- Leseraum
| Eucharistie als Höhepunkt kirchlichen Lebens - auch in der GemeindeAutor: | Lies Lothar |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | artikel |
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Abstrakt: | Es geht bei diesem Referat um die innere Verbindung von Kirche und Eucharistie, besonders auch in der Eucharistiefeier der kleineren Gemeinden. Die vier Merkmale der Kirche „Einheit, Heiligkeit, Apostolizität und Katholizität" leuchten in den Sinnelementen der Eucharistie „Anamnese (Gedenken der Heilstaten Gottes in Christus), Epiklese (Herabrufen des Heiligen Geistes), Koinonia (staunenserregende Gemeinschaft mit Christus und den Menschen) und Prosphora (Hingabe und Lobpfer)" auf. |
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Publiziert in: | # Referat beim Diözesanen Priestertag der Diözese Fulda
am 6.6.2001 in der Orangerie zu Fulda |
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Datum: | 2001-10-19 |
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Inhalt1
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Meine einleitenden Bemerkungen wollen einen ersten Blick auf das Zueinander von Kirche und Eucharistie werfen und aufweisen, daß die beiden Wirklichkeiten unseres Glaubens Kirche und Eucharistie nicht nebeneinander stehen, sondern ineinander ruhen. Die Kirche kann nicht ohne die Eucharistie und die Eucharistie nicht ohne die Kirche bestimmt werden. Existentieller gesagt: Unsere Eucharistiefeier ist Vollzug des Wesens der Kirche und unsere Kirche bringt sich in der Eucharistie in höchstem Maße zum Ausdruck. Um dies tiefer zu erfassen und die pastorale Bedeutsamkeit zu ermessen, ist im ersten Teil des Vortrages eine Überlegung zum Wesen der Kirche und eine davon unterschiedene Überlegung zum Wesen der Eucharistie anzustellen. Im zweiten Teil werde ich die Wesensmerkmale der Kirche mit denen der Eucharistie vermitteln, um dann im dritten Teil abschließend einige pastorale Hinweise anzudeuten.
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Als das Konzil von Nizäa im Jahre 325 die Gottheit des Sohnes Gottes definierte als „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater" verkündete es auch, daß dieser Sohn Gottes um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen" ist. Im gleichen Atemzug sagte es von der Kirche: „Ich glaube die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche". Seit diesen Tagen nennt man diese Bezeichnungen „Notae ecclesiae" (Merkmale der Kirche) und bringt sie zugleich mit Christus, dem Sohne Gottes, in Verbindung. Denn es besteht zwischen dem Christusereignis und den Notae ecclesiae ein heilsökonomischer Zusammenhang, so daß die Notae ecclesiae eigentlich Ausdruck der Gegenwart Christi in der Kirche sind.
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Dieses Bekenntnis besagt, daß die Kirche nur eine sein kann, weil Christus als unser Herr und Erlöser, nur einer ist. Nur einer aus der Dreifaltigkeit ist als Gott von Gott abgestiegen und hat um unseres Heiles willen Fleisch angenommen: Jesus Christus. Die Kirche ist eine, weil es keinen anderen Name gibt, in dem wir Rettung finden.
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Wiederum ist es die Gegenwart Christi in seiner Gemeinde, die uns von der heiligen Kirche sprechen läßt. Es ist Christus, der die Sünden nachläßt, weil er Gottes Sohn ist. Es ist Christus, der uns in der Taufe die Rechtfertigungsgnade schenkt, d.h. uns von Gott her im Heiligen Geist authentisch, heilig und unzerstörbar macht. Es ist in diesem Geist seine Heiligkeit, die Christus vom Vater mitbringt, an der wir Teil haben: Gott von Gott, wahrer Gott vom wahren Gott. Die Kirche ist heilig, weil Christus in ihr im Heiligen Geist seine Heiligkeit austeilt.
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Auch das Bekenntnis der Katholizität der Kirche ist letztlich Bekenntnis zu Christus. Denn die Kirche ist zu allen Menschen aller Zeiten gesandt bis an die Grenzen von Zeit und Welt, weil ihre universelle Sendung in der universellen Sendung Christi gründet. Christus ist für alle Menschen gestorben, und dies aus Liebe zu seinem Vater. Der Vater bezeugt in der in der Menschwerdung, im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes kraftvoll seinen universellen Heilswillen. Das christliche Gottesbild, das im Kreuz aufleuchtet, besagt, daß Gottes Liebe universell gilt und damit niemand von ihr ausgeschlossen ist. Die Katholizität der Kirche verdeutlicht, wie sehr Christus in seinem für alle Menschen bedeutsamen Tod die universelle Liebe des Vaters für alle Menschen zum Ausdruck und zur Wirksamkeit bringt.
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Auch unser Bekenntnis zur apostolischen Kirche besagt Bekenntnis zu Christus. Christus ist der Urzeuge und Ur-Apostel der Liebe des Vaters: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat uns Kunde gebracht" (Joh 1,18). Dieses Zeugnis Christi lautet im Zeugnis der Apostel: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14). Die Apostel bezeugen die Herrlichkeit des Vaters in Jesus Christus: Gott von Gott, Licht vom Lichte, wahrer Gott vom wahren Gott. Man kann sogar sagen: Die Kirche ist nicht nur deshalb apostolisch, weil sie das Zeugnis der Apostel verkündet, sondern weil sich in ihrem apostolischen Glauben zudem Christus, der Urapostel selbst als für alle Menschen gegenwärtig bezeugt.
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Weil diese Merkmale der Kirche Aspekte des Christusgeheimnisses sind und jene Art und Weise bezeugen, wie dieser Christus heute, nach Tod und Auferstehung auf uns Menschen zukommt, können diese Aspekte nicht getrennt werden. Wer die Merkmale der Kirche von einander trennt, trennt Christus, wie dies damals Markion und Arius, die Gnostiker und viele andere Sekten getan haben. Das eine Merkmal der Kirche schließt das andere Merkmal ein, weil es nur einen Sohn Gottes, Jesus Christus und nur eine Erlösung und nur eine Gemeinschaft der Erlösten gibt. Wenn es der eine Christus ist, der uns erlöst hat, dann ist er der einzige (unus et unicus) Erlöser. Wenn er der einzige Erlöser ist, dann muß er für alle Menschen zu allen Zeiten der einzige und so der universelle Erlöser sein (catholicus). Nur Gott kann erlösen, so daß dieser einzige und universelle Erlöser auch der Heilige und Unvergängliche (sanctus) sein muß. Und weil er der einzige, universelle und unvergänglich heilige Erlöser ist, muß er Gott und so auch der Zeuge und Apostel der Liebe des himmlischen Vaters zu allen Menschen sein (apostolicus).
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Diese christologisch gedeuteten Merkmale der Kirche haben etwas mit der Feier der Eucharistie zu tun, da die Eucharistiefeier ja Christusfeier ist. Deshalb sei nun ein zweiter Blick auf die Merkmale der Eucharistie geworfen.
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In neuester Zeit unterscheidet man im eucharistischen Kontext zwei Ebenen: die Feiergestalt und die Sinngestalt. Die Feiergestalt bezeichnet die Eucharistie in ihrer äußeren Mahlgestalt, die ihrerseits wieder aus vielen gestalterischen Elementen besteht. Etwas pauschal können wir sagen, diese Feiergestalt gehöre in den Bereich der Liturgiewissenschaft.
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Die Sinngestalt liegt der Feier als unsichtbares Wesen zugrunde und nennt jene theologischen Elemente, die der Eucharistie erst ihre innere theologische Sinn-Struktur geben. Diese Sinngestalt oder Sinnstruktur gehört eher in die Dogmatik und ist die der Berakah, der Eulogia, der Benedictio, des Segens. Diese Segensgestalt, die das Wesen der Eucharistie ausmacht, entstammt dem alttestamentlichen Passamahl bzw. dem Segensgebet des jüdischen Hausmahles und nicht der Tempelliturgie. Der Vorsteher des Passa ist nicht Priester (sacerdos; hiereus), sondern Hausvater; der Vorsteher der Eucharistie ist Ältester (presbyter) und nicht ein im Tempel seinen blutigen Operdienst verrichtender Priester (hiereus).
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Die in dieser Eulogie eingeschlossenen und untereinander nicht zu trennenden Sinn-Elemente sind Anamnese (Gedächtnis), Epiklese (Herabrufung des Geistes), Thaumasia (Staunen) über die Koinonia (Communio) mit dem gegenwärtigen Christus und den Menschen, schließlich Prosphora (Darbringung). Die Einheit der Sinnelemente wird besonders deutlich, wenn wir die genannten Sinn-Elemente in ihrem Segenscharakter formulieren: Deus benedixit (Anamnese); Deus benedicat (Epiklese); Deus benedicit (Koinonia); Deus benedicatur (Prosphora). Alle vier notae der Eucharistie sind notae des Segens.
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Wenn wir also den wesentlichen theologischen und dogmatischen Sinn der Eucharistie erheben wollen, müssen wir ihn von diesen Segensmerkmalen her entwickeln.
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Jede Eucharistiefeier ist wesentlich Gehorsam gegenüber Christus und so Gedächtnis, weil Christus uns ihre Feier zu seinem Gedächtnis aufgetragen hat. Dabei gedenkt die Eucharistie des ganzen Christusereignisses, seiner Vorbereitung im AT, seiner Menschwerdung, seines Lebens und Todes, seiner Auferstehung und Himmelfahrt und wertet diese Ereignisse als Zeugnis der Liebe des himmlischen Vaters.
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In jeder Eucharistiefeier entdeckt die Kirche einerseits mehr und mehr, was Gott in Christus und im Geist Großes an ihr getan hat. Sie erfährt andererseits, daß sie nichts zu diesem Großen beigetragen hat. Daher bittet die Kirche voll dankbaren Gedenkens und doch mit leeren Händen, Gott möge ihr den Segen der Vergangenheit besonders heute, hier und jetzt schenken, aber auch morgen und in Ewigkeit. Weil Gott allen seinen Segen gegenüber den Menschen in dem Mensch und Fleisch gewordenen Christus zusammengefaßt hat, bittet die Kirche mit leeren Händen um die neuerliche segensvolle Gegenwart dieses Mensch und Fleisch gewordenen Christus hier und heute: „Daher bitten wir dich, sende deinen Geist aus, damit diese Gaben von Brot und Wein werden zum Leib und Blut Christi."
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In jeder Eucharistiefeier erfährt die Kirche staunend, daß ihre mit leeren Händen vorgetragene Bitte vom Vater erhört ist: Das Brot und der Wein werden durch die Kraft des Geistes und das Wort Christi zum Leib und zum Blut Christi gewandelt. Die Gemeinde antwortet deshalb staunend und bestätigend: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du wiederkommst in Herrlichkeit." In dieser Gegenwart hat die Gemeinde mit Christus und untereinander leibhaftige Gemeinschaft. So betet die Kirche: „Wir bitten dich, Vater: Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und laß uns eins werden durch den Heiligen Geist" (II. Hochgebet).
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Das vierte sinngebende Element der Eucharistiefeier ist die Prosphora, die Darbringung des gegenwärtigen Leibes und Blutes des Herrn in Lob und Dank gegenüber dem Vater. Wir werden sehen, daß dieser Opfercharakter nicht Konkurrenz oder gar Wiederholung des Kreuzesopfers, sondern Dank und Lob für die Gegenwart des Kreuzesopfer und seiner Früchte ist.
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Die Eucharistiefeier umschließt als Segensfeier alle vier Notae. Weil sie Gedächtnis ist, weiß sie um die niemals in der Geschichte unterbrochene Gegenwart Christi als Gabe des himmlischen Vaters an uns. Sie bittet mit leeren Händen und erhält die Fülle Christi aus der Treue Gottes. Weil Eucharistie zugleich die Gegenwart des im Gedächtnis erfaßten und gefeierten Mensch gewordenen, gestorbenen und auferstandenen Herrn ist, wird ihr Gedenken dankbarer Lobpreis des Vaters. In diesen Lobpreis des Dankes ist die erhaltene Gabe dankbar einbezogen und wird Gott lobend geistig dargebracht. Die Darbringung besteht im Gott lobenden Gedächtnis (memores offerimus). Daraus wird deutlich, daß auch die theologischen Wesenselemente der Eucharistie nicht auseinandergerissen werden können.
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Meine These ist sehr einfach: Die Eucharistie bringt in ihren gefeierten Wesenselementen der Anamnese, Epiklese, Koinonia und Prosphora die Wesenelemente und Notae der Kirche, nämlich Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität zu ihrem Höhepunkt. Konkret heißt das: die Sinnelemente der Eucharistie feiern verdeutlichend die Sinnelemente der Kirche.
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Der Vergleich der eucharistischen Anamnese mit der Apostolizität der Kirche lehrt uns: Einerseits kann man sagen, daß die Apostolizität der Kirche grundlegendes Gedächtnis des Heilswerkes Gottes in Jesus Christus bedeutet; andererseits ist dann auch wahr, daß sich in der eucharistischen Anamnese die grundlegende Apostolizität der Kirche vollzieht. Betrachten wir nun die beiden Aussagen im einzelnen.
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Die Kirche ist apostolisch, weil sie auf dem lebendigen Bekenntnis der Apostel gründet. Dieses Bekenntnis erinnert an das Leben Christi, wie die Apostel es verkündeten. Dieses Bekenntnis ist oft besiegelt durch das Erinnerungszeichen der blutigen Martyria. Die Kirche hat eine apostolische Struktur, weil sie aus dem bezeugenden Gedenken der Apostel an das Leben Christi lebt, das stärker ist als der Tod. Der apostolische Glaube der Kirche ist Glaube an die Macht Christi, die dem Leben des Gläubigen im Erinnern „inne" wird. Wir sind bereit, die Erinnerungs-Zeichen der Menschwerdung, des Todes und der Auferstehung Christi an unserem Leib zu tragen, wenn wir Jesus Christus als unseren Heiland bekennen. In unserem apostolischen Glauben bezeugen wir als uns Erinnernde und Hoffende, daß unser Tod in Christi Tod verschlungen und unser Leben in seinem Leben verborgen ist. Alle Sakramente zeigen erinnernd und zugleich mitteilend und austeilend auf dieses Sterben und Auferstehen Christi. Alle Handlungen des Christen sollten davon Zeugnis geben. Kurzum: die Apostolizität der Kirche in Amt und Sendung, in Papsttum und Ordo der Bischöfe will das Zeugnis der Apostel von Christus in unser Leben umsetzen.
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Dieses apostolische Leben ist immer auch Zeugnis der Vielen für den Einen und Heilsbotschaft des Einen und Einzigen für die Vielen. Deshalb ist das Leben der Kirche apostolisch. Dieses apostolische Leben der Kirche ist somit strukturiert und geordnet. Die kirchlich-apostolische Gemeinschaft lebt in Ausrichtung auf das apostolische Zeugnis und so in und aus der Ordnung des apostolischen Zeugnisses. Der Zeuge und sein Zeugnis fordern eine eigene Repräsentanz (Gegenwart), Bewahrung (Tradition) und Amtlichkeit (Amt). Die Kirche lebt aus einem durch das apostolische Zeugnis geordneten, nicht aus einem in frommem Gefühl zerfahrenen Gedächtnis.
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Diese Behauptung ist leicht bewiesen. Jesus hat seine Jünger im Abendmahlsaal beauftragt, die Eucharistie zu seinem Gedächtnis zu feiern. Im Gehorsam gegenüber dem Stiftungswillen Jesu vollzieht die Kirche ihren Glauben und ihr Bekenntnis zu Christus. Die Kirche gehorcht in ihrem Erinnern noch heute diesem Jesus Christus, der um unseres Heiles Willen als einer aus der Dreifaltigkeit vom Himmel herabgestiegen ist; der als der Sohn Gottes Fleisch und Mensch geworden ist, der am Kreuz gelitten und für uns in den Tod gegangen ist. Die Kirche bezeugt im Gehorsam gegenüber der eucharistischen Stiftung Jesu auch dessen Auferstehung, die er selbst andeutete, wenn er sagte, daß er vom Gewächs des Weinstockes nicht mehr trinken werde, bis er neu trinken werde im Reiche seines Vaters. Die Kirche bezeugt also in der Feier der Eucharistie ihren apostolischen Glauben, genau jenen Glauben, den die Apostel bezeugt und die Konzilien erklärt haben: Christus ist um unseres Heiles willen Mensch geworden, gestorben und auferstanden. Die Feier der Eucharistie ist also Bekenntnis des apostolischen Glaubens. Wer nicht an die Gottheit Christi glaubt, kann keine Eucharistie feiern. Wer nicht den apostolischen Glauben der Kirche bekennt, kann nicht Eucharistie feiern.
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Weil sich in der Anamnese der Eucharistie das apostolische Zeugnis und damit die Apostolizität der Kirche vollzieht, sind die eucharistischen Hochgebete zugleich liturgisch-sakramentale Glaubensbekenntnisse. Sie bekennen, was sie anzeigen, etwa so: „So sehr hast du die Welt geliebt, heiliger Vater, daß du deinen eingeborenen Sohn als Retter gesandt hast, nachdem die Füller der Zeiten gekommen war. Er ist Mensch geworden durch den Heiligen ‚Geist, geboren von der Jungfrau Maria. Er hat wie wir als Mensch gelebt, in allem uns gleich außer der Sünde. Den Armen verkündete er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude. Um deinen Ratschluß zu erfüllen, hat er sich dem Tod überliefert, durch seine Auferstehung den Tod bezwungen und das Leben neu geschaffen. Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für uns gestorben und auferstanden ist, hat er von dir, Vater, als erste Gabe für alle, die Glauben, den Heiligen Geist gesandt, der das Werk deines Sohnes auf Erden weiterführt und alle Heiligung vollendet. So bitten wir dich, Vater: der Geist heilige diese Gaben, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus, der uns die Feier dieses Geheimnisses aufgetragen hat als Zeichen des ewigen Bundes" (IV. Hochgebet).
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Was den Anfang der Kirche begründet und was im apostolischen Bekenntnis zusammengefaßt ist, feiert die Kirche in gehorsame Gedächtnis. Die Eucharistie ist gedächtnishafter Höhepunkt des Lebens der apostolischen Kirche.
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Einerseits ist die Heiligkeit der Kirche nicht von der Kirche gemacht, sondern Geschenk und kann nur in der Bitte aufgenommen werden. Andererseits kennen wir in der Eucharistie eine Bitte, die unfehlbar erhört wird.
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Wir bekennen die Heiligkeit der Kirche als die heiligende Gegenwart Christi in der Kirche; die Kirche ist die Braut, die ihr Brautsein allein vom Bräutigam Christus erhalten hat. Wo die Kirche Heiligkeit austeilt, ist es Christi und seines Geistes Heiligkeit. Wo die Kirche Heil und Heiligkeit austeilt, tut sie es unter Bitten. Und selbst die Heiligkeit der Heiligen ist erbetene Heiligkeit Christi. Denn die Liturgie betont vom Vater im Himmel: „In den Verdiensten der Heiligen krönst Du das Werk deiner Gnade durch Christus unseren Herrn." Wir haben oft den Eindruck, das Sakrament der Taufe werde indikativisch gespendet: Ich taufe dich. Dem ist tiefer gesehen nicht so. Denn die Formel geht weiter: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Jemanden im Namen des dreifaltigen Gottes taufen heißt, über dem Täufling den dreifaltigen Gott anzurufen, seine Gegenwart herbeizurufen und so herbei zu bitten. So sieht man, daß die indikativische Formel der Taufe letztlich von der Kirche her deprekativ ist. Denn es gilt immer, was Augustinus schon gesagt hat: Christus est, qui baptizat; Christus est, qui consecrat etc.
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Im Bitten um den Geist wird Christus in der Eucharistiefeier sakramental gegenwärtig: „So bitten wir dich, Vater, der Geist heilige diese Gaben, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus, der uns die Feier dieses Geheimnisses aufgetragen hat als Zeichen des ewigen Bundes" (IV. Hochgebet). In dieser Bitte wird Christus als das Zeichen des Neuen Bundes gegenwärtig. Was erinnernd erfleht wird, wird unfehlbar gegenwärtig. Nicht umsonst bezeichnete die Kirche schon von Anfang an (Didache) die Eucharistie als das Heilige, an dem die Heiligen teilhaben und charakterisiert so den doppelten Sinn von Communio Sanctorum. In der eucharistischen Epiklese bittet und erhält die Kirche Christus als die Heiligkeit und Heiligung des christlichen Lebens: „Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für uns gestorben und auferstanden ist, hat er von dir, Vater, als erste Gabe für alle, die glauben, den Heiligen Geist gesandt, der das Werk deines Sohnes auf Erden weiterführt und alle Heiligung vollendet" (IV. Hochgebet). In der Eucharistie wird die Vollendung der Heiligung gefeiert, indem die Kirche den Vater im Himmel bittet: „Gib, daß alle, die Anteil erhalten an dem einen Brot und dem einen Kelch, ein Leib werden im Heiligen Geist, eine lebendige Opfergabe in Christus zum Lob deiner Herrlichkeit" (IV. Hochgebet). Alle persönliche Heiligung, die wir durch die verschiedensten Sakramente, Gebet und gute Werke erhalten haben, werden nun durch die Gegenwart der Heiligung und des Heilbringers selbst überboten und erfüllt. Die Eucharistie feiert den anwesenden Grund der Heiligkeit der Kirche.
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Auch hier, wenn wir von Einheit und Koinonia, von Communio und Christusgegenwart sprechen, kann man unter doppelter Rücksicht formulieren. Einerseits begründet die Gegenwart Christi in seiner Kirche die Einheit und Einzigkeit der Kirche, andererseits ist die Eucharistiefeier der Höhepunkt der Einheit der Kirche.
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Weil Christus der eine und einzige Grund unseres Heiles ist, kann es nur eine Heilsgemeinde geben, die mit ihm voll und ganz verbunden ist. Das Bekenntnis zur einen Kirche ist Bekenntnis zum einen Christus und das Bekenntnis zum einen Christus ist Bekenntnis zur einen Kirche. Ich übergehe die ökumenische Bedeutsamkeit dieser Bekenntnisses.
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Die Eucharistiefeier kennt als drittes Wesenselement der Segensfeier (Eulogia) die Koinonia, die Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft ist nicht nur die der Menschen untereinander, die sich zu einer Vereinsveranstaltung treffen und so Gemeinschaft bilden. Die eucharistische Gemeinschaft ist zuerst und vor allem Gemeinschaft mit dem Herrn und so mit den anderen Gläubigen. Diese Gemeinschaft setzt die reale und wirksame Gegenwart des Herrn voraus. Daher ist die ekklesiologische Vorstellung von Gemeinschaft, von Koinonia und Communio immer begründet mit und in der wirklichen Gegenwart des Herrn. Christus ist anwesend in der Feier der Eucharistie, aber auch in den Gestalten von Brot und Wein und im Amtsträger. Alle drei Gegenwartsweisen Christi garantieren unsere Gemeinschaft mit Christus.
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Sowohl die Koinonia der Eucharistie als auch die Einheit und Einzigkeit der Kirche sind in der jeweils unterschiedlichen Gegenwartsweise des gleichen und einen Christus begründet. In Christus konvergieren die Einheit der Eucharistie und die Einheit der Kirche zu einer Wirklichkeit. Die Kirche ist vollendet, wenn sie ihre Einheit in der einen Eucharistie feiert. Die Eucharistie hat ihre Fülle erreicht, wenn alle Menschen in der einen eucharistischen Gegenwart Christi zusammenkommen. Wenn die eucharistische Einheit die der kirchlichen Einheit ist und umgekehrt, dann ist Christus wirklich alles in allen.
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Wiederum können wir, da wir eucharistische Darbringung (Prosphora) und Katholizität der Kirche zusammen bringen wollen, in doppelter Weise formulieren: einerseits besagt die Katholizität der Kirche letztlich das universelle Opfer Christi, in dem der universelle Heilswille des Vaters zum Ausdruck kommt, andererseits vollzieht sich die Katholizität der Kirche ihren Höhepunkt in der eucharistischen Darbringung der Messefeier.
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Weil es nur ein einziges Opfer gibt, das für das Heil aller Menschen dargebracht wurde, deshalb kann es letztlich auch nur eine einzige Kirche derer geben, die die Früchte dieses Opfers empfangen werden. Einzigkeit und Universalität der Kirche spiegeln die Einzigkeit und Universalität, d.h. die Katholizität des Opfers Christi wieder. Katholizität der Kirche besagt heilsbedeutsame Universalität der Kirche. Diese Universalität ist Ausdruck des universellen Heilstodes Jesu. Und dieser universelle Heilstod Jesu ist Ausdruck und Realisierung des universellen Heilswillen des himmlischen Vaters.
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Die Kirche ist katholisch, d.h. allumfassend, weil sie in sich die Gegenwart des einzigen Opferpriesters und des einzigen Opfers enthält, die Gegenwart Christi. In der Eucharistiefeier begeht die Kirche ihre eigene Katholizität, weil in ihrer Eucharistiefeier als Lob- und Dankopfer ihr Herr als ihr einziger und damit universeller Priester und Mittler und als ihre einzige Opfergabe und Opferfrucht gegenwärtig ist. Die Kirche feiert in ihrem eucharistischen Opfer die Gegenwart des universellen und einzigen Erlösers Christi als ihre eigene Universalität.
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Das vierte Wesens-Element der Eucharistie ist also ihr Opfercharakter. Das Konzil von Trient bestimmt das eucharistische Opfer als „verum ac proprium sacrificium propitiationis.", also als wahres und eigentliches Sühnopfer (DH 1751; 1753). Dieses Versöhnungsopfer ist durch das gleiche Konzil von Trient in doppelter Weise bestimmt: einerseits ist die Eucharistiefeier ein Opfer, andererseits teilt sie die Früchte des in ihr repräsentierten Kreuzesopfers aus (DH 1743). Im Blick auf die Sinngestalt der Eucharistie können wir den Opfercharakter der Messe noch genauer bestimmen. Die Messe ist Gedächtnis der Heilstaten Gottes in Jesu Menschwerdung, Tod und Auferstehung. Dafür dankt die Messe und wird so zu einem aus dem Gedächtnis der Kirche entspringenden Lobopfer (memores offerimus). In diesem gedenkend-dankenden Lobopfer ist Christus mit seinem Kreuzesopfer gegenwärtig und teilt uns seine Versöhnung mit. Die Messe ist also Opfer (prosphora, oblatio), weil sie Lob ist. Die Messe ist Versöhnungsopfer, weil in diesem Lob die Versöhnung des Kreuzes anwesend und in Feier und Mahl den darum bittenden Menschen ausgeteilt wird: „Schau gütig auf die Gabe deiner Kirche. Denn sie stellt dir das Lamm vor Augen, das geopfert wurde und uns nach deinem Willen mit dir versöhnt hat. Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus" (III. Hochgebet).
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Die konkrete Eucharistiefeier ist Bekenntnis und Ausdruck der Einheit der Gläubigen auch am Ort. Sie ist, wie die eucharistischen Hochgebete zeigen, Glaubensbekenntnis, weil sie gläubiges Erinnern an die Offenbarung Gottes in Christus ist. Eucharistie bildet damit bekennende Gemeinde am Ort, in der Christus gegenwärtig ist. Die gemeindliche Eucharistie feiert die aktuelle Gemeinschaft der Getauften, die sich in Christus versammeln und denen er sich dann in den Gestalten von Brot und Wein austeilt. Das heißt dann im einzelnen:
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Die Kirche begeht das gläubig dankbare Gedächtnis der universell geltenden Heilstaten Christi in Menschwerdung, Tod und Auferstehung. In dieses Gedenken bringen die Gläubigen auch ihre persönlichen Heilserfahrungen ein. Sie denken an Ereignisse in ihrem Leben, die sie nur aus der rettenden Gegenwart Christi sich erklären können. Daher ist es wichtig, die Gläubigen zu persönlichen Glaubensbekenntnissen zu befähigen. Diese persönlichen Glaubensbekenntnisse sollten den Heilsgeheimnissen, die in der Eucharistie gefeiert werden, einen persönlichen Zuschnitt geben: „Mich hast du nach deinem Bilde geschaffen und mir die Sorge für meine Welt anvertraut. Über viele Geschöpfe sollte ich herrschen und allein dir, meinem Schöpfer dienen. Als ich im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du mich dennoch nicht verlassen, sondern von Erbarmen mir geholfen, dich zu suchen und zu finden. Immer wieder hast Du mir deinen Bund angeboten und mich durch Propheten und prophetische Ereignisse in meinem Leben gelehrt, das Heil zu erwarten." Die Gläubigen sollten entdecken, daß ihr ganzes Leben und Christsein in diesen eucharistischen Gebeten aufgenommen ist. Das Gedächtnis der Eucharistiefeier schließt alles Gedenken an Christus und damit jedes Glauben der Gemeindemitglieder ein, jenen hoffenden Glauben der Armen und Kranken, jenen frohen und un-verschämten Glauben der Kinder und Hoffenden, jenen vorsichtigen und bedächtigen erfahrener Menschen.
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Die Kirche bittet um den Heiligen Geist, damit Christus, dessen sie sich dankend erinnert, neuerlich in ihrer Mitte gegenwärtig wird. Jeder Kirchenbesucher am Ort bringt mit, was er ist und hat. Der Messbesucher wäscht die Besonderheit seiner Situation - ob Glück oder Not - nicht am Weihwasserbecken ab, um als antlitzloses Schemen an der Eucharistiefeier teilzunehmen. Jeder Mensch bringt mit jene Menschen, die zu ihm gehören, und jene Menschen, zu denen er gehört. In die Bitte der Messe um die Gegenwart Christi sind alle Bitten der Menschen, die um Leben und Sterben, die um Mitmensch und Glück eingeschlossen und zugleich auch erhört. Denn in all seinem Bitten zeigt der Mensch einerseits seine Sehnsucht nach Heil, zum anderen aber auch seine Unfähigkeit zum Heil aus eigener Kraft. Bitte besagt leere Hände und offenes Herz. Und es gilt wieder: „Damit ich nicht mehr mir selber lebe, sondern ihm, der für mich und für die, die zu mir gehören, gestorben und auferstanden ist, hat er von dir, Vater, als erste Gabe für alle, die glauben, auch für mich, den Heiligen Geist gesandt, der das Werk deines Sohnes auf Erden und auch in mir weiterführt und alle - auch meine - Heiligung vollendet" (IV. Hochgebet).
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In der Eucharistiefeier und im Empfang des Leibes und Blutes Christi erhalten wir Anteil und Gemeinschaft mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus und aneinander. Daher betet die Kirche und weiß sich zugleich erhört: „Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus" (III. Hochgebet). In diese Gemeinschaft ist einbezogen all unser Bemühen um Gemeinschaft in der Familie, in der Ehe, in der Pfarrei, in der Kirche, in der Politik. In der Gemeinschaft mit dem Leib Christi, d.h. mit dem Sohne und seinem Geist und so mit dem Vater ist die Kirche bei Gott angekommen und wir sind mit unseren Bemühungen um Einheit ebenfalls dort angekommen, in einem intensiven und in einem extensiven Sinn: Intensiv, indem uns schon die Kräfte unserer ewigen Identität erfassen und wir mehr und mehr in Christus sind; extensiv, indem wir mit allen, die Christus erlöst hat, verbunden werden. Es beginnt die neue Schöpfung, das Ziel unseres Lebens am Ort aufzuleuchten.
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In der eucharistischen Gemeinschaft mit Christus sind alle Gemeinschaften, die des Volkes und der Nation, die der Gemeinde und jeder Familie und Ehe grundlegend überboten. In der eucharistischen Gemeinschaft mit dem Herrn in Heiligen Geist ist alle mystische Einigung mit dem dreifaltigen Gott definitiv gemacht. In der eucharistischen Kommunion geschieht Gemeinschaft, wie es das Bewußtseins unseres Betens und das Beten aller nie erreicht.
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Jede Messfeier vollzieht das Opfer der Kirche auf die Weise des dankbaren Lobes und deutet auf den darin gegenwärtigen geopferten Christus, der nun im Heiligen Geist beim Vater bedankt wird. „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit." In dieses eucharistische Lob-Opfer werden wir einbezogen mit unseren persönlichen Opfern und Leiden. Unser Hadern mit Gott wird in Got verherrlichende Hingabe gewandelt. Im eucharistischen Opfer sind wir geborgen mit unseren Gebrechen und Verletzungen, mit unseren Verlusten und Verkümmerungen, wir in den Altersheimen der Einsamkeit, in den Krankenhäusern menschlicher Hinfälligkeit, in den Klagen gescheiterter Ehen. Aber auch das andere gilt: alle Liebe, die wir in unserem Leben geliebt haben, alle Versuche unsere Ichsucht im Schenken zu überwinden, all unsere Elternsorge und Kinderliebe, all unsere priesterlichen Bemühungen und Einsätze erhalten hier ihren Höhepunkt: In der Eucharistiefeier sind wir im, mit und durch das Opfer Christi im Heiligen Geist bei Gott, dem Vater, zu dessen Verherrlichung angekommen. Unser Opfer, das der Not und das der Liebe wandeln sich in der Eucharistie in Lob und Verherrlichung, in Danksagung gegenüber dem Vater, weil wir in Gemeinschaft mit dem Opfer Christi erkennen, wo sich unsere Opfer erfüllen: Um unseres Heiles Willen ist er vom Himmel herabgestiegen und für uns der erste der Entschlafenen geworden zum Lobe seines und unseres Vaters im Himmel.
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