Marlon Possard

Interdisziplinäres Forschen

Zwischen Wirtschaftskriminalität, Recht und Ethik. Quo vadis Buchhaltung?


Grosso modo können jährlich sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene hohe Schäden verzeichnet werden, die auf verschiedenartiges, wirtschaftskriminelles Verhalten zurückgeführt werden können. Häufig geht es dabei um das Verschaffen eines eigenen Vorteiles, Geschädigte sind vor allem Unternehmen und staatliche Institutionen, aber auch Privatpersonen. Nicht selten werden mithilfe von Instrumentarien des betrieblichen Rechnungswesens solche Beeinträchtigungen herbeigeführt.

Dozent Marlon Possard untersucht im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Innsbruck das Verhältnis zwischen den Phänomenen der Wirtschaftskriminalität, des Externen Rechnungswesens und der Ethik und stellt sich primär die Frage, wie sich Recht und Moral, vor dem Hintergrund aktueller Bilanzfälschungsskandale, zueinander verhalten und inwiefern ein Konnex zum buchhalterischen Handeln hergestellt werden kann.


Die Liebe zu Zahlen, zur Logik und zum wirtschaftlichen Denken kann Marlon Possard angesehen werden. Possard hat sich aber nicht nur dem (Externen) Rechnungswesen und der Juristerei verschieben, sondern er sieht die Auseinandersetzung mit philosophischen Fragestellungen ebenso als eine wesentliche Aufgabe des menschlichen Daseins an. Seine Forschungsschwerpunkte bilden dabei die Rechtsphilosophie und die Ethik. Dabei versucht er, aktuelle Geschehnisse, beispielsweise verschiedene Bilanzfälschungen im Rahmen der Wirtschaftskriminalität, die in den letzten Jahren an die Öffentlichkeit gelangten, nicht nur aus einer rechtlichen, sondern auch aus einer philosophischen Perspektive zu betrachten. „Die Frage ist nicht, ob Philosophie in einer zu analysierenden Thematik vorkommt, sondern wie sie sich zeigt. Denn Philosophie kommt überall dort vor, wo Menschen miteinander leben, zusammenarbeiten und versuchen, ihr Handeln nach ihren individuellen Überzeugungen und Werten auszurichten. Das betrifft de facto auch unternehmerische Strukturen und die Auswirkungen auf Dritte. Und meist steckt die Philosophie im Detail", so der Forscher. Er bemängelt, dass ethische Standards in Unternehmen oftmals unterrepräsentiert sind und nicht ernst genommen werden, selbst wenn eine ethische Unternehmensausrichtung auch die Wettbewerbsfähigkeit steigern könne. Die Problematik liege vorwiegend an der Verbindlichkeit solcher Rahmenbedingungen.


Allgemeingültige Lösungen werde die Philosophie nie präsentieren können, dafür sei sie zu sehr reflektierend, fragend und kritisch. Das sei aber auch nicht ihre Aufgabe. Die unterschiedlichen philosophischen Theorien innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses könnten zumindest dazu beitragen, Orientierung zu geben. Philosophie sei zunächst einmal umgeben von einer Orientierungsfunktion und Orientierung wiederum sei Hilfestellung bei Problemlösungen, zum Beispiel bei betrieblichen Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Possard: „Wirtschaftskriminelles Operieren ist nicht nur eine Frage der juristischen Bewertung, sondern vor allem auch eine Frage der Ethik und der Moral. Dass unethisches bzw. unmoralisches Verhalten in Bezug auf die Wirtschafts- und Unternehmensethik in einem negativen Kontext stehen kann, zeigt sich ausdrücklich in der Möglichkeit, den Unternehmenserfolg dementsprechend beeinflussen zu können. Und mich interessiert diesbezüglich speziell die Rolle des Buchhalters. Ein Berufsbild, das sich übrigens in den nächsten Jahren stark verändern wird.“


Hinweis für Interessierte: Für die empirische Untersuchung der Thematik werden noch Studienteilnehmer*innen gesucht. Sollten Sie in der Praxis aktiv im Bereich des Externen Rechnungswesens (Buchhaltung) tätig sein, melden Sie sich gerne bei Herrn Possard (marlon.possard@uibk.ac.at).


Weiterführende Informationen zur Thematik: Interview mit Marlon Possard zur Digitalisierung innerhalb des Rechnungswesens (Wirtschaftsmagazin „Die Tiroler Basics", 481/2021, S. 4): http://www.basics-media.at/fileadmin/userdaten/blaetterbuecher/2021-Ausgabe481/4/
 


Zur Person:


Marlon Possard, geb. 1995, ist wissenschaftlicher Projektmitarbeiter an der Universität Innsbruck und Fachbuchautor. Er forscht derzeit zu Fragen der Wirtschafts-, Unternehmens- und Rechnungslegungsethik in Zusammenhang mit wirtschaftskriminellem Agieren. Er studierte Rechtswissenschaften und Philosophie mit den Schwerpunkten Ethik und Rechtsphilosophie. Neben seiner Tätigkeiten als Lehrbeauftragter und Fachhochschuldozent für Externes Rechnungswesen, beschäftigt er sich speziell mit ethischen, gesellschaftlichen und juristischen Aspekten, die mit dem buchhalterischen Sektor verbunden sind und analysiert weiters mögliche Auswirkungen der Digitalisierung des 21. Jahrhunderts auf das betriebliche Rechnungswesen. Er ist u. a. Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Wirtschaftsphilosophie und Ethik“ (WPE) der Deutschen Gesellschaft für Philosophie (DGPhil) und Teilnehmer des Research Centers „Accounting Theory & Research“ (University of Innsbruck, Faculty of Business and Management). Zudem ist er als Insolvenzverwalter tätig. Aktuelle Publikationen können unter folgendem Link der ULB aufgerufen werden: https://bibsearch.uibk.ac.at/primo-explore/search?query=any,contains,Possard&tab=default_tab&search_scope=Blended&vid=UIB&offset=0.

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