... über den Zu­stand der Aborte ...

Die bauliche Situation der Universität am Ende des 19. Jahrhunderts war alles andere als rosig: Die Fassade bröckelte, das Gebäude platzte aus allen Nähten und Sammlungen wurden von Motten zerfressen. Auch die Aborte stellten ein gesundheitliches Risiko dar, wie die folgende Quelle zeigt.

UAI, Akten des Rektorats, Karton 27, 204/R ex 1888/89.

Abschrift:

An das hochgeehrte Rectorat der k. k. Universität zu Innsbruck!

Eure Magnficenz!

Mit Zuschrift vom 20. Oktober 1888 Z. 67/R wurde der ergebenst Gefertigte ersucht „über den Zustand der Aborte im Universitätsgebäude vom hygienischen Standpunkte aus ein Gutachten zu erstatten, damit Eure Magnificenz in die Lage kämen, höheren Ortes geeignete Anträge auf Abänderung stellen zu können.“ Diesem Ersuchen nachkommend beehre ich mich, Eurer Magnificenz zu unterbreiten mein bezügliches

Gutachten.

Die mir gestellte Aufgabe glaube ich in folgende 2 Theile, beziehungsweise Fragen zerlegen zu können:

1. Welcher Art sind die bestehenden Unzukömmlichkeiten und Gebrechen bei den Aborten im Universitätsgebäude?

und 2. Wie kann denselben abgeholfen werden?

1. Schon in der eingangs erwähnten Zuschrift des Rectorates wird gesagt, „daß je nach dem Wetter von den Aborten her der Geruch öfters bis zu Rektorskanzlei und bis hinunter in die Angerzellgasse dringe.“ Wenn es gegenüber dieser amtlichen Äußerung überhaupt eines weiteren Beweises der Richtigkeit bedürfe, so wäre derselbe erbracht durch die Wahrnehmung aller, die im Universitätsgebäude zu thun haben. Ich hielt es für meine Pflicht, mich möglichst umfänglich zu unterrichten über die bezüglichen Wahrnehmungen und muß nun hervorheben, daß bei allem Umfragen bei Professoren, Universitätsbeamten, Studierenden und Dienern stets übereinstimmend dieselben Klagen über penetranten Gestank der Universitätsaborte laut wurde, welche sich je nach den Witterungsverhältnissen steigern, dann nicht nur in den Korridoren, wo es immer stinke, sondern auch in den anstoßenden Institutsräumen, namentlich des physikalischen Instituts wahrzunehmen sei und sich auch in den Kanzleien, den Dienerwohnungen, ja mitunter selbst in den jenseits (östlich) von der Hauptstiege gelegenen Hörsälen in unangenehmer Weise bemerkbar mache, durch eigene Wahrnehmung konnte ich mich nur allzu leicht von der vollen Richtigkeit dieser Thatsache überzeugen.

Zunächst mußte es meine Aufgabe sein, den Ursachen dieser Erscheinung nachzuforschen. Dieselben waren leicht gefunden durch Besichtigung der Aborte und der ganzen Latrinenanlage. Es würde zu weit führen, in eine Beschreibung dieser übrigens zumeist gekannten sanitären Anlagen des Universitätsgebäudes – Aborte sind eben unentbehrliche sanitäre Einrichtungen in den Häusern – einzugehen. Es dürfte wohl eine kurze Aufzählung der vorgefundenen Mängel und Gebrechen genügen. Dabei sehe ich von der in Innsbruck noch allgemein zu Recht bestehenden Einrichtung der Senkgrube, der niedrigsten Entwicklungsstufe von Latrinenanlagen, sowie von der Hygiene und Ästhetik in gleicher Weise Hohn sprechenden primitiven Art ihrer Entleerung, die zu periodisch wiederkehrenden Gestanksausbrüchen penibelster Art führt, als eines constanten, einseitig nicht zu beseitigenden Faktor, gänzlich ab. Die Accomodation an diese durch das bestehende Abfuhrsistem bedingten periodischen Geruchsbelästigungen scheint nach ebenso innerhalb der physiologischen Leistungsfähigkeit der Riechcentren der einheimischen Bevölkerung zu fallen, wie die Beseitigung derselben außerhalb der Competenz der academischen und Unterrichtsbehörden liegt; sonst wäre der Fortbestand dieser wohl schon Jahrhunderte alten Einrichtung in gegenwärtiger Zeit undenkbar.

An den Aborten selbst wurden folgende Mängel vorgefunden:

  1. Es besteht keine Ventilationseinrichtung.
  2. Die Fallrohre sind ganz schlecht konstruiert und zum Theil verfault.
  3. Die Sitzbretter sind meist hochgradig beschmutzt, mit Jauchestoffen infiltriert und zum Theil faul.
  4. Trichtereinsätze und Verschlußvorrichtungen fehlen.
  5. der Fußboden ist meist schadhaft und nicht überall aus undurchlässigem Material hergestellt.
  6. der Abschluß gegen die Corridore zu ist ungenügend.

Dazu seien mir einige erläuternde Bemerkungen gestattet: 

[...] 

UAI, Akten des Rektorats, Karton 27, 204/R ex 1888/89.

Das Universitätsgebäude befand sich am Ende des 19. Jahrhunderts allgemein in einem schlechten Zustand, vielfach klagten die Professoren über die desolaten Verhältnisse des Gebäudes. Mit der Bildungsexpansion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts strömten auch immer mehr Studenten an die Universität, sodass diese allmählich aus allen Nähten platzte und neue Gebäude errichtet werden mussten. Außerdem wurden Wohnungen in der Stadt angemietet, in denen einzelne Institute untergebracht waren, die Expansion der Universität im Stadtgebiet hatte begonnen. Diese Maßnahmen konnten jedoch nur bedingt Abhilfe schaffen.

So beschwerten sich die Professoren mehrfach bei der Statthalterei und im Ministerium über die zunehmend unzumutbaren Zustände. Sogar die lokale Presse berichtete regelmäßig – teils spöttisch, teils beschämt – vom schlechten Zustand des Gebäudes, das in seinem desolaten Zustand nicht die wichtige gesellschaftliche und wissenschaftliche Rolle der Universität widerspiegle. 1889 liest man etwa: „Es dürften in der Landeshaupt- und Universitätsstadt Innsbruck wohl kaum noch andere größere Gebäude zu finden sein, die – was ihre Außenseite anbelangt, sich in einem solch verwahrlosten Zustand befinden, wie das Universitätsgebäude und die Universitätsbibliothek.“

Die vorliegende Quelle aus dem Jahr 1888 führt uns einen Aspekt der schlechten baulichen Situation der Universität vor Augen, der mehrfach zu Klagen geführt hatte, nämlich die schlechten hygienischen Verhältnisse der Aborte. Ausführlich beschreibt der Professor für Gerichtliche Medizin und Hygiene die Ursachen für die untragbaren hygienischen Verhältnisse in den Aborten mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit und gibt abschließend einige Lösungsvorschläge. Dabei schlägt er einerseits den Austausch der hölzernen Fallrohre „durch Thon- oder Eisenröhren“, den Einbau neuer Sitzbretter sowie das Verlegen eines neuen Bodens vor. Andererseits die regelmäßige Desinfektion der Aborte durch „rohe Carbolsäure und eine konzentrirte Lösung von Eisenvitriol“. 

Allerdings verbesserte sich trotz der Hinweise und Warnungen die Situation nicht nachhaltig. Erst als es durch einen Artikel im Tiroler Tagblatt zu einem öffentlichen Skandal kam, bewilligte die Statthalterei die Erneuerung der Aborte. Endgültige Besserung brachte letztendlich erst der Bau einer Kanalisation ab 1907 in Innsbruck und die damit einhergehende Beseitigung der Abortgruben.

(Christof Aichner)

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