Ord­nung der öffent­lichen gemein­verständ­lichen Vor­träge

Die Universität war lange Zeit ein relativ abgeschlossener Ort der Wissens­vermittlung, zu dem nur wenige Menschen Zugang hatten. Erst um 1900 versuchte die Universität, sich etwas zu öffnen und veranstaltete regelmäßig populär­wissenschaftliche Vortragsreihen.

UAI, Akten des Rektorats, Karton 31, 420/R ex 1894/95.

1895

Ordnung
der
öffentlichen gemeinverständlichen Vorträge
des
deutschen Sprachvereins
zu Gunsten des Studenten-Unterstützungs-Vereins.

Freitag, den 25. Jänner: Dr. Arthur Farinelli:
„Welt- und Lebensanschauung Grillparzers.“

Freitag, den 1. Februar: Professor Dr. Rudolf von Scala:
„Entdeckungsreisen und Kolonialpolitik im Altertum.“

Samstag, den 9. Februar: Professor D. Leopold von Schröder:
„Ueber indische Dichtung.“ 

Freitag, den 15. Februar: Professor Dr. Ernst Lecher:
„Die Gefahren hochgespannter elektrischer Ströme.“

Samstag, den 2. März: Professor Dr. Wilhelm Czermak:
„Die Pflege des Auges“ I.

Samstag, den 9. März: Professor Dr. Wilhelm Czermak:
„Die Pflege des Auges“ II. 

Ort: Aula der Hochschule – Beginn: Schlag 7 Uhr.

Preise:
Familienkarten (für 4 Familienmitglieder giltig) für alle 4 Vorlesungen 10 Kronen. Einzelnkarten für alle Vorträge 5 Kronen. Einzelnkarten für einen Vortrag 1 Krone. Hochschülerkarten 60 Heller.

Die Preise ermässigen sich für Mitglieder des deutschen Sprachvereins um die Hälfte.

Karten für sämmtliche Vorlesungen verkaufen die Buchhandlung Wagner und Schwick, die Kunsthandlungen C. Czichna und Gross. Einzelnkarten und Hochschülerkarten sind beim Thorwart der Hochschule vorräthig.

UAI, Akten des Rektorats, Karton 31, 420/R ex 1894/95.

  

Am Ende des 19. Jahrhunderts begann die Universität, sich zunehmend einem breiteren Publikum zu öffnen und veranstaltete sogenannte Volkstümliche Universitätsvorträge oder, wie man sich schon damals modern ausdrückte, University extensions. Die ersten Vorträge dieser Art fanden in Innsbruck 1897 in der Universität statt und zogen in der Folge alljährlich eine große Anzahl an Zuhörerinnen und Zuhörern an. Als Vorbild galten die Volkstümlichen Universitätsvorträge in der Wiener Urania. Das Ziel war, „jene Volkskreise geistig zu fördern, welchen bisher die akademische Bildung unzugänglich war.“ Besonders im Blick hatte man in diesem Sinn die Arbeiterschaft. Insgesamt wurden vielfach Themen gewählt, die von alltäglichem Interesse waren, aber auch abstraktere und spezielle Vorträge wurden in das jeweilige Programm aufgenommen.

Während diese Vorträge direkt von der Universität angeboten wurden, gab es seit den 1880er Jahren auch schon vereinzelt Veranstaltungen, die von Vereinen oder Professoren abgehalten wurden, die aber ebenfalls die Räumlichkeiten der Universität nutzten. Dazu zählen auch die „öffentlichen gemeinverständlichen Vorträge des deutschen Sprachvereins“, die in der Quelle angekündigt werden. Die Einnahmen dieser Vorträge sollten dem Studenten-Unterstützungs-Vereins zukommen, der seit den 1870er bestand, der bedürftige und kranke Studenten mit Sach- und Geldmitteln unterstützte und eine wichtige Institution für diese Studenten darstellte.

Insgesamt sind all diese Initiativen und Veranstaltungen einerseits Ausdruck eines zunehmenden Bildungshungers breiterer Bevölkerungsschichten und des wichtigen Stellenwerts von Bildung. So verzeichneten die ersten beiden Vorlesungsserien 1897 und 1898 mehr als 6.000 Besucher und Besucherinnen, darunter knapp ein Drittel aus der Arbeiterschaft. Der Frauenanteil von jeweils etwa 30 Prozent zeigt den Bildungshunger von Frauen, die an der Universität ja erst um 1897 bzw. 1900 (an zwei Fakultäten) zugelassen waren. Die Volkstümlichen Universitätsvorträge zeigen aber auch, dass die Universität, insbesondere aber einzelne Professoren, sich ihrer wichtigen gesellschaftlichen Rolle bewusst wurden und versuchten, dieser durch einen direkten Kontakt zu breiteren Bevölkerungsschichten und populären Vorträgen gerecht zu werden.

(Christof Aichner)

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