Am 23.November 1984 fand in Innsbruck für viele Studierende und Szenegänger_innen ein ganz besonderes Ereignis statt: Eine junge und aufstrebende Punk-Band mit Namen „Die Toten Hosen“ war zu Gast und spielte vor vollem Haus Hits wie „Eisgekühlter Bommerlunder“, die die feiernde Menge zum „Pogen“ brachten. Veranstaltet wurde das Konzert im Kultur- und Kommunikationszentrum KOMM, hinter dem das Kulturreferat der ÖH Innsbruck stand. Inzwischen werden die Räumlichkeiten in der Josef-Hirn-Straße 7 von der „Studia“ als Copyshop genutzt. Beinahe vergessen ist, dass der Ort von 1978 bis 1985 ein zentraler Bezugspunkt für die alternative Kulturszene in Innsbruck war. Das Foto vom Konzert der „Toten Hosen“ dokumentiert eines der letzten größeren Events im KOMM. Es kann als Sinnbild gelesen werden: für die autonome Jugendkultur in Innsbruck, aber auch für die Konflikte, die um diese Bewegung entstanden und zum Ende des KOMM führten.
Die Punk-Szene, die sich in der zweiten Hälfte der 1970er – ausgehend von urbanen Hotspots wie London und New York – in weiten Teilen Europas verbreitete, erfuhr ab den frühen 1980ern auch in Tirol eine gewisse Resonanz. Als auffallende Ausprägung einer autonomen Jugendkultur rief sie im öffentlichen Raum Irritationen und Abwehrreaktionen hervor. Neben der ungewöhnlichen Aufmachung und der antiautoritären Haltung waren dafür vor allem politische Aktionen (darunter etwa die Hausbesetzung in der General-Eccher-Straße 1 im Mai 1981) ausschlaggebend. Vorbehalte nährten zudem Medien-Berichte über Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und der Polizei in Städten wie Berlin und Zürich, wo es zu aufsehenerregenden Krawallen kam. Die angespannte Lage äußerte sich in Innsbruck im April 1981 in der Errichtung von Barrikaden und verstärkter Polizeipräsenz, nachdem ein anonymes Flugblatt die Zerstörung von Geschäften in der Innenstadt angekündigt hatte. Aus Frustration über das Fehlen selbstverwalteter Räume, dem schwierigen Wohnungsmarkt und die „kommerzialisierte Konsumorientierung“ in der Altstadt, wurde dazu aufgerufen, endlich etwas gegen diese Situation zu tun, denn „mit diesem staat haben wir nichts zu schaffen. wir haben ihn nicht gemacht und er muß weg. für pflastersteine ist gesorgt.“ Rasch geriet Norbert Pleifer, der langjährige Kulturreferent der ÖH, ins Visier der Behörden. Er distanzierte sich öffentlichkeitswirksam davon, indem er mit der Arbeitsgemeinschaft Tiroler Jugendzentren, einer Plattform verschiedener Kultureinrichtungen, in der Altstadt Blumen verteilte.
Im August 1986 erreichten die Spannungen zwischen der Punk-Szene und der Exekutive ihren Höhepunkt. Im Zuge eines großangelegten Polizeieinsatzes in den Innsbrucker Bögen wurden 128 Personen verhaftet („Chaos-Tage“ in Innsbruck). Das KOMM war zu diesem Zeitpunkt aufgrund eines Konflikts mit der ÖH bereits geschlossen. Was war passiert?
Um sich dieser Frage anzunähern, gilt es zunächst einen Blick auf die Vorgeschichte und den Entstehungszusammenhang des Kultur- und Kommunikationszentrums zu legen. Die Geschichte des KOMM ist eingebettet in die internationale Jugendzentrumsbewegung, die in den 1970er-Jahren in vielen europäischen Städten aktiv war. Vor dem Hintergrund der Ausbreitung postmaterieller Werte und einer Pluralisierung von Lebensstilen in westlichen Wohlstandsgesellschaften suchten viele junge Menschen nach Orten, an welchen sie ihre kulturellen Präferenzen abseits von Konsumzwängen ausleben konnten. Beeinflusst von neo-marxistischen und antiautoritären Ideen der „68er“ sollten Orte etabliert werden, die autonom organisiert waren und die Möglichkeit boten, sich selbst zu verwirklichen, alternative Lebensweisen zu erproben und durch individuelle Änderungen in der Lebensführung Impulse für einen gesellschaftlichen Wandel zu liefern. Die Akteur_innen griffen damit den Gedanken von „Gegeninstitutionen“ auf, der bereits für die Studierendenbewegung der 1960er von Bedeutung war. Das Fehlen solcher Räume veranlasste Jugendliche, sich in verschiedenen europäischen Städten zu organisieren. Alleine in der Bundesrepublik Deutschland gab es zwischen 1970 und 1980 weit über tausend Initiativen, aus denen hunderte Jugendzentren hervorgingen. In Österreich erregte vor allem die Arena-Bewegung von 1976 in Wien mediale Aufmerksamkeit. Das Veranstaltungszentrum das daraus hervorging existiert noch heute.
Versuche, ein selbstverwaltetes Kultur- und Kommunikationszentrum zu initiieren, gab es in Innsbruck bereits zu Beginn der 1970er. Nachdem die Liste „Offenes Zentrum“ durch eine breite Mobilisierung Innsbrucker Studierender bei den Wahlen zum Katholischen Hochschulgemeinderat einen fulminanten Erfolg gefeiert hatte, wurden ihre Räumlichkeiten in der Josef-Hirn-Straße 5 für unterschiedliche studentische Gruppen geöffnet. Ihre teils marxistische und antiklerikale Ausrichtung führte jedoch zu einem Konflikt mit Bischof Paulus Rusch und zur Schließung der Räume durch die Österreichische Bischofskonferenz. Die Realisierung eines selbstverwalteten Kulturzentrums blieb – trotz vorübergehender Besetzung der Räume durch progressive Studierendengruppen – vorerst verwehrt. 1977 entstand allerdings aus dem Umfeld dieser Initiative das selbstverwaltete Kommunikationszentrum KOZ mit Sitz in St. Nikolaus (Innstraße 57). Obwohl die Räumlichkeiten wegen interner Unstimmigkeiten bereits 1979 geschlossen wurden, gingen vom KOZ wichtige Impulse für die Arbeit verschiedener gesellschaftspolitischer Initiativen aus, darunter beispielsweise die „Gruppe Behinderte-Nichtbehinderte“ und das „Frauenforum“.
Die Notwendigkeit eines eigenen Raums blieb weiterhin bestehen. Schließlich fehlte es in der „Touristenstadt“ Innsbruck an günstigen und auf den Geschmack junger Leute abgestimmten Kulturangeboten für die immer größer werdende Zahl an Studierenden. Auf universitärem Boden wurde die Idee eines Kulturzentrums 1978 erneut aufgegriffen. Inspiriert durch persönliche Kontakte zum Kultur- und Kommunikationszentrum in Nürnberg initiierten die damaligen Kulturreferenten der Österreichischen Hochschülerschaft, Norbert Pleifer und Claudius Baumann, das namensgleiche KOMM in einem leerstehenden Mehrzwecksaal der ÖH in der Josef-Hirn-Straße. Ein Vorhaben, das auch vom Akademischen Senat der Universität „volle ideelle Unterstützung“ erfuhr. Ausschlaggebend für die Realisierung des Projekts waren nicht nur die günstigen Gelegenheitsstrukturen, sondern wohl auch die guten Beziehungen der Initiatoren innerhalb der Universität.
Das KOMM sollte als selbstgestaltete, günstige, inklusive und kommunikative Freizeiteinrichtung fungieren. Es verfolgte den politischen Anspruch, gesellschaftliche Widersprüche bewusst zu machen, die Interessen von sozialen Randgruppen zu vertreten, sich kritisch mit der gesellschaftlichen Funktion der Universität auseinanderzusetzen und selbstbestimmtes Handeln durch die Mitarbeit in der selbstverwalteten sowie basisdemokratischen Organisation zu erlernen. In inhaltlichen und organisatorischen Fragen entschied ab 1979 der KOMM-Rat, das oberste beschlussfassende Gremium der Einrichtung. Der KOMM-Rat veranstaltete mindestens einmal im Monat eine öffentliche Sitzung, wobei alle Teilnehmer_innen Rede- und Antragsrecht besaßen. Stimmberechtigt waren alle Personen, die bei den letzten vier Sitzungen mindestens zweimal anwesend gewesen waren. Damit war die sonderbare Konstellation gegeben, dass das Kulturreferat der ÖH zugleich als autonomes und basisdemokratisches Zentrum geführt wurde.
Neben der politischen Ambition sollte das KOMM auch gelebter Ort kultureller Pluralität sein. Dem wurde mit einem reichhaltigen Veranstaltungsprogramm Ausdruck verliehen. Dazu gehörten Studierendenfeste, Diskussionsveranstaltungen, Lesungen, Filmabende, Vorträge, Frauentage oder Jazz-Konzerte. Viele gesellschafts- und kulturpolitische Gruppen (Gruppe Behinderte-Nichtbehinderte, Arbeitskreis Kritische Medizin Innsbruck, Autorengruppe Föhn, Innsbrucker Frauenzentrum u. v. m.) nutzten die Räumlichkeiten, darunter auch manche, die im KOZ aktiv gewesen waren. Es liegt nahe, dass damit ein wichtiger Umschlagplatz für progressive Ideen entstand, der manchen das Gefühl gab zu einer gemeinsamen „Szene“ zu gehören, während andere sich dort primär amüsieren wollten.
Die heterogenen Ambitionen, die im KOMM aufeinandertrafen, waren anfällig für Konflikte. Die Raumkapazität reichte für die vielen, teils sehr unterschiedlichen Gruppen nicht aus. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob der politischen oder der kulturellen Arbeit Priorität zukommen sollte. Spannungen gab es aber auch zwischen Gruppen, die den Raum lediglich als Treffpunkt nutzten, und jenen, die aktiv mitarbeiteten. Hinzu kamen Differenzen bei der Frage der Leitung und damit einhergehenden Machtansprüchen, die mit dem zunehmenden Erfolg der Einrichtung und der Beteiligung von neuen, immer mehr auch nicht-studentischen Gruppen manifest wurden. Einige Akteur_innen verließen deshalb 1981 das KOMM. Norbert Pleifer, der bis dahin die führende Rolle bei der Aufrechterhaltung und inhaltlichen Ausrichtung des Betriebs innehatte und als Bindeglied zwischen KOMM und ÖH fungierte, trat von seiner Funktion als Kulturreferent zurück. Mit der Änderung der personellen Zusammensetzung verschoben sich nicht zuletzt die Programmschwerpunkte. Der Ort wurde, vor allem nach der Hausbesetzung im Mai 1981, politischer. In Flugblättern wurde die Solidarität mit den Hausbesetzer_innen ausgedrückt, die mit der Aktion auf die prekäre Wohnsituation in Innsbruck aufmerksam machten. Im KOMM wurde ein eigenes Wohnungskomitee eingerichtet und zu einer Pressekonferenz geladen. Die Diskussion, an der unter anderem Vertreter_innen der Presse sowie der Wohnungsreferent und Vizebürgermeister der Stadt Innsbruck, Romuald Niescher, teilnahmen, blieb allerdings ohne Ergebnis. Nach der Räumung des Hauses in der General-Eccher-Straße fanden vorübergehend einige Besetzer_innen im KOMM Unterschlupf und nutzten den Ort immer öfter als Treffpunkt. Auch die musikalischen Programmschwerpunkte änderten sich; statt Jazz wurde vermehrt Punk und New Wave gespielt, wodurch sich auch das Besucher_innenklientel änderte. Diese schleichende Neuausrichtung des KOMM war wohl mit ein Grund, warum es immer wieder zu Konflikten mit der ÖH und Kürzungen der Subventionen (unter anderem erhalten von ÖH, Stadt Innsbruck und Land Tirol) kam.
In den Weihnachtsferien 1984/85 wurden schließlich die Schlösser ausgetauscht, ein neuer Kulturreferent über den KOMM-Rat hinweg eingesetzt und dieser damit entmachtet. Zwar wurden weitere Veranstaltungen organisiert, allerdings mit einem stärker „leute-orientierten Programm“, wie eine Stellungnahme von Beteiligten des „alten KOMM“ in der alternativen Stattzeitung kritisch anmerkte. Die teils harsche Auseinandersetzung zwischen der ÖH-Führung (dominiert von der Aktionsgemeinschaft/AG mit 7 von 17 Mandaten im Hauptausschuss) und den Mitarbeiter_innen sowie Sympathisant_innen des „alten KOMM“, die im ÖH-Medium UniPress und in verschiedenen alternativen Zeitschriften ausgetragen wurde, erfuhr in der vorübergehenden Besetzung der Hochschülerschaft im März 1985 einen Höhepunkt. Der zentrale Streitpunkt war die Verantwortung für das Budgetdefizit in Höhe von 100.000 Schilling, das sich durch den Betrieb des KOMM ergeben hatte. In Anbetracht des eskalierenden Konflikts fasste der ÖH-Hauptausschuss im Juni 1985 den Beschluss, den Kulturbetrieb im KOMM ein- und die Räumlichkeiten stattdessen der Studia-StudentenförderungsGmbH zur Verfügung zu stellen.
Neben der finanziellen Frage waren es wohl vor allem die Politisierung und die alternativkulturelle Ausrichtung des KOMM, die letztlich zu dessen Ende führten. Darüber hinaus waren bereits in der Organisationsstruktur Konflikte angelegt, die nur so lange latent blieben, wie es gute persönliche Beziehungen zwischen KOMM und ÖH gab. Dem Selbstverständnis nach war das KOMM – beeinflusst von der Jugendzentrumsbewegung – selbstverwaltet. Diese Autonomie war jedoch durch die rechtliche Anbindung an die ÖH nur partiell zu realisieren. Die Übertragung der Idee eines autonomen Raumes auf die ÖH mit ihrer vom Gesetzgeber zugewiesenen Aufgabe, für die Belange aller Studierender da zu sein, war nicht ohne weiteres möglich. Die Aufforderung, einen Raum für alternative Kultur zu schaffen, richtete sich im bewegungspolitischen Kontext an die Kommunal- und Gemeindepolitik. Das KOMM konnte aber nicht als subkulturelles Zentrum der Stadt, sondern nur als kulturelles Zentrum der Universität geführt werden.
Durch den studentischen Hintergrund des engagierten Kernteams konnte das Anliegen eines alternativen Kultur- und Kommunikationszentrums als Teil der ÖH der Universität Innsbruck realisiert werden. Der von Anfang an gegebene Widerspruch zwischen dem kritischen politischen Elan des KOMM und dem repräsentativen Auftrag der ÖH, sich mit ihrem Kulturangebot an alle Studierenden zu wenden, wurde spätestens 1981 manifest. Dies umso mehr, da die Gruppen im KOMM, die sich dem linken Spektrum zuordneten, und die ÖVP-nahe AG-Führung sich in ihren politischen Positionen und Vorstellungen von Kultur deutlich unterschieden.
Trotz des letztlichen Scheiterns gingen vom KOMM ganz wesentliche Impulse für das Innsbrucker Kulturleben aus. Norbert Pleifer, der sein Studium nie beendet hat, führt seit 1981 das Treibhaus (ab 1986 in der Angerzellgasse), ein Kulturbetrieb mit angeschlossenem Lokal, der aus der Landeshauptstadt nicht mehr wegzudenken ist. Dafür wurde im 2018 vom Bundespräsidenten der Berufstitel „Professor“ verliehen. Andere KOMM-Akteur_innen gründeten das Bogenlokal AKT in der Ing.-Etzel-Straße (1984-1987, wo sich heute der Club Tante Emma befindet). Nachdem das AKT im Gefolge der „Chaos-Tage“ im August 1986 geschlossen worden war, entstand zwischen 1989 und 1993 im Haus am Haven ein neues gegenkulturelles Projekt. Es lag im Areal des heute kommerziell orientierten Veranstaltungszentrums Hafen. Wie im Frühjahr 2019 verkündet wurde, soll das Gebäude abgerissen werden. Damit hat Innsbruck einen weiteren Veranstaltungsort verloren. Die Forderung nach einem Kultur- und Kommunikationszentrum bleibt bzw. ist erneut von tagespolitischer Relevanz.
(Marcel Amoser)
Für weiterführende Informationen zur Geschichte subkultureller Orte: https://subkulturarchiv.at/index.php, weiteres Material (Bilder, Flugschriften etc.) zum KOMM: https://subkulturarchiv.at/orte2.php?kat=komm.
Marcel Amoser, Studentischer Protest an der Universität Innsbruck von den 1960ern bis in die 1980er, in: Margret Friedrich/Dirk Rupnow (Hrsg.), Geschichte der Universität Innsbruck 1669–2019. Band II: Aspekte der Universitätsgeschichte, Innsbruck 2019, S. 337–389.
Marcel Amoser ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zeitgeschichte und arbeitet derzeit an einer Dissertation zu sozialen Bewegungen von den 1960ern bis in die 1980er in Innsbruck.