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| „Zim-Zum”, oder die Logik der Zurücknahme seiner selbst. Ansprache des Dekans bei der Sponsions- und Promotionsfeier der Katholisch-Theologischen Fakultät am 17. November 2012 in der Aula der Universität Innsbruck Wenn Gott alles ist und es per definitionem keine gottlose Wirklichkeit geben kann, wie ist dann so etwas wie „die Welt” möglich? Eine - von Gott unterschiedene - Welt. Diese - auf den ersten Blick - aus den Fingern gesogene Frage, setzte immer den Menschen zu. Generationen von Philosophen, Theologen, Zyniker und Mystiker zerbrachen sich darüber den Kopf. Die jüdische Mystik, die sog. Kabbala, fand zu einer Antwort, einer auch für den sprichwörtlichen Menschen auf der Straße verständlichen Antwort. Der Ewige - sein Name sei gelobt -, der Ewige habe noch bevor er die Welt erschuf einen Raum für diese Welt ermöglicht: indem er sich selber zurücknahm! „Zim-Zum”: lautete der Begriff, der fortan Tausende von Denkern elektrisierte. „Zim-Zum”: Selbstbeschränkung, Kontraktion, der Rückzug in sich selber. Oder wie mein verehrter Lehrer und Vorgänger als Dekan, P. Raymund Schwager bildhaft und einprägsam es auszudrücken wagte: „der liebe Herrgott zog den Bauch ein, und es wurde Platz!” Demnach habe Gott zuerst so etwas, wie einen „gottfreien Raum” erschaffen, indem er sich selber beschränkte, damit auch der noch zu erschaffenden Welt ihre Eigengesetzlichkeit ermöglichte und den Menschen auch ihre Freiheit. Durch die Zurücknahme seiner selbst hat Gott seinerseits auch die Bedingungen der Möglichkeit geschafften für die Begegnung der freien Partner. Von der Logik des „Zim-Zum” geprägt, kann ja Gott den von ihm gewollten und geliebten Menschen unmöglich anders begegnen als durch den Abstieg auf die Augenhöhe seiner Geschöpfe. Er kann unmöglich zum Rivalen der Menschen werden und auch nicht zum „Big Brother”, der schon immer einen Vorsprung zu besitzen glaubt, deswegen auch die vielen kleinen Geschwistern auf ihre Minderwertigkeit aufmerksam machen muss. Nein! Magnifizenz, sehr geehrter Herr Vizerektor, lieber Roland, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Fakultät mit dem Promotor, dem Kollegen Matthias Scharer an der Spitze, liebe Eltern, Verwandte, Freunde und schon traditionellerweise auch ihr: anonym bleibend wollende Konkurrentinnen, Gegner und Neider unserer Absolventinnen und Absolventen. Und nicht zuletzt auch ihr: liebe Absolventinnen und Absolventen, die ihr euch fröhlichen Herzens dazu entschlossen habt zu feiern, nicht bloß eurer Diplom auf dem bewährten administrativen Weg abzuholen, sondern zu feiern! Also: all die Menschen, die euch wichtig sind, jene, denen ihr auch dankbar seid, einzuladen: hierher, zwar noch nicht auf den Berg Zion, sondern in die Aula der Universität, wo zwar nicht die besten Speisen und die sprichwörtlichen erlesenen jesajanischen Weine serviert werden, sonder eine akademische Feier von bester Qualität. Sehr geehrte Damen und Herren! An die alte Kabbalistik aus der im 16. Jahrhundert gegründeten Isaak-Luria-Schule musste ich denken, als ich mir die Abschlussarbeiten der heute zur Promotion und Sponsion antretenden AbsolventInnen vor Augen führte: die Thematik der Selbstbeschränkung, Zurücknahme seiner selbst als Ermöglichung des Raumes in dem eine Begegnung stattfinden kann und auch der gemeinsame Weg zur Wahrheit, damit auch zum Leben, möglich wird, zeichnet die meisten dieser Arbeiten aus. An die alten Kabbalisten habe ich aber auch am 11. Oktober dieses Jahres denken müssen, als die katholische Welt den 50-en Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils feierte, eines Konzils, das im Zeichen der Selbstbeschränkung der kirchlichen Macht stand und das der Katholischen Kirche mit der Erklärung „Dignitatis humanae” (Die Würde des Menschen) - der Erklärung über die Religionsfreiheit - so etwas wie eine Gütesiegel aufgeprägt hat. Nein! Die Kirche schrieb damals nicht den Relativismus und auch nicht die „Anything goes”-Mentalität auf ihre Fahnen. Dem Konzil ging es ja um die Wahrheit, um jene Wahrheit aber, die Kraft ihrer selbst sich durchsetzt und nicht mit den Mitteln der Gewalt. Und was hat das mit ihren Arbeiten zu tun? Fritz Kerschbaumer hat seinem Studium auch einen Qualitätssiegel aufgeprägt. Begleitet durch den Kollegen Roman Siebenrock wühlte er sich durch die Schriften des amerikanischen Theologen John Courtney Murray SJ. Lange vor dem Konzil, durch die Zensur des Hl. Offiziums behindert und auch herausgefordert, suchte der amerikanische Jesuit nach den Auswegen aus der Sackgasse, die sich durch die Begegnung zweier Welten ergibt: des Weges, dem die modernen Staaten verpflichtet sind und jenes, der sich scheinbar aus der päpstlichen Verurteilungen der Moderne ergibt, wie sie nicht zuletzt in der Enzyklika: „Mirari vos” von Gregor XVI. ausgesprochen sind und die bis auf den heutigen Tag von den reaktionären Kräften als entscheidendes Autoritätsargument gegen das Zweite Vatikanische Konzil in die Diskussion gebracht werden. Murray liefert schon vor dem Konzil nicht nur einen wichtigen Diskussionsbeitrag zur gerade jetzt geführten Auseinandersetzung um die Traditionsvereinbarkeit von „Dignitatis humanae”, sondern auch zur Versöhnung der Kirche mit dem modernen Staatswesen. Die Logik dieser Versöhnung ist in der Logik des göttlichen „Zim-Zum” vorgezeichnet. Der Staat nimmt sich zuerst zurück, um einen Raum für das Zeugnis der Kirche zu ermöglichen, ein Zeugnis, das in der Zivilgesellschaft in Freiheit zu erfolgen hat und deswegen dort positiv auch durch den Staat unterstützt werden kann, was alles andere als Staatskirchentum ist. Die Zivilgesellschaft ist ja längst multireligiös und multikulturell verfasst. Dr. Rolf Sauren widmete sich in seiner Diplomarbeit, die er unter der Leitung unseres gerade emeritierten Professor Gerhard Leibold im Fach Christliche Philosophie schrieb, der Problematik des „Interkulturellen Fremdverstehens als Schlüssel zur Interkulturalität. Jeder von uns kombiniert ja schon längst in seiner Lebensgeschichte unterschiedliche Kulturen; der Kulturwissenschaftler Klaus Peter Hansen spricht da gar von Multikollektivität und Mehrfach-Mitgliedschaft. Sauren greift auf das Konzept zurück, integriert es aber in der klassischen Hermeneutik, wie wir sie schon bei Gadamer, oder aber bei unserem Altrektor und dem Nestor Christlicher Philosophie Otto Muck SJ in seiner Logik des religiös-weltanschaulichen Dialogs finden. So zeigt Sauren, dass bloßes Addieren und Urteilen keineswegs Interkulturalität ermöglicht. Fremdverstehen ist nötig, dieses aber - so füge ich hinzu - setzt das „Zim-Zum”, das Zurücknehmen seiner selbst voraus. Und auch die Sensibilität für die im Prozess der Begegnung entstehende Rivalität. Eine der subtilsten Formen solcher Rivalität - gerade auf dem frei gewählten Weg zu Gott - können wir in der neutestamentlichen Geschichte von Maria und Martha wahrnehmen; selbst Jesus scheint dieser Rivalität Nahrung zu geben, wenn er den Weg Marias, die ja zu Füßen Jesu saß, als besseren Weg qualifizierte. Freilich antwortete Jesus auf die Klage Marthas, die sich ja abackerte und deswegen außer Atem kam. Die christliche Tradition folgerte klar: vita contemplative (das Gebetsleben) sei besser als vita activa. Der spirituelle Weg, der nur noch Betende verführte zur Überheblichkeit schien damit vorgezeichnet zu sein. Von Demut sprechend verfiel man dem Hochmut. Ausgerechnet ein Mystiker und zwar Meister Eckhart hatte den Mut diesen Überheblichkeitsanspruch zu hinterfragen und in die Perspektive der göttlichen Logik des „Zim-Zum”: der Zurücknahme auch zu überwinden. Seine Predigt über die biblische Perikope von Martha und Maria wird von Frau Margot Brucker aus dem lateinischen übersetzt und analysiert. Betreut vom Kollegen Christoph Amor (was für ein Name? Christusträger, der noch dazu als Liebe benannt wird) und begutachtet von Roman Siebenrock begibt sich Frau Brucker in die Tiefen der mystischen Reflexionen, zeigt auf, dass die Logik von Meister Eckhart, der ja von Gottesgeburt im Menschen spricht, dass diese Logik eine gewagte Vollendung - jetzt meine Interpretation - jenes Weges sei, den Gott mit der Zurücknahme seiner selbst eingeschlagen hat. Gott steigt herab in die menschliche Seele, liefert also den Vorwand zum pantheistischen Missverständnis. Die Frauenmystik des Mittelalters und die daraus entstehende Herz-Jesu-Spiritualität scheint die Differenz und den Zusammenhang von Schöpfung und Menschwerdung besser gewahrt zu haben. Deswegen konnte sie eine vertiefende Theologie der Beziehung entwickeln. Schwester Ilsemarie Weiffen RSCJ nimmt in ihrer Dissertation (betreut von unserem schon emeritierten Kollegen Franz Weber MCCJ; Zweitgutachten Stephan Leher SJ) eine solche spirituelle Tradition unter die Luppe. Es ist dies die Spiritualität ihrer Ordensgemeinschaft: Sacré Coeur, die sie im Kontext einer Theologie der Beziehung reflektiert. Unter Berufung auf Johannes Paul II., der im Apostolischen Schreiben „Vita consecrata” der Kirche so etwas wie - man möchte fast sagen - die Logik des „Zim-Zum” nahegelebt hat („Es bedürfe dringend einiger konkreter Schritte, um speziell den Ordensfrauen Räume zur Mitwirkung in verschiedenen Bereichen und auf allen Ebenen der Pastoral zu eröffnen”), richtet Schwester Weiffen ihren Blick auf die Frauen, fragt nach ihren Anliegen und Sehnsüchten, um so zur Beschreibung des Beitrags zu gelangen, den die Frauen in der Kirche von heute leisten können. Die gesellschaftlichen Veränderungen haben ja das traditionelle Einsatzfeld des Ordens - die Ausbildung der weiblichen Jugend - in den Hintergrund tretten lassen; kann der Orden auf dem Gebiet der Frauenpastoral den Weg finden zur Stärkung auch des Selbstbewusstseins von Schwestern, die ja auch von der Sehnsucht nach Anerkennung nicht frei sind? Mit dieser Anerkennung berührt der Redner schon die zweite vom Kollegen Franz Weber MCCJ betreute Dissertation; Zweitgutachter: Kollege Martin Hasitschka SJ. Arthur Schmitt CRSA - also auch er ein Ordensmann - verbrachte zwei Jahre in Brasilien. Nach seiner Rückkehr in die Heimatdiözese Bozen-Brixen forschte er, neben der seelsorgerlichen Tätigkeit, nach Umwegen und Wegen der Umsetzung brasilianischer Seelsorgekultur in Südtirol. Der Augustiner Chorherr von Neustift will die brasilianischen Verhältnisse in den mitteleuropäischen Kontext nicht übertragen (na ja..., da hätte schon der Abt von Neustift was dagegen), er will einen Impuls zu pastoralen Lernprozessen liefern und die Frage nach den nicht ordinierten Dienstämtern, nach verschiedenen Formen des Wirkens von Laien in der Seelsorge kontextbezogen in der Ekklesiologie verorten. Die Theoretiker sind sich ja einig, dass die biblische Zeit (und auch viele geschichtliche Epochen) größeren Mut aufbrachten bei der Gestaltung der Seelsorge und ihrer Strukturen als unsere Zeit. Dabei ist es eine Zeit, in der - paradoxerweise - der Priestermangel mit neuen Formen von Klerikalismus Hand in Hand zu gehen scheint. Seit Jahren ringen wir in unseren Breitegraden um überzeugende Antworten. Hat unsere sackgassenartige Situation auch nicht etwas damit zu tun, dass wir die Logik des „Zim-Zum”, eine Logik gezielter Zurücknahme seiner selbst, um der Ermöglichung eines Handlungsspielraumes willen, dass wir diese Logik verlernt haben, oder diese nur noch in Form des Schlagstocks kennen, jenes Schlagstocks, den wir auf dem Kopf unserer Rivalinnen und Rivalen landen sehen wollen in unserem alltäglichen Rivalitätskampf? Dem Kampf um Anerkennung? Vieles, was in den letzten Jahren im Kontext der Regelung unserer Seelsorgestrukturen sich ereignete mag dem unbeteiligten Beobachter jene Geschichte in Erinnerung rufen, die von einem Wanderer im Wald erzählt. Den Weg verloren, irrte er stundenlang durch den Dschungel. Plötzlich trifft er einen anderen Menschen. „Gott sei dank, dass ich ihnen begegnet bin, können sie mir den Ausweg zeigen?” „Leider nein. Auch ich bin verloren und irre schon seit Stunden. Aber wir könnten uns über unsere Irrwege und Umwege unterhalten, diese auch falsifizieren und auf diesem - wohl indirekten - Weg gemeinsam schneller den Ausweg finden.” Pius Heinzmann ist in seiner Dissertation einem solchen Verfahren - auch in einem völlig anderen Zusammenhang - verpflichtet. Unter der Leitung vom Kollegen Winfried Löffler (Zweitgutachter: Kollege Hans Goller SJ) analysiert er einen Klassiker wissenschaftstheoretischer Reflexion über den Status einer Theorie. Als ausgebildeter Psychologe rekonstruiert er die Studie des amerikanischen Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Adolf Grünbaum über die Psychoanalyse Sigmund Freuds. Stellt Freuds Theorie eine naturwissenschaftliche Hypothese dar, die man analog zur Suche nach dem Ausweg aus dem Wald durch Falsifizierungsen als Hypothese erhärten kann. Grünbaum verteidigte den naturwissenschaftlichen Charakter, hielt die Theorie Freuds - wohl im Gegensatz zu Sir Karl Popper - für falsifizierbar, kritisierte aber die suggestive Vorgehensweise der Psychoanalyse. Meine Damen und Herren, mit einer schöpfungstheologischen Geschichte habe ich meine Rede begonnen, mit der mystischen Geschichte von „Zim-Zum”, der Zurücknahme seiner selbst als Ermöglichung des Rahmens in dem die Schöpfung Wirklichkeit werden kann. Schöpfungstheologie steht auch direkt im Fokus mehrerer Arbeiten, die heute den Weg zur Graduierung weisen. Magdalena Prem richtet ihren Blick auf die Diözese Innsbruck. Unter der Leitung von Johannes Pannhofer schaut sie auf die entsprechenden Dokumente und hört auf die Aussagen ihrer Interviewpartner. Sich der Methoden der empirisch qualitativer Forschung bedienend (schon die Einarbeitung in die Methode stell für eine Theologin eine Leistung dar) sucht sie die konkrete Forschungsfrage zu beantworten: Wie verhält sich der Anspruch der Schöpfungsverantwortung in der Kirche zur Wirklichkeit in der pastoralen Praxis der Diözese Innsbruck und welche Handlungsperspektiven ergeben sich daraus? Unter der Leitung von Alexander van Dellen (begutachtet von Koll. Scharer) richtet Christian Schwald seinen Blick auf die Pilgrim-Schule und sucht die Frage zu beantworten, ob das Projekt dem theologischen Schöpfungsbegriff gerecht wird. Die vom „Verein der Freunde der Pilgrim-Schule” getragene Initiative soll zur Haltung der Nachhaltigkeit im schulischen Alltag und schulischen Unterricht verhelfen. Ökonomie, Ökologie und Soziales zusammen zu sehen und das Programm mit christlicher Schöpfungsvorstellung in Verbindung zu bringen. Beide: Christian Schwald und Magdalena Premm bleiben in der Logik ihrer Reflexionen auch der Logik des göttlichen Zim-Zum verpflichtet: Nachhaltigkeit hat viel mit der Zurücknahme einer Anspruchshaltung zu tun. Schöpfungstheologische Dimension ist aber auch in der Dissertation von Maria Juen zu finden, steigt sie ja in die theologische Reflexion ihres Materials mit einer Metapher ein, wenn sie den Anfang als Spannung von Chaos und Ordnung beschreibt. Der Anfang um den es ihr geht ist allerdings der Anfang des Unterrichtes in der Schule, konkret gesagt: die ersten zehn Minuten. Auf Videobändern gefilmt, unterzieht Juen die Situation in der Klasse der qualitativ-empirischen Analyse, entwickelt damit auch stückweise die Methodologie dieser Forschung im Hinblick auf ein neues Medium weiter. Welche Prozesse und Dynamiken spielen sich in den ersten Minuten des Unterrichts ab im schulischen Alltag, der heutzutage weitgehend von - so möchte man fast schon sagen - von einer Zim-Zum-Haltung der Lehrenden bestimmt bleibt. Die Unterrichtsstunden, die Juen auswertet sind nicht durch die Präsenz eines übermächtigen Lehrers gezeichnet, der durch die klare, von der Macht geprägte Entscheidung den Unterricht beginnt: „Setzen!” Eher Zurücknahme ihrer selbst, das Zulassen des Ausagierens der Schülerinnen und Schüler und das Sich-Einlassen auf die konkreten Situationen fordern die Lehrende heraus. Die Kunst der Aufmerksamkeit und Achtsamkeit in diesem Chaos des Unterrichtsbeginns, die ja für die Qualität der Beziehung stehen, sind auch die entscheidenden Impulse, die von den Lehrenden eingebrachte werden können. Juen liefert mit ihrer Dissertation (betreut vom Kollegen Matthias Scharer, Zweitgutachten: Roman Siebenrock) einen konkreten Beitrag zur Entwicklung des Modells der Kommunikativen Theologie, indem sie schöpfungstheologisch und soteriologisch untermauerte Pneumatologie in einen kreativen Austausch mit den Ergebnissen der empirisch qualitativen Forschung bringt. Un die zwei auf dem Podium verbliebenen und noch nicht vorgestellten Frauen und Schriftgelehrten. Elisabeth Amalthof bekommt ihren Bachelor und dies keineswegs deswegen, weil sie plagiatierte. Vielmehr suchte sie in ihrer Begeisterung für die Exegese den Spuren guter Plagiatierungspraxis nachzukommen, indem sie in der Bibelexegese (unter der Leitung des Kollegen Boris Repschinski) zu erkennen lernte, welcher Evangelist welchen als Vorlage benutzte, wer von wem abgeschrieben hat und was hat er selber kreativ gestaltet. Sie beschäftigte sich mit dem sog. synoptischen Problem, das uns - Theologen - immer schon darauf aufmerksam macht, dass unsere intellektuelle Tätigkeit sehr viel mit Nachahmung zu tun hat. Und was ist schon ein Plagiat? Wohl doch Nachahmung, also Zurücknahme seiner selbst, wenn auch in unredlicher Absicht. Der Regenbogen schließt bei Stefanie Plangger und ihrer Diplomarbeit über Jesaja 25 (betreut vom Kollegen Georg Fischer). Das Thema steht gewissermaßen für den Abschluss jenes Prozesses da, der nach der Meinung der Kabbalisten mit „Zim-Zum”, mit Zurücknahme seiner selbst durch Gott begann: Mit Schöpfung und Erschaffung des Menschen als Partner Gottes. Für den Abschluss des Prozesses hat der alttestamentliche Prophet eine Vision parat und Stefanie Plangger ordnet die Vision ein, gliedert den Text und analysiert ihn - wie dies halt die Schriftgelehrten tun - detailliert. An der Originalsprache sich vergreifend liefert sie ein schönes Beispiel klassisch akademischer Forschung. Und was erzählt uns die Vision? Meine Damen und Herren, nach vielen Irrwegen der Geschichte, auf denen nicht Interkulturalität und schon gar nicht Dialog gepflegt wurde, auf denen Religions- und Gewissensfreiheit fremder waren als der Mond, nach vielen Umwegen und auch Wegen (wie jenem, den das Zweite Vatikanische Konzil einschlug) finden wir alle: Sie also, die heutigen Absolventinnen und derer Lehrer, die Familien, Freunde, Neider und Konkurrenten, ja unser aller Feinde: wir finden zusammen, treffen uns bei einem Fest, das vom Ewigen - sein Name sei gelobt -, dass vom Gott selber bereitet wird. Einem Fest mit feinsten Speisen, einem Fest mit besten, mit erlesenen Weinen. Wenn Gott die Tränen von jedem Gesicht trocknet und Menschen zueinander führt zum großen Fest am Berg Zion. Jesaja 25 stellt eine der schönsten Visionen der Zukunft dar, einer Zukunft mit Gott. Was liegt also näher, als diese Vision zumindest stückweise schon jetzt Wirklichkeit werden zu lassen. Und schon jetzt miteinander essen und trinken und ... lachen! Damit die Vision zumindest stückweise jetzt Wirklichkeit werden kann, muss natürlich der Redner endlich seine Rede beenden, sich also selber zurücknehmen, Zim-Zum-Haltung zeigen. Was er nun - mit besten Wünschen an alle - auch tut! |