... Zeug­nisse über kör­per­liches Uebel­befinden ...

Manche Themen sind über die Jahr­hunderte zu verfolgen. Inwieweit kann man den zur nachträglichen Entschuldigung des Fehlens bei Lehr­veran­staltungen mit Anwesen­heits­pflicht rasch beigebrachten ärztlichen Attesten Glauben schenken, wie ihre Glaubwürdigkeit kontrollieren?

Schreiben Gubernium an Lyzealrektorat v. 28. Februar 1825. UAI, Rektorat 1822–1826.
Transkription:

Nachdem ich durch ämtliche Anzeige in Kenntniß gekommen bin, daß hiesige Aerzte sich schon mehrere Mahle beiliesen, Studierenden, die vollkommen gesund waren, aus Faulheit aber, oder aus Hang zum Vergnügen die Vorlesungen nicht besuchten, Zeugnisse über körperliches Uebelbefinden auszustellen, und auf diese Weise die Professoren denen die Aufsicht über den richtigen Schulbesuch obliegt, zu täuschen, so finde ich dem Lyzeal Rektorate aufzutragen, sämtliche Professoren zu erinnern, aerztlichen Zeugnissen über das Befinden der hiesigen Studenten in Hinkunft keinen blinden Glauben zu schenken, sondern sich im geeigneten Wege bei den respektiven Kost= und Quartiergebern, um die Wahrheit der Angabe zu erkundigen, und im Falle sie die Angabe unrichtig fänden, sogleich die Anzeige an das Rektorat zu machen, welches mich hievon unverzüglich in Kenntniß zu setzen haben wird.

Schreiben Gubernium an Lyzealrektorat v. 28. Februar 1825. UAI, Rektorat 1822–1826.

Das Studium am Lyzeum war mit einem genauen Stundenplan recht schulmäßig geregelt. Die Studenten hatten anwesend zu sein, waren es aber nicht immer. Eine ärztliche Bestätigung sollte sie vor Rüge/Strafe bewahren. Offensichtlich gingen einige Ärzte recht locker damit um. Auch hier ist wieder  die Kontrolle der Professoren im „privaten“ Bereich der Studenten gefragt. Sie sollten Mittel und Wege einer erfolgversprechenden Nachforschung finden und Meldung ans Rektorat machen. Die geforderte Meldung ans Gubernium dürfte weniger mit den Studenten als mit den beschuldigten Ärzten in Zusammenhang bringen zu sein, gegen die das Gubernium wohl vorgehen wollte, um diesen Missbrauch abzustellen. Wer die „ämtliche Anzeige“ erstattet hat, geht leider aus dem Schreiben des Gouverneurs nicht hervor.

(Margret Friedrich)

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