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Newsletter Nr. 36/2024 des Forschungsinstituts Brenner-Archiv

Ins Bild gerückt

   

Reisepässe der Republik Honduras für Fritz von Herzmanovsky-Orlando und Carmen von Herzmanovsky-Orlando, ausgestellt am 24.2.1940

Der Schriftsteller und Graphiker Fritz von Herzmanovsky-Orlando (= FHO) und seine Frau Carmen, eig. Maria Elisabeth, geb. Schulista (= CHO) lebten seit 1916 in Meran. Sie blieben dort auch nach der Teilung Tirols in Folge des Ersten Weltkriegs wohnhaft, behielten aber ihre österreichischen Staatsbürgerschaften. Mit dem sog. „Anschluss“ Österreichs 1938 wurden beide zu deutschen Staatsbürger*innen. Als solchen wurde ihnen nach der Optionsvereinbarung zwischen Hitlerdeutschland und dem faschistischen Italien im Juni 1939 der Wohnsitz in Südtirol (nicht aber im Rest Italiens) untersagt. Eine Reise ins Deutsche Reich – und sei es nur, um einen Pass zu beantragen –, fürchteten die beiden, denn den für deutsche Staatsbürger*innen geforderten Ariernachweis konnte FHO beibringen, CHO jedoch nicht. Deshalb beschloss das Ehepaar, sich (anfangs nur pro forma, ab April 1940 realiter) in Malcesine am Gardasee niederzulassen. Beide befürchteten jedoch eine Abschiebung von Italien nach Deutschland – denn sie hatten ja keine gültigen Papiere. Dagegen wollten sie sich durch eine zusätzliche Staatsbürgerschaft absichern und sich zugleich einige steuerliche Vorteile verschaffen. Gesucht war ein Staat, der nicht in den Krieg verwickelt war und vermutlich auch nicht werden würde. Seit 1939 bemühten sie sich, mit Hilfe von 25.000 Schweizer Franken und einem geschäftstüchtigen Schweizer Rechtsanwalt, der in seinem „Portfolio“ Honduras hatte, um den Erwerb der honduranischen Staatsbürgerschaft. Die vorliegenden Reisepässe erhielten sie jedoch erst 1946, als sie bereits abgelaufen waren. Eine Verlängerung der Pässe beim Konsulat der Republik Honduras war nicht möglich, da die Pässe, wie man ihnen sagte, zwar nicht unbedingt gefälscht, aber von Anfang an ungültig waren. Zahlreiche Korrespondenzen belegen, dass die Herzmanovsky-Orlandos nie ganz verstanden haben, was das bedeutet. Einzig klar war, dass man sie um 25.000 Franken betrogen hatte.
Die Affäre scheint auf den ersten Blick das zu sein, was man als „herzmanovskysch“ bezeichnet. Allerdings muss man bedenken, dass das lukrative Geschäftsmodell des Schweizerischen Anwalts – der wohl mit einem korrupten Beamten in der diplomatischen Vertretung der Republik Honduras zusammenarbeitete – in anderen Fällen leicht zu Todesopfern hätte führen können, oder vielleicht geführt hat. Denn es ist anzunehmen, dass die Herzmanovsky-Orlandos nicht die einzigen Kund*innen dieses Unternehmens waren.

Ursula A. Schneider

  

Zu den Abbildungen:

2 Reisepässe, 10,5 x 15,5 cm, grüner Umschlag mit handschriftlicher Hinzufügung des ausstellenden Landes. Jeweils 24 Bl., davon 5 beschriftet. Auf S. 4 Stempelmarken und Stempel. Zu beachten ist die wohl schon bei Anbringung kaum lesbare und damit leicht zu übersehende Stempel „CANCELADO“ auf S. 4 unten. Auf S. 7 jeweiliges Foto eingeklebt, Prägestempel.

Nachlass Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Sig. 10-37-11 und 10-60-02
 

Literatur: Fritz von Herzmanovsky-Orlando. Sinfonietta Canzonetta Austriaca. Eine Dokumentation zu Leben und Werk. Herausgegeben und kommentiert von Susanna Goldberg und Max Reinisch. Salzburg, Wien: Residenz 1994 (= FHO. Sämtliche Werke. Bd. 10).

https://www.uibk.ac.at/de/brenner-archiv/bestaende/herzmanovskyorlando/

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