxis haben. Und wieder eine Begegnung: Pflege trifft
Philosophie. Die pflegerische Praxis der basalen Stimulation wird dabei mit
unterschiedlichen Menschenbildern konfrontiert. Die Autorin, die selbst aus der
Praxis kommt, konstatiert als wesentliches Ergebnis ihrer Arbeit, dass
Konzepte, die Personsein über Selbstbewusstsein definieren, keine ausreichendes
Fundament guter Pflege bieten, vielmehr bedarf es eines Verständnisses das
Menschsein und Personsein gleich setzt, auch wenn uns die Person aufgrund
physischer Defizite nicht mehr direkt zugänglich sein mag. | 12
| Ich
habe meine Ansprache zu dieser akademischen Feier unter das Bild des Weges
gestellt. Wege kreuzen einander, auf Wegen finden Begegnungen und Trennungen
statt, sie lassen die Lust des Vorankommens, die Mühe der Distanz und die Enttäuschung
des Umwegs erfahren. Gerade die zuletzt vorgestellte Arbeit erinnert aber auch
daran, dass Wege oft von Scheitern und Leid gekennzeichnet sind, und irdisch
betrachtet immer im Tod münden. Immer wieder müssen wir feststellen: Es liegt
nicht nur an mir ob es weiter geht. Der Tod eines geliebten Menschen, auch der
Tod eines akademischen Lehrers, eine Erkrankung, ein Unfall, all das kann mich
aus der Bahn werfen. Und dann? Bei allem, was also als wichtig und bedeutsam für
ein gutes Gehen angeführt werden mag, ist das, was Frau Martina Voigt in ihrer,
von Georg Fischer betreuten, Diplomarbeit behandelt, letztlich wohl doch das
Unverzichtbarste, die Tatsache nämlich,
begleitet zu sein, sich begleitet zu wissen. “‘Ich bin mit dir’. Eine
Untersuchung des Beistandsmotivs in der Tora” lautet der Titel dieser Arbeit,
die einen Topos mit exegetischer Aufmerksamkeit durch die fünf Bücher Mose
hindurch verfolgt. Die Tora ist voll mit Erzählungen über Menschen, die einen
Weg zu gehen haben, begonnen mit Adams und Evas Weg aus dem Paradies, bis hin
zum weiten Weg des Volkes Israel durch die Wüste ins versprochene Land. Die Erzählungen
handeln von verheißungsvollen und erfolgreichen Wegen, von weiten und mühsamen,
aber auch von bitteren und vergeblichen. Die Menschen, von denen berichtet
wird, wären ohne den sie begleitenden Segen Gottes an kein Ziel gelangt, ja sie
wären vielfach gar nicht in der Lage gewesen, aufzubrechen und unterwegs zu
bleiben. Ihre Geschichten und die Diplomarbeit von Frau Voigt erzählen von der
Notwendigkeit des In-Beziehung-Seins des Menschen. | 13
| Meine
Damen und Herren ich weiß nicht, wo Ihre Wege von diesem Ort aus hinführen
werden. Da ist vielleicht schon ein routiniert beschrittener, den es nur
fortzusetzen gilt, weil das Studium berufsbegleitend war. Da ist einer der
schon feststeht, wenn er auch neu sein wird, weil in der fernen Heimat ein
Lehrauftrag wartet. Über andere Wege wird erst zu entscheiden sein oder sie tun
sich überraschend, unvorhersehbar auf. Wie immer es auch sein mag, ich wünsche
Ihnen ein gutes Gehen auf ihrem jeweiligen Weg, ich wünsche Ihnen, dass sie ein
lohnendes Ziel vor Augen haben, vor allem aber wünsche ich ihnen eben das, dass
Sie nie unbegleitet gehen müssen. |
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