Tagungsbericht „Kommissionstagung Bildungs- und Erziehungsphilosophie (DGfE)“ zum Thema „Zukunft – zwischen Öffnungen und Schließungen. Zur gegenwärtigen Problematik pädagogischer Zukunftsentwürfe“ (21.-23.9.2023)
Die diesjährige Kommissionstagung der Bildungs- und Erziehungsphilosophie(DGfE) wurde vom Lehr- und Forschungsbereich Allgemeine Erziehungswissenschaft, historische Bildungsforschung und Anthropologie veranstaltet und fand vom 21. Bis 23. September im Madonnensaal der Theologischen Fakultät statt. An der Tagung nahmen ca. 55 Menschen teil, die sich die 11 Vorträge mit großem Interesse angehört und befragt haben.
Kritische Theorie revisited: eine Utopie der Zukunft
Daniela Holzer aus Graz, Nina Rabuza und Daniel Burghardt aus Innsbruck sowie Matthias Steffel aus Salzburg diskutierten in ihren Vorträgen das Utopische von Zukunft. Während Holzer im Auftaktvortrag „Utopisches N(n)egieren. Kritik und Spekulation als Möglichkeit, Unmögliches zu denken“ vor allem die Dialektik als Methode für das Denken von Zukunft stellt, beleuchten Nina Rabuza und Daniel Burghardt das Aussterben der Utopie in der Gesellschaftskritik kritisch und fordern eine Rückbesinnung auf die Kraft utopischen Denkens ein. Matthias Steffel greift diese Forderung in seinem Vortrag „Wie nun? Zur Gegenwärtigkeit des Utopischen in der Pädagogik“ auf und versucht anhand eines Frage-Antwort-Schemas das Utopische als Denkform zu revitalisieren.
Herausforderungen für Gegenwart und Zukunft
Zahlreiche technische Entwicklungen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte fordern uns alle im Alltag und beeinflussen auch, wie wir über Zukunft denken. Diana Lohwasser (Innsbruck) stellte in ihrem Vortrag mit dem Titel „Zukunft als fiktive Reproduktion der Unauflösbarkeit der menschlichen Kontingenz“ Günthers Anders Anthropologie zur Diskussion, bei der Zukunft zu einem Endzeitdenken wird. Manuel Peters hingegen fragt sich in seinem Vortrag „(Un-)Doing Difference und die Politics of Futurity als mögliche Orientierung für pädagogische Zukunftsentwürfe“ wie Differenzdenken als Orientierung für pädagogische Zukunftsentwürfe fungieren könnte. Madeleine Scherrer (Schwäbisch Gmünd) zeigt, dass die Pädagogik sich intensiver mit der Vergegenwärtigung gegenwärtiger Herausforderungen beschäftigen muss, d.h., dass Menschen bewusst mit Problematiken wie dem Klimawandel sich auseinandersetzen, damit eine Zukunft weiterhin möglich ist.
Design und Didaktik
Elisa Dittbrenner (Kiel) ging in ihrem Vortrag auf den vielfältig interpretierbaren Begriff der Design Education ein, und zeigte, dass für die Erziehungswissenschaft dieser zukünftig konkretisiert werden müsste. Der japanische Erziehungswissenschaftler Yoshiki Sakurai von der Universität Kagawa stellt dar, wie sich die Didaktik in Japan in den letzten Jahrzehnten zusammen mit gesellschaftlichen Normen und Werten verändert hat.
Erziehungswissenschaftliche Zeitentwürfe
Die Vorträge von Nina Kühn (Karlsruhe) und Tugce Kalayci (Koblenz) und Patrick L. Vetter (Köln) beschreiben wie die Konstruktion von Zeit Einfluss auf pädagogische Vorstellungen von Zukunft haben können. Kühn demonstriert dies anhand von Herbart und Bergson im Zusammenhang mit dem Begriff der Bildsamkeit, Kalayci und Vetter mit Ballauf und Jaspers und deren existentialistischen Zeitkonstruktionen und –diagnosen.
Bildungsaufstieg und Zukunft
Mit Flora Petriks und Markus Rieger-Ladichs (Tübingen) Vortrag wurde die Tagung abgeschlossen; hier stand vor allem die Diskrepanz der sozialen und pädagogischen Wunschvorstellung und der Realität hinsichtlich von Bildungsaufstiegen im Vordergrund.
Insgesamt haben die Vorträge gezeigt, dass Zukunftsvorstellungen sich vor allem mit gegenwärtigen Herausforderungen, wie bspw. dem Klimawandel, der Dekolonisierung oder dem starken Rechtsruck in den Gesellschaften und der Politik, auseinandersetzen müssen und diese erst eine Zukunft bzw. Zukünfte ermöglicht. Werden die Probleme der Gegenwart nicht gelöst, verschließen sich Chancen für die Zukunft.