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Galli-Bibiena, Ferdinando |
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GALLI-BIBIENA,
Ferdinando |
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1.
GALLI-BIBIENA, Ferdinando
Bibiena-Galli, Galli da Bibiena,
Bibiena
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2.
BERUFSBEZEICHNUNG
Theater-Ingenieur:
1. kaiserlicher Theatralingenieur in Wien
Architekt: Theaterbau
Maler: Theaterdekoration, Quadraturmalerei
(Thieme-Becker, AKL,, Bd. 3, 1920) |
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3. BIOGRAPHIE
* 18.08.1657, Bologna
03.01.1743
Ferdinando
war der wohl hervorragendste Künstler der Familie
Galli-Bibiena.
Die Ausbildung in der Malerei erfuhr Ferdinando
bei Giovanni Ghisolfi und Carlo Cignani. Die Baukunst lehrten
ihn Antonio Mannini, Moro Aldobrandini (Mauro Aldrovandini) und
Giulio Trogli (Trogoli,Troili).
Seine große Vorliebe galt
der Theaterdekoration. In seiner Heimat feierte er große
Erfolg durch seine Theaterszenarien.
Cignani empfahl ihn dem Herzog
von Parma, der ihn zu seinem "ersten Maler und Architekten"
ernannte. Nach Zanotti
(Zanotti, Storia dell'Accademia Clementina)
stand Ferdinando 1683 bis 1711 im Dienste der Familie Farnese in Parma,
wo er auch seine Frau Corona Stradella, mit der er vier Kinder
hatte, kennen gelernt hatte.
Sein Ruf als Architekt und Maler,
insbesondere seine ruhmreiche Theaterdekorationsmalerei, ging
bald über Italien hinaus.
1708 wurde er von König Karl
III. zu dessen Hochzeitsvorbereitungen nach Barcelona berufen
und von diesem zum "Capo
mastro maggiore e pittore di Camera
e feste di Teatro" ernannt. Nach Parma zurückgekehrt,
publizierte er sein theoretisches Hauptwert "L'architettura
Civile, preparata su la Geometria e ridotta alla Prospettiva"
(Parma, 1711).
1712 wurde Karl III. nach dem Tod Josef I. als
Karl VI. zum Kaiser gekrönt. Im selben Jahr trat Ferdinando
in dessen Dienste und übersiedelte mit seinem kaiserlichen
Herrn nach Wien. Erste Zeugnisse seiner Tätigkeit in Wien
waren Trauer-
Ehrengerüste für Verstorbene der kaiserlichen
Familie (Brix, in: Wr. Jhb. f. Kg., Bd. XXVI; Hadamowsky, S. 22).
Es folgte
eine Vielzahl pompöser Festvorbereitungen und Operninszenierungen,
mit deren Leitung Ferdinando beauftragt wurde.
1715 unterlag er
gegen J.B. Fischer von Erlach und J. Lukas von Hildebrandt im
Wettstreit um die Karlskirche. Ein
beginnendes Augenleiden brachte
ihn wieder in seine Heimat, wo er sich durch eine Operation Heilung
erhoffte. Aufgrund
seiner zunehmenden Dienstuntauglichkeit bat
er um die Erlaubnis, sich ständig in Italien aufhalten zu
dürfen, wo er eine Professur an der Accademia Clementina
erhielt und sich vermehrt seinen theoretischen Abhandlungen widmete
(Bibiena, Ferdinando, L'Architettura Civile, Parma1711, Reprint:
New York 1971; Bibiena, Ferdinando, Direzioni a'giovani studenti
nel disegno dell'Architettura civile, 2 Bde., Bologna 1731/32).
1723 bat er um die Vergabe der Stelle des ersten und zweiten Theatralingenieurs
an seine beiden Söhne Giuseppe und
Antonio, deren Arbeiten
bis dahin in Wien ebenso größtes Lob erfahren hatten.
Den Titel des "ersten Architekten und Theateringenieurs"
hatte Ferdinando 1717 vom Kaiser selbst erbeten (Protokoll des
Obertshofmeisteramtes in Hofsachen, Staatsarchiev, Vol. 1713-1717.
fol.636,642).
Am 1. Oktober 1726 wurde Ferdinando offiziell in
Wien entlassen. Sein Wiener Aufenthalt überschneidet sich
mit seiner Tätigkeit in seiner Heimat, wo er sowohl theoretisch,
wie auch praktisch tätig war. Beispiele erhaltener und sicher
Ferdinando zuzuschreibender Bauwerke finden sich nur in Italien:
So die Villa und die Gärten in Colorno, die er für den
Herzog von Parma errichtet hatte, ebenso in Parma die Kirche S. Antonio
Abate, das Teatro reale in Mantua und der Arco del Meloncello
in Bologna. Er zählte eine Vielzahl von Künstlern zu
seinen Schülern: Nahezu sämtliche Vertreter der Bologneser
Schule sowie den Wiener Architekten Anton Ospel (Ilg, in: Ber.
u. Mitt. Wr. AltVer., Bd.24, S. 97ff.). |
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4.
WERKE (WIEN)
4.1 Szenische
Werke für die Opern am Wiener Hof, 1713-1716
Ferdinandos
Tätigkeit für die Opern am Wiener Hof ist mit Zusätzen
zu seinen Dekorationsarbeiten bei Franz Hadamowsky genau verzeichnet
(Hadamowsky, Franz, Die Familie Galli-Bibiena in Wien. Leben und
Werk für das Theater, Wien 1962; weitere Literaturangabe
siehe Bibliographie). Den Rahmen für alle Gattungen theatralischer
Aufführungen schufen die Theatralarchitekten und die Umsetzung
dieser Entwürfe in die Realität war Aufgabe der Theatermaler.
Seit 1710 waren diese Aufgabenbereiche den Mitgliedern der Familie
Galli-Bibiena am Wiener Hof zugefallen. Auf Ferdinando geht die
Idee einer
"nuova prospettiva delle scene teatrali vedute
per angolo" zurück, die er ausführlich im vierten
Teil seiner "Direzioni nel
disegno d`Architettura civile" (Bologna,
1725) beschreibt. Das bis dahin starre Bühnenbild konnte
somit belebt werden und
ließ die Opern in noch größerem
Glanz erscheinen.
4.2 Trauerkatafalk für Anton Ulrich Herzog von Braunschweig
und Lüneburg-Wolfenbüttel, 1714
Eines der
ersten Zeugnisse seiner Tätigkeit in Wien, war der am 24.
April 1714 errichtet Trauerkatafalk für Herzog Anton
Ulrich.
Die Castra doloris waren in der Hofkirche, der Augustinerkirche
aufgestellt. Sie wurden wie alle Hofangelegenheiten in den Wiener
Zeitungen der Zeit, dem "Wienerischen Diarium" und dem
"Corriere ordinario" beschrieben. Eine genaue Auf-
listung
der den Mitgliedern der Familie Galli-Bibiena zugeschriebenen
Castra doloris mit einer detaillierten Quellenangabe
findet sich
bei Franz Hadamowsky.
4.3 T.rauerkatafalk
für Karl Herzog von Berri, 1714
4.4 Trauerkatafalk
für Ludwig XIV. König von Frankreich, 1715
4.5 Trauerkatafalk
für Karl Joseph Ignaz Anton, Herzog von Lothringen, Erzbischof
von Trier, 1715
4.6 Wettbewerbsmodell
für die Karl-Borromäuskirche, 1715
1715 beteiligte
er sich am Wettbewerb für den Entwurf zur Karl-Borromäuskirche,
unterlag jedoch wie J.L. von Hildebrandt
gegen Fischer von Erlach.
Von den Konkurrenzentwürfen ist in den Baurechnungen erst
1717 die Rede, obwohl mit den Erdaushebungen bereits im Dezember
1715 begonnen worden war. Schlager publizierte die Baurechnungen
der Karlskirche
von 1716, aus denen Zahlungen an den Tischler
für das, nach Angaben Ferdinandos, gefertigte Modell hervorgehen.
Er
erwähnt das Modell Bibiena's auch im Zusammenhang mit
den verwendeten Materialien (Schlager, Donner, Beilage IV.,
S.
127-141). Die Konkurrenz erwähnt auch Schimmer: In den Baurechnungen
kommen Zahlungen für das Modell Bibiena's
und Hildebrandt's
vor, dessen Modell der Kaiser sofort verworfen haben soll (Schimmer,
S. 23).
4.7 Beteiligung
am 2. Kirchenprojekt der Piaristenkirche, Pfarrkirche Maria Treu,
1715/16
1698 erfolgte
die Grundsteinlegung des erste Kirchen- und Klosterprojekts durch
Kaiser Leopold I. 1715/16 kommt es zu
einem zweiten Kirchenprojekt
von Franz Jänggl oder J.L. von Hildebrandt.
In der Kontrollfunktion
wird Ferdinando Galli-Bibiena genannt.
4.8 Trauerkatafalk
für Johann Willhelm, Pfalzgraf bei Rhein, 1716
Die Aufstellung
dieses Trauer-Ehrengerüsts ist mit dem 04. August 1716 angegeben.
4.9 Festdekoration
anlässlich der Geburt Erzherzogs Leopold Johann, 1716
Sein Talent
für pompöse Festdekorationen konnte Ferdinando am 13.
April 1716 anlässlich der Geburt des Kaisersohnes, Erzherzog
Leopold Johann, zur Schau stellen. Die Beschreibung dieses "feenhaften
Nachtfestes" kann man bei Zanotti, in seiner "Storia
dell'Accademia", ein Werk, das zu Lebzeiten Ferdinandos erschien,
nachlesen (Zanotti, Giampietro, Storia dell'Accademia Clementina
di Bologna, 1739).
4.10 Festdekoration
anlässlich des Geburtstages Kaiser Karl VI., 1718
Zum 33. Geburtstag
des Kaisers veranstaltete er die prachtvolle Illumination des
Palais Liechtenstein in der Rossau, die
uns in Kupferstichen überliefert
ist (C.G.Heraeus, Inscriptiones et Symbola varii argumenti, 1721,
S. 109 ff.).
4.11 Trauerkatafalk
für Kaiserin Eleonora Magdalena, 1720
Laut Albert
Ilg findet sich bei Heraeus eine Darstellung dieses am 3. März
1720 aufgestellten Castrum doloris
(Ilg, S. 624 Anm. 39).
4.12
Im Stil der Galli-Bibiena wurde das Schönbrunner Schlosstheater
errichtet.
Der Entwurf stammt vermutlich von N. Pacassi, der das
älteste Theater Wiens in der Art der Galli-Bibiena, mit frühklassi-zistischen
Elementen, mit reichem Dekor und von erlesenem Geschmack, erbaute.
Im Theaterbau und der Szenerie galt die Familie Galli-Bibiena
als Präzedenzfall. Ferdinandos ausgeprägter Sinn für
das Prachtvolle, seine unerschöpfliche Phantasie machten
ihn zum Klassiker. Albert Ilg nennt ihn den "Superlativ der
Barocke". Ferdinandos prächtiger und fröhlicher
Stil, entsprach dem Wiener Wesen jener Zeit, die das Theater und
die Oper so sehr liebte, den üppigen Prunk und die Festtagsstimmung
(Deleglise, Oskar, Das Schönbrunner Schloßtheater,
1947; Frey, Dagobert, Das Schönbrunner Schloßtheater.
Das Theatergebäude und seine Geschichte, Wien, 1924; Fürst
J. J. Khevenhüller-Metsch, Obersthofmeister, Tagebuch "Aus
der Zeit Maria Theresias" für die Jahre 1742-1776).
4.13 Entwurfszeichnungen
der Albertina in Wien
Dank der erhaltenen
Operntextbücher, in denen Szene und Szenenkünstler des
Theaters am Wiener Hof angegeben sind,
weiß man von einer
kleinen Zahl von wem der Entwurf stammt (Birke, Veronika (Hg.),
Die Italienischen Zeichnungen der Albertina, Generalverzeichnis,
Inv.2529-2533; Gregor, Joseph, Wiener szenische Kunst, Bd. 1:
Die Theaterdekorationen der letzten drei Jahrhunderte nach Stilprinzipien
dargestellt, Wien, 1924; Hadamowsky, Franz, Die Familie Galli-Bibiena
in Wien. Leben und Werk für das Theater, Wien 1962). |
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5.
ABBILDUNGEN
4.13
(Birke, Veronika (Hg.), Die Italienischen Zeichnungen der Albertina,
Generalverzeichnis, Inv.2529-2533)
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6.
BIBLIOGRAPHIE
Quellen:
Crespi, Luigi,
Felsina pittrice, III, 1769
Freddy, Descrizioni di Vienna, I, 1800
Füssli, Künstlerlexikon, Nachtrag, 1808
Geusau, IV
Gurlitt, Cornelius, Geschichte des Barockstils in Italien, Stuttgart
1887
Gurlitt, Cornelius: Geschichte des Barockstils und des Rokokos
in Deutschland, Stuttgart 1889
Lanzi, Luigi, Storia pottorica d'Italia, Bassano 1789
Milizia, II
Zanotti, Giampietro, Storia dell'Accademia Clementina di Bologna,
2 Bde., 1739
Sekundärliteratur:
Baur-Heinhold, Margarete, Theater des Barock, München 1966
Birke, Veronika (Hg.), Die Italienischen Zeichnungen der Albertina,
Generalverzeichnis, Bd. III (1995), Bd. VI (1997)
Brix, Michael, Trauergerüste für die Habsburger in Wien,
in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Bd. XXVI, Wien-Köln-
Graz
1973
Dehio-Handbuch, Die Kunstdenkmäler Österreichs, Wien
I., Wien 1993
Gregor, Joseph, Die Galli-Bibiena, Meister des italienischen Bühnenbildes
in Deutschland, in: Monatsschrift der deutsch-italienischen Gesellschaft,
1, 1942 Gregor, Joseph, Wiener szenische Kunst, Bd. 1: Die Theaterdekorationen
der letzten
drei Jahrhunderte nach Stilprinzipien dargestellt,
Wien 1924
Hadamowsky, Franz, Die Familie Galli-Bibiena in Wien. Leben und
Werk für das Theater, Wien 1962
Ilg, Albert, Fischer von Erlach, Wien 1895
Ilg, Albert, Vergessene Künstler Österreichs, in: Kaiserlichen
Wiener Zeitung, 1883. Nr.287, 288
Januschke-Mietling, Eva, Der Wandel der Bühnengestaltung
bei Ferdinando Galli-Bibiena. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte
des Theaters. Diss., Jena 1945 Lackowitz, W., Die Familie Bibiena.
Ein Blatt aus der Geschichte des Berliner Opernhauses,
in: Sonntagsbeilage
5 der Vossischen Zeitung, Nr.49, 29.01.1882
Leixner, Othmar, Baustillehre und Baugeschichte, Wien 1919
Mayor, Alpheus Hyatt, The Bibiena Family, New York 1945
Missong, Alfred, Heiliges Wien. Ein Führer durch Wiens Kirchen
und Kapellen Wien 1970
Polleroß, Friedrich, Fischer von Erlach und die Wiener Barocktradition,
Wien 1995
Ricci, Corrado, I Bibiena architetti teatrali, Milano 1915
Riesenhuber, P. M., Die kirchliche Barockkunst in Österreich,
Linz 1924
Schimmer, K.A., Wien seit 6 Jahrhunderden, I
Sievernich, Gereon (Hg.), Das Buch der Feuerwerkskunst, Nördlingen
1987
Solf, Sabine, Festdekoration und Groteske, Baden-Baden 1975
Tintelnot, Hans, Barocktheater und barocke Kunst. Die Entwicklungsgeschichte
der Fest- und Theaterdekorationen in ihrem Verhältnis zur
barocken Kunst. Berlin 1939
Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler,
Bd. 3, Leipzig 1920 |
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©Marianne
Faustmann, April 2002 |
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