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23.6.1939: Die Vereinbarung über die Umsiedlung

Niederschrift der Besprechung über die Südtiroler Frage, stattgefunden am 23. 6. 39 von 16-17.50 im Geheimen Staatspolizeiamt, Berlin SW 11, Prinz-Albrecht-Str. 8.
(Text der deutschen Delegation)

Durchschlag


Vorsitzender:

Der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei, H. Himmler,


Italienische Teilnehmer:

Der Kgl. Italienische Botschafter, Exzellenz Attolico;

Der Kgl. Italienische Geschäftsträger Gesandter Graf Magistrati;

Der Präfekt von Bozen, Mastromattei;

Marquis Lanza d'Ajeta.


Deutsche Teilnehmer:

Staatssekretär Frhr. v. Weizsäcker, Auswärtiges Amt;

Unterstaatssekretär Woermann, Auswärtiges Amt;

Legationsrat Mohrmann, Auswärtiges Amt;

SS-Obergruppenführer Lorenz, Volksdeutsche Mittelstelle;

SS-Obergruppenführer Dr. Behrends, Stabsführer der Volksdeutschen Mittelstelle;

Gauleiter Bohle, Auslandsorganisation;

SS-Oberführer Ruberg, Stabsführer der Auslandsorganisation;

Generalkonsul Bene, Auslandsorganisation (Mailand);

Konsul Müller, Auslandsorganisation;

SS-Gruppenführer Heydrich, Chef der Sicherheitspolizei;

SS-Gruppenführer Wolff, Chef des Persönlichen Stabes Reichsführer-SS; SS-Oberführer Greifelt Abteilung 4-Jahresplan, Pers. Stab Reichsführer-SS;

Als Dolmetscher: Dr. Lange-Kowal.

Zu Beginn der Sitzung begrüßt der Reichsführer-SS, auf dessen rechter Seite Botschafter Attolico und die italienischen Herren Platz genommen haben, die Erschienenen mit herzlichen Worten, umreißt in großen Zügen die vom Führer im Einvernehmen mit dem Duce gestellte Aufgabe der Rück- und Auswanderung der in Südtirol lebenden Deutschen und betont noch einmal ausdrücklich, daß nach der vom Führer anläßlich seiner Staatsbesuche in Rom im Mai vorigen Jahres abgegebenen Erklärung die jetzige deutsch-italienische Grenze wirklich als ewige Grenze angesehen wird und alle Ansprüche auf Südtirol tatsächlich aus dem deutschen Gedankengut gestrichen werden. Mit welcher Konsequenz das Versprechen des Führers deutscherseits durchgeführt werde, gehe u. a. auch daraus hervor, daß der Führer den reichsdeutschen Ortsgruppenleiter Kaufmann der Auslandsorganisation in Bozen, der durch die ungeschickte Abhaltung eines verbotenen Gepäckmarsches an die heikle Südtiroler Frage höchst überflüssigerweise gerührt habe, sofort nach seiner befohlenen Rückkehr ins Reich in das Konzentrationslager Sachsenhausen für unbestimmte Zeit habe verbringen lassen.

Die praktische Durchführung und Abwicklung der ihm übertragenen Aufgabe sähe der Reichsführer-SS in folgenden drei Etappen als zu verwirklichen an:

1. Etappe:

Innerhalb von vier Wochen sollen unter deutschem Druck alle Reichsdeutschen aus Südtirol auswandern, soweit sie gebürtige Südtiroler sind; also nicht im Altreich geborene Reichsdeutsche, die als Handelsvertreter deutscher Firmen usw. in Südtirol tätig sind.

2. Etappe: Rück- und Auswanderung derjenigen italienischen Staatsangehörigen volksdeutscher Art, die nicht bodengebunden sind, z. B. Industriearbeiter, Handwerker, Kaufleute usw.

3. Etappe:

Also: Rück- und Auswanderung der italienischen Staatsangehörigen volksdeutscher Art, die bodengebunden sind.

Der Reichsführer-SS bat den italienischen Botschafter, zu diesen Vorschlägen Stellung zu nehmen und alle italienischen Wünsche freimütig zu äußern.

ließ als Antwort durch den Gesandten Graf Magistrati eine schriftlich ausgearbeitete Denkschrift verlesen, die zum Ausdruck brachte, daß der italienische Botschafter in der Durchführung des gemeinsam vom Führer und vom Duce beschlossenen Planes einen Akt höchster politischer Weisheit erblicke, daß es jedoch notwendig sei - wie er sich ausdrückte -, alle Würmer zu vernichten, die an der Realisierung der Aufgabe nagten. Sehr erschwerend sei der starke Widerstandsgeist der Südtiroler, vor allem im Alto Adige, Trento, Belluno.

Der Duce wisse sehr wohl, daß diese schwierige Aufgabe nicht ("nicht" - handschriftlich verb. d. V.) durch die Berührung des Problems mit einem Zauberstab im Handumdrehen gelöst werden könne, jedoch erscheine ihm besonders wichtig, daß einmal ein Anfang gemacht werde.

Die Hauptschwierigkeiten gingen von den Tausenden ehemaliger österreichischen Untertanen aus, die durch die Heimkehr der Ostmark ins Reich nunmehr Reichsdeutsche geworden seien, jetzt aber sozusagen den Generalstab des Widerstandes der Südtiroler bildeten, und hier müsse der Anfang gemacht werden. - In der Tatsache, daß der Reichsführer-SS vom Führer mit der Durchführung dieser Aufgabe betraut worden sei, sähe der Duce die beste Erfolgsgarantie für die Zukunft.

Zur Aufheiterung der Lage werde auch Italien jeden nötigen Beitrag gerne leisten, so sei z. B. in Zusammenhang mit dem oben vom Reichsführer-SS geschilderten Fall des Ortsgruppenleiters Kaufmann in Bozen der faschistischen Federale von Bozen auf Befehl des Duce abgelöst worden.  - Exc. Attolico schließt mit einem herzlichen Gruß an die deutschen Kameraden und mit der Versicherung bester und aufrichtiger Mitarbeit, die vor keiner Arbeit und Schwierigkeit zurückweicht.

Der Reichsführer-SS

dankt für die Deklaration des italienischen Botschafters und gibt auch seinerseits der festen Überzeugung Ausdruck ("Ausdruck" handschriftl. hinzugefügt; d. V.) auf eine gute Lösung des durch den Duce und den Führer gestellten Auftrages in Anbetracht der engen und herzlichen Freundschaft der beiden Länder und der hier versammelten Herren.

Zur Lösung der 1. Etappe will der Reichsführer-SS festgestellt haben, ob die ihm von italienischer Seite genannte Zahl von 10.000 in Südtirol lebenden Reichsdeutschen stimmt. Laut Angabe des Generalkonsuls Bene Mailand gab es vor etwa zwei Monaten in Südtirol:

Altreichsdeutsche 1242
ehemalige Österreicher,
jetzt Reichsdeutsche Sudetendeutsche und Reichsdeutsche
3783
aus dem Protektorat Böhmen-Mähren 658
zus. 5683
dazu Kinder unter 18 Jahren ca. 2000

In diesen Zahlen sind nicht enthalten Juden und Mischlinge, die größtenteils abgewandert sind. Nach den Listen des Generalkonsuls Bene sind von den vorstehend aufgeführten im letzten Jahre 655 Reichsdeutsche aller Kategorien zurückgewandert.

Im Gegensatz zum vorigen Jahr nähme der Wunsch der ehemaligen österreichischen Reichsdeutschen zur Rückwanderung ins Reich neuerdings stark zu. Bis heute lägen etwa 1000 bis 1100 Rückwanderungsgesuche, hauptsächlich von ehem. Österreichern, vor, von denen die Mehrzahl nicht bodengebunden sei.

Die Zahl der ehemaligen österreichischen Pensionäre in Südtirol wird von Bene auf 500 bis 600 geschätzt, die größtenteils Familie hätten.

Der Präfekt von Bozen

weist darauf hin, daß sehr genau unterschieden werden müsse

1) zwischen deutschen Staatsangehörigen,

a) Altreichsdeutsche, die die deutsche Staatsangehörigkeit vor der Eingliederung Österreichs und Sudetenland und des Protektorates erworben hatten, und

b) die sie durch bzw. nach der Eingliederung Österreichs erworben haben.

2) Italienische Staatsangehörige deutschen Ursprungs und deutscher Sprache.

Der Präfekt gibt die Zahlen der in Südtirol lebenden Reichsdeutschen mit ca. 2000 Menschen mehr an als sie in den Listen Bene's erfaßt sind. Die Differenz wird damit erklärt, daß nicht alle Reichsdeutschen sich beim Deutschen Konsulat gemeldet haben, teils aus passiver Resistenz, zum größten Teil allerdings in Unkenntnis der Gesetze (Schwerfälligkeit der Gebirgsbauern etc.).

Gegen das Verbleiben der Altreichsdeutschen, also nichtgebürtigen Südtiroler habe der Präfekt keinerlei Bedenken, im Gegenteil: diese rein Deutschen stellten die besten Elemente dar, deren Anwesenheit Italien in jeder Weise erwünscht sei. Dagegen müßten die früheren Österreicher unbedingt aus Südtirol entfernt werden.

Schwierig und peinlich sei für die Italiener noch zu unterscheiden und zu entscheiden, wer ist Deutscher und wer Italiener 1. oder 2. Grades.

Die Zahl der italienischen Staatsangehörigen deutschen Ursprungs und deutscher Sprache sei nicht einfach festzustellen. Es handle sich um ca. 200.000, davon seien jedoch etwa 100.000 italienischer oder fast italienischer Abstammung. Die völkische Verschmelzung sei unter dem alten Habsburger Staat infolge der häufigen Versetzung österreichischer Beamten von Ungarn und anderer ehemaliger österreichischer Gebietsanteile sehr weit fortgeschritten.

Die Frage, wer von diesen 200.000 italienischen Staatsangehörigen deutschen Ursprungs sei und die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen bekommen soll, wird zwischen dem Präfekten von Bozen und Bene dahingehend übereinstimmend gelöst, daß in allen Fällen, in denen die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt wird, die Auswanderung nach Deutschland von den italienischen Stellen nicht nur gebilligt, sondern gefördert und unterstützt wird.

Im übrigen bestehe die Schwierigkeit, daß das deutsche Gesetz die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit von einem vorausgegangenen Aufenthalt von 5 Jahren in Deutschland abhängig mache. Außerdem sei eine Regelung der italienischen Dienstpflicht für die auswandernden Südtiroler nötig.

Im übrigen sei es wichtig, die Wiederholung von Südtiroler Fällen als Problem verschwinden zu lassen, am besten durch eine enge Verbindung und Zusammenarbeit der italienischen und deutschen Regierung. Diese Feststellung sei in der Theorie zweifellos richtig, die Praxis sähe jedoch anders aus. Zahlreiche deutsche Touristen sprächen bei ihrer Anwesenheit in Südtirol laut von der kommenden Befreiung und forderten die Südtiroler zum Widerstand auf.

Reichsführer-SS

bemerkt hierzu, sicher sei es schwierig, da deutsche Zeitungen für die Touristen öffentlich kaufbar seien und man sich überlegen müsse, wie man den Kauf deutscher Zeitungen durch nichtreichsdeutsche Italiener verhindern wolle. Dem Reichsführer-SS sei dieses Problem wohlbekannt, trotzdem müsse es gelöst werden und deswegen seien wir ja heute zusammen. Im übrigen verspräche der Reichsführer-SS sich von der Verbringung des Ortsgruppenleiters Kaufmann in das Konzentrationslager eine erzieherische Wirkung für die Zukunft.

Exz. Attolico

sagt, deutsche Touristen in Rom, Bari und Sizilien seien dort nicht nur gut, sondern eher gern gesehen und ein wichtiger Beitrag zur Verbrüderung der beiden befreundeten Nationen, in Südtirol dagegen Ursache ständiger Reibereien und Unruhen.

Der Präfekt von Bozen

Den schlimmsten Unruheherd bilde Innsbruck. Alltäglich kämen Scharen von deutschen Autos im sogenannten kleinen Grenzverkehr über die Grenze, die oft Propagandaschriften mit sich führten und nachweisbar verteilten.

Reichsführer-SS

glaubt nicht recht, daß der Ausgangspunkt der Südtiroler Propaganda Nordtirol sei, da dort viel zu strenge Strafen von ihm verhängt worden seien, vielmehr glaubt er an die deutsche Schweiz als Ausgangspunkt. Ferner schreibt er der Tätigkeit der Geistlichen sowohl in Nord- als auch in Südtirol sehr viel Mitschuld zu. Bekanntlich suchten alle gegnerischen Kräfte den sogenannten wunden Punkt, um ihr Gift darauf zu träufeln und die deutsch-italienische Achse zu stören. So predigten z. B. die katholischen Geistlichen, die sonst nicht allzu patriotisch eingestellt seien, in Südtirol auf einmal die Vereinigung mit dem Reich mit den Worten "Es müssen nur einmal Blutopfer fallen, dann kann der Führer eingreifen."

Daher richtet der Reichsführer-SS, der selbst begreiflicherweise zu dem Vatikan keine allzu herzlichen Beziehungen habe, an Attolico die Bitte, bei dem Vatikan die Abstellung dieser die Achse störenden Propaganda der katholischen Geistlichen zu erwirken.

Der Präfekt von Bozen

gibt an, daß besonders eine Druckerei in Innsbruck diese Propagandaschriften herstelle.

Reichsführer-SS

bittet um Namensangabe, verspricht sofortige Beschlagnahme und Enteignung aller katholischen Druckereien in Nordtirol. Derartige Maßnahmen haben erfahrungsgemäß auch im Reich sehr gut unterbindend gewirkt.

Reichsführer-SS schlägt vor, bei der Rückwanderung aller politisch unangenehmen Reichsdeutschen mit schärfstem Druck von deutscher Seite aus vorzugehen, um sie zu einer Rückkehr ins Reich innerhalb von drei Monaten zu zwingen. Bei allen österreichischen Beamten und Pensionären soll ab 1. 9. 39 bei Nichtrückkehr ins Reich die Streichung der Pension angedroht und durchgeführt werden.

a) Reichsführer-SS will in München eine Zentralstelle für die Einwanderung der Südtiroler errichten, die im Gegensatz zu den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen die Einbürgerung dieser Südtiroler innerhalb 4 Wochen vornimmt.

Bitte des Reichsführer-SS: Der Reichsführer-SS gibt eine Liste derjenigen Namen der Auswanderer an die italienische Botschaft wegen Befreiung von dem italienischen Heeresdienst.

Weiterer Vorschlag: Einrichtung einer staatlichen italienischen Stelle zum Aufkauf des Bodens durch den italienischen Staat unter Zuziehung eines deutschen Treuhänders vom Generalkonsulat. Dieser Vorschlag wird von italienischer Seite voll und ganz angenommen, er sei in Italien ohnehin üblich. Italien stelle darüber hinaus gerne als Gegenkontrahent der deutschen Zentralstelle eine italienische Zentralstelle zur Hilfe auf.

Die Gefahr des Verkaufs deutscher Geschäfte und deutschen Bodenbesitzes zu Schleuderpreisen oder zu einem unangemessenen Umrechnungskurs der Lire wird somit behoben und gleichzeitig vermieden, daß die späteren Auswanderer sich unter Berufung auf etwaige Verluste der zuerst Ausgewanderten gegen eine Auswanderung mit Recht sträuben können.

b) Auf die nicht-bodengebundenen italienischen Staatsangehörigen deutscher Art soll ebenfalls ein starker Druck ausgeübt werden. Vorschlag Reichsführer-SS: Einrichtung einer amtlichen deutschen Aus- und Rückwanderungsstelle in Italien zu plakatieren, die von der Auslandsorganisation zusammen mit der Volksdeutschen Mittelstelle einzurichten wäre. Von der Plakatierung verspricht Reichsführer-SS sich eine große politische und psychologische Wirkung. Man werde sich in Südtirol dann sagen müssen, das Reich hat gesprochen, es wird nun ernst.

Bene's Frage,

wie wird der Verkaufserlös von Lire in Mark transferiert, verweist Reichsführer-SS zur Lösung an das Auswärtige Amt zur gemeinsamen Regelung mit der italienischen Botschaft.

Reichsführer-SS

stellt sich die Auswanderung der nicht-bodengebundenen Bevölkerung italienischer Staatsangehörigkeit deutscher Art wie folgt vor: Die amtliche deutsche Auswanderungstelle hilft dem Auswanderer gemeinsam mit der zu errichtenden italienischen Stelle. Der Auswanderer erhält von der zentralen deutschen Einwanderungsstelle in München samt Familie die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Auswanderer wird aus dem italienischen Heeresdienst entlassen. Die italienische Regierung erläßt hierzu eine Abänderung des bisherigen italienischen Gesetzes.

Auch bei dieser Kategorie von Auswanderern glaubt Reichsführer-SS an praktischen Erfolg in Bälde und verspricht sich aus bewiesenem guten Willen sehr viel. Einen Teil der Auswanderer gedenkt der Reichsführer-SS in Nordtirol unterzubringen, da Nordtirol teilweise sehr menschenarm ist. Als Sicherung gegen einen Rückstrom soll scharfes Triptik- und Grenzschein-Verbot ausgesprochen werden.

Attolico

vertritt demgegenüber den Standpunkt, bei einer Umsiedlung nur nach Nordtirol sei das Problem Südtirol lediglich nach Nordtirol verschoben, jedoch nicht gelöst. Er sähe in einem Kontakt der nach Nordtirol ausgewanderten Tiroler mit den zurückbleibenden Südtirolern eine große Gefahr.

Reichsführer-SS

(unangenehm berührt von dieser Einmischung in innerdeutsche Verhältnisse, - denn was geht die Italiener es an, wohin wir die Südtiroler umsiedeln?) sagt zu der geschickt beschwichtigenden Bemerkung des Gesandten Magistrati, die Anregung seines Botschafters möge nicht verübelt werden, sie bedeute lediglich ein offenes Wort unter Freunden, ob 400.000 Nordtiroler und Südtiroler an der Grenze Italiens wohnen, bilde seiner Meinung nach keine Gefahr. Die Tiroler fühlten sich stets als Gesamtvolk. Außerdem sei der Tiroler Gauleiter Hofer ein sehr energischer und linientreuer Mann, der für die klare Einhaltung des Willens des Führers bürge.

Im übrigen werde der Reichsführer-SS - im Hinblick auf das Vorbringen der Italiener, daß in Südtirol durch die an jedem Wochenende sich wiederholenden zahlreichen Besuche von Tirolern mit Autos aus Innsbruck und Nordtirol die Stimmung immer wieder gefährdet würde - von deutscher Polizeiseite aus das häufige Autofahren von Nordtirol nach Südtirol unterbinden. (SS-Gruppenführer Heydrich wurde Einziehen der kleinen Grenzscheine und Triptiks innerhalb drei Tagen aufgetragen.) Ebenso wurde Anweisung erteilt, durch den Fremdenverkehrsverband usw. bekanntzugeben, daß lt. italienischem Gesetz an ausländischen Wagen neben der deutschen Landesflagge am Kühler auch die italienische vorhanden sein muß. An den Grenzübertrittsstellen müssen kleine italienische Autoflaggen käuflich zu erwerben sein. Deutsche Polizeistellen werden angewiesen, deutsche Wagen ohne zusätzliche italienische Flagge die Grenze nicht passieren zu lassen. Für Veröffentlichung dieses italienischen Gesetzes in den dt. Zeitungen wird Sorge getragen.

Reichsführer-SS

bittet zur Realisierung der Grenzbestimmungen die italienische Miliz bzw. die Militärpatrouillen etwas zu bremsen. Z. B. sei vor einigen Monaten der deutsche Generalleutnant Döhla (sic!) etwa 300 Meter von der Grenze entfernt auf deutschem Boden von einer italienischen Patrouille auf seinen Ausweis hin kontrolliert worden. Reichsführer-SS empfiehlt, die italienischen Maßnahmen nicht zu öffentlich in Erscheinung treten zu lassen.

Präfekt von Bozen

erbittet Angabe über Ort und Tag dieses Zwischenfalls zwecks Nachprüfung. Das Ganze sei ein Problem von Grenzkontroll-Psychose.

Es wird nunmehr die Errichtung einer deutschen Haupt-Aus- und Rückwanderungstelle in Bozen (ital. Bolzano) und 4 weiterer Aus- und Rückwandererstellen in Meran, Brixen, Brunneck (sic) und Sterzing (italienische Bezeichnung der Orte: Merano, Bressanone, Brunico, Vipiteno) beschlossen.

Diese Stellen werden ganz offiziell mit reichsdeutschen Leitern und Angestellten in den wichtigsten Straßen der Stadt errichtet, da sie ja auch zugleich die offizielle Meinung des deutschen Reiches über die Aus- und Rückwanderung dokumentieren müssen. Sie haben die Aufgabe, die reichsdeutschen Rückwanderer und die volksdeutschen Auswanderer zu beraten, deren Anmeldungen anzunehmen und im Verein mit gleichgestellten italienischen Behörden und Auswanderungsämtern alle Formalitäten zu erledigen.

Als Gegenkontrahenten werden von der italienischen Regierung italienische Dienststellen in den gleichen Orten errichtet, die mit den deutschen Stellen Hand in Hand engstens zusammenzuarbeiten haben.

Bene

fragt: Wer stellt die Devisen für die Einrichtung der Büros und Fahrgelder der Rückwanderer?

Reichsführer-SS

beauftragt SS-Oberführer Greifelt von der Abteilung 4-Jahresplan Persönl. Stab RFSS mit der Rücksprache mit Staatssekretär Körner. Für die gesamte Auswanderungsabwicklung bittet der Reichsführer-SS um etwas großzügige Anweisung an die ganze italienische Polizei und an die italienischen Behörden.

Attolico

wünscht enges und häufiges Zusammenkommen zwecks Aussprache.

Weizsäcker:

Frage, ob italienischer Gegenkontrahent unter dem Präfekten von Bozen ein Zentralamt in Bozen mit 4 Nebenstellen, wie die deutsche Stelle, einrichte. - Bejahung von italienischer Seite.

Bene

stellt die Frage der Veröffentlichung in der Presse.

Reichsführer-SS

rät davon zunächst ab. Erst nach Eröffnung der deutschen Auswandererstellen soll eine kurze Veröffentlichung über die Tatsache der Errichtung dieser Stellen und darüber, daß diese im Einvernehmen zwischen den italienischen und deutschen Behörden erfolgt ist, erscheinen.

Attolico

glaubt, daß mit Vorstehendem die richtungsgebende Sitzung abgeschlossen sei; stellt noch die Frage, an wen sich in Zukunft die italienischen Stellen zwecks Durchführung der praktischen Arbeiten wenden sollen.

Reichsführer-SS

macht SS-Oberführer Greifelt von der Abteilung 4-Jahresplan Persönlicher Stab RFSS für die deutsche Seite namhaft.

Attolico

nennt den Gesandten Graf Magistrati für die italienische Seite.

Für die Errichtung und Durchführung soll in Südtirol deutscherseits Generalkonsul Bene, italienischerseits der Präfekt von Bozen zuständig sein.

Quelle: Walter Freiberg, Südtirol und der italienische Nationalismus. Entstehung und Entwicklung einer europäischen Minderheitenfrage. Quellenmäßig dargest. v. Walter Freiberg, hsrg. v. Josef Fontana, Bd. 2: Dokumente (Schlern-Schriften 282/2), Innsbruck 1990, S. 548-554.