- Leseraum
| Kundschafter! Ansprache des Dekans bei der Sponsionsfeier am 14. April 2012 im Congress InnsbruckAutor: | Niewiadomski Jozef |
---|
Veröffentlichung: | |
---|
Kategorie | fak |
---|
Abstrakt: | |
---|
Publiziert in: | |
---|
Datum: | 2012-04-16 |
---|
InhaltsverzeichnisInhalt1
| Willkommen in der
Wüste! Nein, nein. Ich meine nicht die Wüste der Bildungslandschaft. Weder die
Pisa-Wüste noch die Wüste von Bologna stehen auf dem Programm unserer kleinen
Safaritour. Willkommen in der Wüste Paran. – „Wie bitte?“ Willkommen in der
Wüste Paran, der Wüste im südlichen Teil der Sinai-Halbinsel! | 2
| Weit verfehlt, meine
Damen und Herren, wenn Sie nun süffisant denken, ich hätte die Unterlagen
verwechselt und tische Ihnen eine Rede auf, die zur Eröffnung der
Tourismusmesse vorbereitet wurde. Der Ort der Veranstaltung – der Saal Dogana
des Innsbrucker Kongresshauses – würde auch dafür sprechen, finden doch hier
regelmäßig Tourismusmessen statt. Nein, die Rede wurde für die Feier von heute
geschmiedet. | 3
| Magnifizenz, sehr
geehrte Frau Vizerektorin Schindler, lieber Herr Promotor der Fakultät Matthias
Scharer und andere Kolleginnen und Kollegen, liebe Eltern, Verwandte, Bekannte
und Freunde unserer Kandidatinnen und Kandidaten! Und schon traditionell: teure
Feinde, sollten welche da sein; vor allem aber Sie, liebe Absolventinnen und
Absolventen! Ich erlaube mir, diese Sponsionsfeier umzudefinieren zu einem
Fest, bei dem das Volk, das durch die Wüste Richtung „gelobtes Land“ wandert,
jene Kundschafter feiert, die das Land erforscht haben, nun zurückgekommen sind
und berichten. Das archaische Geschehen, von dem das biblische Buch Numeri (Num
13) berichtet, spielt sich doch immer neu und immer wieder ab. Denn, was tun
die Menschen ihr Leben lang anderes, als durch die Wüste Richtung „gelobtes
Land“ zu wandern? Der Mensch ist ein Wesen, das einen unbändigen Appetit hat:
eine profundior et universalior appetitio (wie dies das 2. Vatikanische Konzil
definiert). Er ist einer, der von einem tiefen, keine Grenzen kennenden
Verlangen geprägt oder auch geplagt wird. Deswegen gibt er sich niemals
zufrieden mit dem, was er gerade ist oder was er gerade hat, blickt nach vorne
oder nach oben, erblickt dort das „gelobte Land“: zum Greifen nahe, macht sich
auf..., kaum dort angekommen: schon verschieben sich diese Grenzen. Neue Ziele
leuchten auf: das neue Haus, ein schnelleres Auto, das neueste Smartphone, eine
Top-Manager-Position oder schlicht und einfach die Hoffnung auf die Pension,
freilich zu besseren finanziellen Bedingungen. Unterschiedlich präsentieren
sich die Grenzen des „gelobten Landes“. Unterschiedlich sehen auch die Wege
dorthin aus. Der Großteil der Wanderungen reduziert sich zu Safaritouren auf
ausgetretenen Wüstenwegen; der Großteil der Wüstenfeste zum Tanz ums goldene
Kalb. Doch hin und wieder gibt es Aufbrüche. Aufbrüche in neue, unbekannte
Landschaften, echte Innovationen, Aufbrüche, die natürlich vorbereitet, durch
Kundschafter vorexerziert werden: Jene Menschen, die von unbändiger Neugier
beflügelt das Neue suchen, die Lebensbedingungen neuer („gelobter“) Länder
erforschen und erproben. | 4
| Und was ist denn die
Universität anderes als eine Kundschafterschmiede? Als institutionalisiertes
Geschehen des Aufbruchs dorthin, wo einmal das ganze Volk hinkommen soll?
Jahrein, jahraus ziehen dorthin tausende Kundschafter ein, sie durchwandern die
fremden Gefilde, machen unterschiedlichste Erfahrungen, etliche bleiben auf der
Strecke, etliche kehren zwar zurück, frustriert von dem, was sie erlebt und
erfahren haben. Ihr Bericht über die Zukunft ist düster, deswegen haben sie
auch keine Zukunft: „Das Land ist schlecht, es frisst seine Bewohner“ (Num 13,32), sagen diese gescheiterten Kundschafter im biblischen Bericht und fallen
sofort tot zu Boden. Will heißen: Menschen, die kein Vertrauen in die Zukunft
haben, haben auch keine Zukunft. Und dann gibt es welche, die im „gelobten Land“,
dem Land der Zukunft gewandert sind, Neues gesehen, erlebt und erprobt haben
und zurückkehren: eine abgeschnittene Rebe mit einer Weintraube drauf im Gepäck
oder schlicht und einfach ein paar Feigen. Sie kehren zurück ins Lager in der
Wüste Paran, wo das versammelte Volk auf sie wartet, gierig zu erfahren, wie
denn die Zukunft aussehen könnte, lechzend nach den Worten: „Yes, we can! Wir
können aufbrechen, wir schaffen es. Ich habe etwas von dieser Zukunft
vorweggenommen: etwas..., einen winzigen Schritt dorthin getan!“ | 5
| Und was ist denn –
meine Damen und Herren – die Diplomarbeit oder die Masterarbeit anderes als
dieser abgeschnittene Weinstock mit der prächtigen Traube drauf: mal größer,
mal kleiner, mal besser abgeschnitten, professioneller, mal mehr amateurhaft,
aber immer mit dem Herzensblut eines von der Zukunftshoffnung Trunkenen? Was
sind denn die Bachelorarbeiten anderes als diese Feigen im Gepäck: klein aber
gehaltvoll? | 6
| Frau Daniela Klement
aus Natz-Schabs in Südtirol kann bei meinem Bild gleich einen doppelten
Anschluss finden. Aufgewachsen im Land, wo schon jetzt „Milch und Honig fließen“,
Äpfelkulturen und Weintrauben zum Alltag gehören, hat sie in ihrer Masterarbeit
den Weinstock untersucht. Nicht auf der Fakultät für Biologie, sondern bei uns.
Unter der Leitung des inzwischen emeritierten Neutestamentlers, Kollegen Martin
Hasitschka, widmete sie sich jener Perikope aus dem Johannesevangelium, in der
Jesus sich selber mit dem Weinstock vergleicht, und setzt auf eine kreative Art
und Weise diesen Text mit dem paulinischen Text, in dem die Kirche als Leib
Christi beschrieben wird, in Verbindung. „Die Freundschaft mit Christus im
Weinstock Kirch. Auslegungen zu Johannes 15,1-7“, heißt ihre Arbeit: eine
pralle, wohlproportionierte Traube, klassisch gewachsen, weil strukturiert
durch historisch orientierte, also diachrone Methoden, kombiniert mit Schnitten
einer auf genauer sprachlicher Analyse beruhenden synchronen Textbetrachtung.
Der inhaltliche Mehrwert ist unbestritten. Er macht darauf aufmerksam, dass
jede Zukunft, jedes erträumte „gelobte Land“ seine Bewohner auffressen wird,
wenn Freundschaft und Liebe dort keinen Platz haben. Das gilt auch für die
Zukunft korporativer Persönlichkeiten, die Zukunft der Kirche, genauso wie für
die Zukunft des Landes. Und wie steht es mit der Zukunft der
Kundschafterschmiede selbst? Der Universität also? | 7
| In der traditionellen
Studentenhymne „Gaudeamus igitur“, gesungen am Ende jeder Sponsionsfeier, jedes
Happenings in der Wüste Paran, wird noch der Eigenwert studentischer Bindungen
und Verbindungen besungen. Moderne Universität wird aber immer mehr durch
Spezialisierung geprägt, durch Atomisierung des akademischen Daseins. Die
Bemühungen um Interdisziplinarität versuchen entgegenzusteuern. Auf
symbolischer Ebene des Feierns in der Wüste Paran kann man einen Akt der
Gegensteuerung im Gestus der Gastfreundschaft erblicken. Wenn etwa bei den
Sponsionen der Katholisch-Theologischen Fakultät eine Absolventin der Fakultät
für Betriebswirtschaft spondiert, eine Frau türkischer Abstammung noch dazu.
Frau Bircan Oba hat ihre Traube am Institut für Statistik wachsen sehen können,
wo sie als Tutorin tätig war und unter der Leitung der Kollegin Steckel-Berger
über 1.000 Studierende befragt hat nach ihrem Leben in der
Kundschafterschmiede: nach der Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. „Work-Life-Balance“
heißt ihre Diplomarbeit, die einen winzigen Ausblick auf Konturen gelungener
Zukunft erlaubt. Winzig, aber doch groß genug, um auch der Kundschafterin
selber klare Richtlinien für die Gestaltung ihrer Zukunft zu geben, arbeitet
sie doch selber inzwischen im Rechnungswesen der BTV AG und wird im Juni
heiraten! Wenn das nicht ein Schritt ins „gelobte Land“ ist..., was denn? | 8
| Das Spiel! Das Spiel
wird Harald Alois Fleißner sagen, einer der männlichen Kundschafter
(hochgewachsen, damit er auch mehr sieht). Der ausgebildete Spielpädagoge,
jahrelang in der Arbeit bei der Katholischen Jugend tätig, erkundete und
gestaltete die Zukunft schlicht und einfach schon deswegen, weil er sich um
junge Menschen kümmerte. Jene Menschen, die im Spielen die Welt neu erschaffen,
die die erlebte „Knechtschaft des Alltags“ in ihrer Phantasie zu einem „gelobten
Land“ verwandeln. Die Zweckfreiheit des Spiels sei auch die beste Garantie für
das Entstehen jener Freundschaft und jener Liebe, die für korporative
Persönlichkeit unerlässlich sei – wird Fleißner der Kollegin Klement sagen
(beide haben ja ihre Trauben beim gemeinsamen Termin der öffentlichen
Präsentation der Abschlussarbeiten vorgestellt: eine Innovation der
Theologischen Fakultät, die den offiziellen, den trockenen Teil des hier
stattfindenden Festes in der Wüste Paran auf eine neue Art und Weise
institutionalisiert). „Gott ins Spiel bringen. Ein kritischer Vergleich der
Spielpädagogik Josef Höllhubers und der Theologie des Spiels in ‚Der spielende
Mensch‘ von Hugo Rahner“, so ist seine Masterarbeit betitelt, jene Traube, die
gewachsen ist unter dem wachsamen Auge des Kollegen Christoph Drechsler,
beurteilt durch den kritischen Blick unseres Promotors Matthias Scharer, der
wie ein guter Winzer die Reben ordentlich zuschneiden kann. | 9
| Mit Spielen hat auch
ein anderer angefangen, den Jugendlichen ihren Weg ins „gelobte Land“ zu
weisen. Der geniale Erzieher des 19. Jahrhunderts Johannes Bosco, bestens als
Don Bosco bekannt (Gründer von Oratorien und einer weltweit wirkenden
Ordensgemeinschaft), fing regelrecht in der Gosse an. Als erstes schuf er den
verwahrlosten Jugendlichen die Möglichkeit des Spielens. Fasziniert von seiner
Arbeit, widmete Maria Domenica Mazzarello ihre Aufmerksamkeit den Mädchen,
gründete so die Don Bosco Schwestern. Thomas Fankhauser wuchs auf im Umkreis
dieser Frauen, haben doch in seiner Heimat Baumkirchen die Don Bosco Schwestern
ihr großes Zentrum. Seine im Studium gewachsene Traube wurde durch jene Säfte genährt,
die aus der Bemühung um die Erneuerung des ursprünglichen Anliegens im
multikulturellen Kontext des 21. Jahrhunderts entstanden sind. „Don Giovanni
Bosco im Spannungsfeld der Sendung zu den jungen Menschen damals und heute –
mit besonderem Blick auf Österreich“, heißt seine Diplomarbeit (betreut von
Kollegen Johannes Panhofer). Er nahm das 21. Generalkapitel der Don Bosco
Schwestern, das im Jahre 2002 in Rom Vertreterinnen aus 52 Nationen
zusammengeführt hat, unter die Lupe. Der Baumkirchner, der sein
Kundschafterwesen nicht nur durch das Studium der Bücher verwirklicht, sondern
auch selber praktisch zupackt, indem er faktisch die Pfarre schaukelt und die
Schwestern auf Schritt und Tritt auf ihren ausgetretenen Wüstenpfaden
begleitet, mit ihnen aber auch Ausflüge „jenseits des Jordan“ macht und auch
noch am Paulinum unterrichtet, dieser – auch hochgewachsene Kundschafter – ist,
wie all die heute hier sitzenden Absolventinnen und Absolventen, einer, der von
der Tradition fasziniert an die Zukunft glaubt, deswegen auch mit beiden Beinen
dort verankert ist, wo er lebt. | 10
| Und der Feigenmann?
Derjenige, der im Gepäck die Feigen der Bachelorarbeiten mitbringt? Stefan
Hohenwarter schließt sein Bachelorstudium in der Katholischen
Religionspädagogik ab und kann auf zwei Feigen aus unterschiedlichen Kulturen
hinweisen. Die Arbeit über „Die Rede des Stephanus“ gedieh im biblischen
Garten, während jene übers „Leiten nach augustinischer Regel“ den praktischen
Gefilden verpflichtet bleibt. | 11
| Liebe Absolventinnen
und Absolventen! Ihr habt fruchtbare Jahre in der Kundschafterschmiede
verbracht, habt alle länger oder kürzer doch gerne studiert: mit Freude und
Erfolg. Eure Feigen, eure Trauben lassen sich sehen. Sie bilden auch den
Grundstock für ein prächtiges Mahl, das ihr zusammen mit den Eurigen heute
halten sollt. Die Theologinnen und Theologen wissen es ja, dass die Katholische
Kirche heute immer noch den Ostersonntag feiert (sie feiert Ostern acht Tage
lang) und die Orthodoxe Kirche ihr Ostern an diesem Wochenende begeht. Und
Ostern feiern heißt für Christen: Mahl halten, bei dem der Auferweckte zugegen ist.
Jener, der die Grenze des „gelobten Landes“ gar jenseits des Todes
überschritten hat. Uns – den Gläubigen – ist er auch der Kundschafter par
excellence, einer, dessen Freundschaft nicht an Grenzen gebunden ist: weder an
nationale, noch an konfessionelle oder religiöse Grenzen. Und schon gar nicht
an die Grenzen einer Fakultät in der Kundschafterschmiede, gehört er doch auch
zu dem, was wir das humanistische Erbe unserer Kultur nennen. Was bleibt dem
Dekan der Theologischen Fakultät noch übrig, als Euch/Ihnen zu wünschen: Ihr
habt Euch als Kundschafter bewährt, glaubt an die Zukunft, dann werdet ihr –
dann werden auch wir – eine Zukunft haben. Einen wunderschönen Sponsionstag,
trotz oder gerade wegen dem frühlinghaften Wetter! |
| - Autor
- Lesen Sie auch
- Zusatzfunktionen
|