Transkription:
Instruction
Für den Religionslehrer bey der
Philosophischen Lehranstalt
Seine k.k. Majestät haben für die an der philosophischen Anstalt studierenden Jünglinge um sie in den Jahren, wo die Leidenschaften immer mehr und mehr erwachen, und die Vernunft zum Nachdenken über die Gegenstände um sie her selbst durch den Unterricht geweckt wird, vor Irrthum, und Ausschweifung zu sichern, einen Unterricht in der Religion anzuordnen, und dazu einen eigenen Religionslehrer anzustellen geruhet. [...] Bey der Entwicklung der Glaubensgründe wird er sich sorgfältig hüten, sich in Untersuchungen einzulassen, welche blos in die Theologie gehören, und er wird dadurch die Gränze sichern, welche zwischen einen in der Religion gründlich unterrichteten Layen, und den gelehrten Theologen bestehen muß.
Einwürfe gegen die Religion darf er nur so viele, und solche in seinen Vortrag aufnehmen, als und welche unter seinen Schülern oder wenigstens unter dem höheren Publikum bekannt sind, in welcher Absicht er sich bemühen wird, den Geist der Zeit und insbesondere seiner Schüler immer zu beobachten.
Dafür aber wird er besorgt seyn, die Quellen des Indifferentismus, der Zweifelsucht, und des gänzlichen Unglaubens überall aufzudecken, davor zu warnen, und überhaupt den traurigen Zustand des Unglaubens, dagegen aber den mächtigen Einfluß lebhaft zu schildern – welchen das Christenthum auf das allgemeine, und Privat-Wohl der Menschen hat.
Bey der Vergleichung des Christenthums mit der natürlichen Religion, woraus sich die Vorzüge des erstern ergeben, wird er nicht unterlassen, auch die grossen Vorzüge des chatholischen Christenthums vor Augen zu legen, und die Herzen seiner Schüler dafür zu gewinnen. [...]
Außer den wochentlichen Religionsstunden für die Schüler eines jeden Jahres der Philosophie wird er alle Sonntage eine Exhortazion für die Schüler aller 3 Jahre abhalten, und in derselben sich bemühen, ihnen die Lehren, und Pflichten des Christen mit Würde und Wärme anschaulich, und eindringlich vorzustellen, und auch dadurch, so wie durch alle andern Mittel die ihm zu Gebothe stehen, als durch guten Rath gewonnenes Zutrauen u.s.w. auf den heilsamen Zweck hinzuwirken, die Schüler der Phylosophie zu guten Christen und rechtschaffenen Bürgern zu bilden.
Abschrift der:
Instruction. Für den Religionslehrer bey der philosophischen Lehranstalt. (1804) liegt der Abschrift eines Schreibens von Oberstkanzler Ugarte v. 3. Februar 1804 bei UAI, Rektorat 1801–1808.
Franz II. war, im Gegensatz zu seinem Vater Leopold II. und seinem Großvater Franz Stephan, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und möglichen anderen Formen der Staatsgestaltung gegenüber nicht aufgeschlossen. Im Gegenteil, die Französische Revolution, die folgenden Radikalisierungen, die Erfolge des französischen republikanischen Heeres in den Revolutionskriegen verunsicherten ihn zutiefst und schürten seine Angst vor revolutionären Umtrieben im eigenen Reich. Als Heilmittel sah er es nicht, die Studenten zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den aktuellen Ideen und Veränderungen zu erziehen. Vielmehr setzte er auf die Wirkkraft der Religion und verordnete für alle drei Jahre des philosophischen Propädeutikums den wöchentlichen Religionsunterricht und eine Sonntagspredigt, Kontrollfaktor inbegriffen.
(Margret Friedrich)