Max Riccabona
(1915-1997)

Collage

schriftsteller, bildkünstler, zeitzeuge

Projektbeginn: 1.1.2001

Projektende: 31.12.2005

Max Riccabona (1915-1997)
schriftsteller, bildkünstler, zeitzeuge

wurde am 31. März 1915 in Feldkirch geboren. Er stammt mütterlicherseits aus der aus Prag zugewanderten Familie der Perlhefter, väterlicherseits aus dem welschtiroler Geschlecht der Riccabona zu Reichenfels - Max Riccabonas Vater, Gottfried Riccabona (1879-1960), war Rechtsanwalt und Schriftsteller, als Autor pflegte er auch Kontakt mit dem Kreis des "Brenner" um Ludwig Ficker.

Beide Elternteile Max Riccabonas hatten ausgesprochenen Sinn für Bildende Kunst und Musik, waren aufgeschlossen und liberal und verkehrten mit KünstlerInnen und Intellektuellen nicht nur in Vorarlberg, sondern auch der in der Schweiz und im süddeutschen Raum. Als Jugendlicher machte Max Riccabona in Feldkirch die Bekanntschaft des auf der Durchreise befindlichen James Joyce.

Bereits 1932 erlebte er Adolf Hitler anlässlich einer Wahlversammlung und begegnete ihm mit vehementer Ablehnung - Engelbert Dollfuss hingegen erschien dem jungen Maturanten als positives Gegenbild. Die ganze Familie Perlhefter-Riccabona sollte unter dem nationalsozialistischen Regime Verfolgung und Schikane zu erleiden haben.

Max Riccabona schlug nach der Matura im Jahr 1934 zunächst die juristische Laufbahn ein. Er studierte in Graz - dort wurde er Mitglied der katholischen Verbindung "Traungau" (Vulgoname: "Putsch"). Auf sein Studium der Staatswissenschaften folgte das an der Konsularakademie in Wien, dort schloss er 1938 als Diplomkonsul ab.
1939 kam er nach Paris. Dort bewegte er sich im Kreis der Exilanten um Joseph Roth - einer Erzählung Riccabonas nach soll Riccabona ihm, Roth, sogar kurz vor dem Tod die Nottaufe gespendet haben.

Zurück von Paris, wurde Riccabona 1940 zum Wehrdienst einberufen, bis er entlassen und im Jahr 1941 wegen verbotener monarchistischer Betätigung in Salzburg verhaftet, dann ins Konzentrationslager Dachau eingeliefert wurde. In den letzten Wochen seiner Internierung erkrankte Riccabona an Fleckfieber, von dessen Folgen er sich nie mehr erholen würde können.

Nach der Befreiung durch die Alliierten und nach längerer Rekonvaleszenz war er in der Kanzlei seines Vaters und als Obmann der Vorarlberger Widerstandsbewegung tätig. 1949 schloss Riccabona in Innsbruck das Studium der Rechtswissenschaften mit dem zweiten Doktorat ab.
1961 erscheinen Gedichte Max Riccabonas in der von Hubert Fabian Kulterer herausgegebenen Literaturzeitschrift "Eröffnungen", ein Jahr später erscheint als "Bogen 5" Riccabonas erste selbständige Veröffentlichung, ein schmales Heftchen postexpressionistischer Lyrik.

Riccabona musste wegen der Spätfolgen seiner KZ-Internierung nach dem Tod seines Vaters das Berufsleben aufgeben. Er verbrachte seine letzten Lebensjahrzehnte, auch nach seiner Eheschließung im Jahr 1965, im Herz-Jesu-Heim in Lochau.
Von diesem Zeitpunkt an war er als freier Schriftsteller und Bildkünstler tätig. Trotz weniger Veröffentlichungen in Zeitschriften wurde Riccabona im Laufe der siebziger Jahre mehr und mehr zu einem Begriff in der österreichischen Literaturszene um die Zentren Graz und Wien.
1979 wurde Max Riccabona das "Ehrenzeichen für Verdienste um die Befreiung Österreichs von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft" verliehen.

Im Jahr 1980 erscheint seine erste Einzelpublikation in Buchform: Josef Schweikhardt und Vintila Ivanceanu geben einen Teil des seit 1957 in Arbeit befindlichen Riccabonaschen Hauptwerkes, des "Halbgreyffers", unter dem Titel "Bauelemente zur Tragikomödie des x-fachen Dr. von Halbgreyffer oder Protokolle einer progressivsten Halbbildungsinfektion" heraus. Dieser Band ist heute vergriffen.
Um 1980 erscheint auch die gemeinsam mit Meinrad Amann erstellte Übersetzung des Bühnenstückes "Le cavalier seul" von Jaques Audiberti unter dem Titel "Ritter Mirtus" - Diese Übersetzung publiziert Max Riccabona unter dem Autornamen "Eduard von Hochpruck".

1989 widmete ihm das Vorarlberger Landesmuseum eine Personale, anlässlich derer viele Collagen Max Riccabonas zu sehen waren.
1993 erscheint eine von Wilhelm Meusburger und Helmut Swozilek zusammengestellte Faksimile-Auswahl von Texten Riccabonas unter dem Titel "POETATASTROPHEN".
Zu seinem siebzigsten Geburtstag erscheinen die von Ulrike Längle herausgegebenen KZ-Erinnerungen "Auf dem Nebengeleise".

Während seiner letzten Lebensjahre galt Max Riccabona über die Landesgrenzen hinaus als ungewöhnlicher Schriftsteller und origineller Erzähler. Die literarische Welt schätzte seine Sprachmacht und seine nicht zu versiegen scheinende satirische Energie, doch auch seinem unmittelbaren Umfeld sollte sich Riccabona durch seinen großen Reichtum an Geschichte und Geschichten nachhaltig einprägen. Max Riccabona verstarb 1997.
1999 wählt das Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek die "varianten", ein schwarz-rotes Typewriting, als zweites Beispiel aus der Faksimile-Reihe aus dem Archiv.

Petra Nachbaur

Max Riccabona (1915-1997)
schriftsteller, bildkünstler, zeitzeuge

Max Riccabona versuchte ab den 1950er Jahren immer wieder aus seinem Werk zu veröffentlichen. Riccabonas Texte erschienen in etablierten Literaturzeitschriften wie "das fenster", "protokolle" oder "Freibord". Auch unter Schriftstellerkollegen war er sehr geschätzt. Und trotzdem gelang ihm nie der Durchbruch. Bücher kamen sehr spät - erst ab 1980 - auf den Markt und wurden wenig beachtet.

In der Sekundärliteratur findet man Max Riccabona zunächst gemeinsam mit Joseph Roth. Sogar David Bronsen, mit dem Riccabona in Briefkontakt stand, nahm ihn in seine Joseph Roth Biographie auf. Sonst findet man nur über Riccabonas KZ-Zeit sowie über seine Begegnung mit James Joyce mehr. Meist sind es Zeitungsartikel, die sich mit dem Schriftsteller beschäftigen. Einige Rundfunksendungen runden das schmale Gedruckte von und über Max Riccabona ab.

Von Max Riccabona

Auf dem Nebengeleise. Erinnerungen und Ausflüchte. Hrsg. Ulrike Längle. Innsbruck 1995 111 S. (Mit einem Nachwort von Ulrike Längle)

Aus dem missglückten versuchen, versuch des grossen 1. teil des vierzehnfachen doktors, etc. von halbgreyffer zu etschpruntz u. dünnschitz, eine autobiographie in prosa und versen zu verzapfen in teils nüchternstem, teils besoffenstem, teil, könnte man sagen, gemixtestem zustande. In: Die Graugans Jg. 4, Heft 5. 1982 S. 53-54.

Bauelemente zur Tragikmomödie des x-fachen Dr. von Halbgreyffer oder Protokolle einer progressivsten Halbbildungsinfektion, Wien 1980

Brief an die Herausgeber. In: 5 Jahre Freibord – 10 Jahre Herbstpresse. Eine Dokumentationsausstellung. Wiener Secession 1980 S. 10

3 Texte. In: Zeitschrift für Alles, Review for everything. Timarit fyrir allt 1978, Nr. 4, S. 77 – 80.

3 Variante – von Bewusstseinsstörungen. In: 5 Jahre Freibord – 10 Jahre Herbstpresse. Eine Dokumentationsausstellung, Wiener Secession 1980. S. 11

13 Gedichte/lyrische Prosa/ Materialsammlung für einen Roman. In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst Jg. 2, 1977, Heft 8, S. 7 – 25.

Einführung in den Versuch einer neuen Form des Romans. In: das Fenster. Tiroler Kulturzeitschrift, Heft 16, 1975 S. 1671-1676.

Einige Erinnerungen an Rudolf Högler. In: Rudolf Högler. Katalog der Ausstellung des Vorarlberger Landesmuseums, Bregenz 1988, S. 18-20.

Einige Erinnerungen an Wiener Cafés. In: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft jg. 3, Heft 4. 1986 S. 50-53.

Epiphanien in der Löwenschwemme. James Joyce in Vorarlberg. In: protokolle. Wiener Halbjahresschrift für Literatur, bildende Kunst und Musik 1977, Heft 1, S. 133 – 141

Frühste Gedichte. Analphabecedarien u. a.- In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst. Hrsg. Gerhard Jaschke. Nr. 71 (1/90) 15 Jg. Edition Freibord Wien. 29-35.

Funzelerleuchtung zum Thema Berg. In: Liechtensteiner Almanach 1989. S. 107 – 108.

(Gedichte) In: Die Graugans Jg. 1, Heft 1. 1979 S. 25 – 29.

Herr Roth im Café Tournon. Erinnerungen aus den letzten Tagen Joseph Roths. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. 9 1969

Ich wurde. Gehversuche zu mir selber. In: protokolle. Wiener Halbjahresschrift für Literatur, bildende Kunst und Musik 1978, Heft 2, S. 141 – 146.

KZ-Skizzen. In: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 1, 1986, Heft 10, S. 50 – 53.

Metatrophismen. In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst Jg. 5, Heft 19. 1980 S. 13 – 18.

Muster einer konzertbeschimpfung, erfasst von einem dorfmusikexperten und mitpatienten des dr. v. halbgreyffer im sanatorium zur frohen seelengenesung zu syndenprumpfstetten oder dem schweinbutzbach. In: Inn. Zeitschrift für Literatur, Jg. 1, Nr. 2. 1984 S. 11.

Neues von Max riccabona. In: das Fenster. Tiroler Kulturzeitschrift, Heft 24. 1979 S. 2445 – 2448.

Nie besoffen, aber immer alkoholisiert. In memoriam Joseph Roth. In: protokolle. Wiener Halbjahresschrift für Literatur, bildende Kunst und Musik 1975, Heft 2, S. 129 – 138.

Poetatastrophen. Hrsg. von Wilhelm Meusburger und Helmut Swozilek. Haymon. Innsbruck 1993 S. 427.

Psychogramme. In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst Jg. 6, Heft 26. 1981/82 S. 16.

Skizzen zum Roman „Dr. von Halbgreifer“. Phasen 1 und 2 eines work in progress. In: protokolle. Wiener Halbjahresschrift für Literatur, bildende Kunst und Musik 1978, Heft 2, S. 152 – 218.

Skriptogramme. Aus den Papieren des Dr. Dr. Dr. usw. von Halbgreyffer, gesammelt vom Chronisten. In: 33, Katalog des Vorarlberger Autorenverbandes; 3, Hard 1986, S. 72-73.

Störungen. In: Gedichte nach 1984. Lyrik aus Österreich. Hrsg. Jatzek, Gerald, Zauner, Hansjörg. Wien 1985, S. 71.

Variationen über Gedichte. In: horizont. Kulturbeilage zur Tiroler Tageszeitung 1981, Nr. 11, S. 10-11.

Von denen schweinen. In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst. Jg. 5, Heft 22, 1980 S. 44 – 53.

Zum Vorort Sigurd Paul Scheichls. In: Inn. Zeitschrift für Literatur Jg. 1, Nr. 2. 1984 S. 34.

Zwei Briefe an Fritz Senn. Montfort. Vierteljahreszeitschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs. Jg. 41, Heft 3+4, 1989 S. 311f.

Über Max Riccabona

Max Riccabona : Bohemien - Schriftsteller – Zeitzeuge
Johann Holzner ; Barbara Hoiß (Hg.)
Innsbruck ; Wien [u.a.]: Studien-Verl. 2006

Max Riccabona. Denker und Deuter. Vorarlberger Landesmuseum. Bregenz 21.3.-3.9. 1989

Einleitung zu Faksimile: Petra Nachbaur


Max Riccabona als Feldkircher Überlebender des KZs Rheticus. Heft ¾ 1998 James Joyce und Ulysses

Bauer, Wolfgang: Dunkelkammerlesung im Forum Stadtpark: Sätze wie donnernde Bisons. In: Kleine Zeitung, 26. 10. 1965

Befreiungs-Ehrenzeichen wurde an drei Vorarlberger verliehen. In: Neue Vorarlberger Tageszeitung, 13. 12. 1979, S. 21

Bronsen, David: Joseph Roth. Eine Biographie, München 1981, S. 488-489; S. 604; S. 641 Anm. 34; S. 655 Anm. 90; S. 656 Anm. 111; S. 669 Anm. 70; S. 682.

Dunkelkammer-Lesung. In: Wahrheit, 29.  10. 1965

Ehrenzeichen an drei Vorarlberger. In: Vorarlberger Nachrichten, 13. 12. 1979, S. 4.

Einsle, Anton: Max Riccabona: Satirischer Spiegel der zunehmenden chaotischen Wirklichkeit. In: Neue Vorarlberger Tageszeitung. 5. 9. 1981, S. 18-19.

Einsle, Anton: „Beschreibung einer Halbbildungsexplosion“ aus dem „Halbgreyfer“. „Raubritter der Literatur“: Max Riccabona las in Schloß Hofen. In: Neue Vorarlberger Tageszeitung, 28. 2. 1984, S. 15.

Hahnl, Hans Heinz: Österreichische Autoren und Verlage: Aus dem Reiche Tarokkanien. In: Arbeiter Zeitung, 5. 6. 1981, S. 13.

Jaschke, Gerhard: Fünf neue Bücher des Rhombus Verlages gilt es vorzustellen. In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst Jg. 6, Heft 24. 1981 S. 66.

Jörg, Roland: Homo Alpinus Erectus. Eine Audienz bei Max Riccabona, dem Geheimagenten, Ex-Ministerkandidaten und Dichter aus Vorarlberg. In: ÖH-Express/Wien Nr. 81 1985 (Mai) S. 60 – 61

Johann August Malin Gesellschaft (Hrsg.): Von Herrn und Menschen. Verfolgung und Widerstand in Vorarlberg 1933-1945 (=Beiträge zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs; 5), Bregenz 1985.

König, Christoph: Max Riccabona (geb. 1915) – Wirklichkeitsauflösung und Parodie. In: König, Christoph: Provinz-Literatur, Positionen der Prosa Vorarlbergs in synchroner Sicht (=Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft: Germanistische Reihe; 20) Innsbruck 1984, S. 238-244.

Längle, Ulrike: Max Riccabona, KZ-Skizzen. In: Kultur. Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft Jg. 1, Heft 10. S. 1986 S. 50.

Längle, Ulrike: Auf dem Nebengeleise. Zu Max Riccabonas Erinnerungen an das KZ in Dachau. In: Max Riccabona. Ausstellungskatalog des Vorarlberger Landesmuseums. Hrsg. Helmut Swozilek. Bregenz 1989, S. 59-63.

Längle, Ulrike: Max Riccabona zu Ehren. In: Literatur über Literatur. Eine österreichische Anthologie. Hrsg. von Petra Nachbaur und Sigurd Paul Scheichl. Graz 1995, S. 186 - 195.

Längle, Ulrike: Ich bin ein Selbstbeobachter, der sich sozusagen unter dem Mikroskop analysiert: über den Schriftsteller Max Riccabona. In: Allmende Jg. 15, 1995, Nr. 46/47, S. 23-34.

Längle, Ulrike: The Memoirs of Max Riccabona: The Memorial of a Political Prisoner in Dachau. Vortrag, gehalten am 14. April 1995 an der Universität von Texas/Austin, in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Kulturinstitut New York. In: Dimension2, Centemporary German-Language Literature, Vol. 4, Number 2, May 1997, Seite 159-171. (In englischer Sprache)

Längle, Ulrike: Ritter ohne Furcht vor Tadel. Zum Tod des Dichters Max Riccabona. In: Neue Zürcher Zeitung, Feuilleton, 8. Oktober 1997, S. 47.

Längle, Ulrike: Max Riccabona und Natalie Beer. Zwei Antipoden der Nachkriegszeit. In: Aufbruch in eine neue Zeit. Vorarlberger Almanach zum Jubiläumsjahr 2005. Hrsg. von Ulrich Nachbauer und Alois Niederstätter im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung. Bregenz: Vorarlberger Landesarchiv 2006, S. 219 - 244.

Löffler-Bolka, Dietlinde: Vorarlberg 1945. Das Kriegsende und der Wiederaufbau demokratischer Verhältnisse im Jahr 1945, Bregenz 1975 (insbesondere S. 162-167)

Paulmichl, Leonhard: Über Max Riccabona. In: horizont. Kulturbeiträge zur Tiroler Tageszeitung 1981, Nr. 11, S. 10.

Preißnitz, Reinhard: Stolperung. Für max riccabona. In: protokolle. Wiener Halbjahresschrift für Literatur, bildende Kunst und Musik. Heft 2. 1978 S. 147-151.

Prittwitz, F. v.: Max Riccabona stellt in Lindau Collagen aus: Bildende Kunst ohne Technik. In: Neue Vorarlberger Tageszeitung. 25. 1. 1975. S. 9.

Reiter, Andrea: "Protokolle vom Überleben? Albert Drachs Unsentimentale Reise und Max Riccabonas Auf dem Nebengeleise. In: Sprachkunst XXXI/2000, 2. Halbband, pp. 323-338.

Rost, Nico: Goethe in Dachau (Fischer TB 5183), Frankfurt/Main 1983, S. 197-198.

Schneider, Helmut: Sind Sie ein aufgeschlossener Lesetyp? In: Falter. Wochenzeitschrift für Kultur und Politik, Jg. 4. Nr. 5. 5. 3. 1981.

Schürrer, Hermann: Jubiläum für Max Riccabona. In: Freibord. Zeitschrift für Literatur und Kunst Jg. 3, Heft 13/14. 1978 S. 33-34.

Teuffenbach, Ingeborg: Warum aus allem eine Geschichte machen? Zu einer Lesung im Forum. In: Tiroler Tageszeitung, 20/21. 11. 1982, S. 18.

Thuswaldner, Anton: Die Welt im Kopf. Armin Eidherr und Max von Riccabona unter der „Leselampe“. In: Salzburger Nachrichten, 6. 11. 1985, S. 9.

Über Leute. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Magazin, Heft 249. 7. 12. 1984 S. 6.

Wanner, Gerhard: Die österreichische demokratische Widerstandsbewegung, Land Vorarlberg. In: 1945. Ende und Anfang in Vorarlberg, Nord- und Südtirol (Informationsbuch Nr. 2), Lochau 1986 S. 69-88.

Webern, Georg: Ungemütliches und Gemütliches. Zwei literarische Leseabende im Forum Stadtpark. In: Neue Zeit, 26. 10. 1965.

Max Riccabona (1915-1997)
schriftsteller, bildkünstler, zeitzeuge

Max Riccabona arbeitete mit einem innovativen Werkansatz. Sein Hauptwerk „Halbgreyffer“ und seine Lyrik basieren auf der Arbeit mit Varianten, dem Vermeiden eines Anfangs und eines Endes. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Prozess. Er datiert seine Texte fast nie und stellt Varianten als gleichberechtigte Texte nebeneinander. Die Aufbereitung des Nachlasses soll diesem Konzept folgen.

Lyrik

Max Riccabonas lyrisches Schaffen schließt eng an seine Prosa an. Der Übergang vom einen zum anderen ist fließend. Eine Trennlinie zwischen „herkömmlicher“ Lyrik, Visueller Poesie und seinen Collagen zu ziehen scheint unmöglich und unnötig. Daher sind auch die Auszüge aus seinem lyrischen Schaffen bunt gemischt aus allen drei Bereichen.


Betäubt

Durch den Kreuzreim, der allerdings nicht durchgehalten wird, und die Stabreime bekommen die Texte einen ganz eigenen Charakter. Man findet die gleichen Motive, ja die gleichen Wortschöpfungen und –kombinationen. Max Riccabona trifft sehr genau die Einsamkeit der Menschen, die auch durch Alkohol, Kapital und Bürgerlichkeit nicht beseitigt werden kann


Grau singt

Von den Texten mit ähnlichem Anfang ("Grau grellen") hebt sich dieser stark ab. Er liegt nur in einer Form vor, ist sehr knapp und scheint ein lyrischer Text im eigentlichen Sinn zu sein. Straff stürzt Riccabona den Leser in einen Aufmarsch der Nationalsozialisten. Unter den mit der Schreibmaschine verfassten Zeilen stehen mit blauem Kuli angefügte Verse, aber sie wirken wie ein eigener Text. Es fehlt die knappe Form.

Meditationen in der Eisenbahn

Es werden die beiden Themenbereiche Technik und Tod gegenübergestellt. Der Bewegung toter Materie steht der Tod in der Natur gegenüber. Der Verfall bleibt in den letzten Bildern im völligen Dunkel aufgelöst. Die Arbeit Riccabonas mit bildungsbürgerlichen Begriffen spiegelt sich schön in der Zeile

Im ewig ungeküssten Haar der Berenice schimmern Läuse,

wieder. Das Dankesopfer wird einerseits durch die Läuse entwertet, es gibt nichts mehr zu danken. Andererseits ist das Haar der Berenice ein Sternenbild, in dem die Läuse auch als Sterne schimmern könnten.

Was da schreiben

Das Thema „Was da schreiben“ findet man unter mehreren Titeln. Sowohl „Störungen“, „Bewusstseinsstörungen" und „Zum Klang purcell’scher Liebessonette“.

Besonders auffällig sind die unterbrochenen Varianten und die zum Teil sehr prosaisch anmutenden Texte.

Goldschaum

Das Spiel von Schönheit und Banalem, wie es im Text selber beschrieben wird, mutet befremdend an. Und doch  wird die Entscheidung im Bauch für den Leser direkt erfahrbar. M. R. trifft die Realität hier nur zu genau. Darum wundert es auch nicht, dass sich als einziger Endreim auf Zeit nur Beschränktheit passt.

Halbgreyffer (Outhis)


Collagen

o. t., faltcollage:

Diese Collage ist eine der zahlreichen bildkünstlerischen Arbeiten Max Riccabonas. Ein Teil davon ist im Forschungsinstitut "Brenner-Archiv" der Universität Innsbruck erhalten, ein Teil im Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek (wo auch der Vorlass Riccabonas sich befindet), der größte Teil im Vorarlberger Landesmuseum, wo 1989 in einer großen Personale die Collagen Riccabonas ausgestellt worden sind.

Riccabonas anti-musealem Gestus entsprechend ist es eine doppelseitige Arbeit, also nicht zum traditionellen Aufhängen und Ausstellen geeignet, sondern als klapp- und faltbares Objekt gedacht. Man kann - da es nicht sinnvoll erscheint, "Vorder-" und "Rückseite" zu trennen - analog zu einer Vinyl-Scheibe von einer A- und einer B-Seite sprechen. Dem gemäß enthält die A-Seite einen geklebten Text, der die sprichwörtliche Verfahrensweise des "anonymen Briefes" aufgreift ("Outhis"), die fragmentarische B-Seite nimmt den poetologischen Ansatz auf, ergänzt die geklebten Lettern um farbiges, collagiertes Bildmaterial und schließt mit der Abbildung eines Mischpultes.

Dieses Mischpult ist signifikant für die Arbeitsweise und Technik Max Riccabonas in seinen bildnerischen wie in seinen literarischen Arbeiten. Riccabona mischt - bevor es in der zeitgenössischen Kunst und der Populärkultur die Begriffe von Sampling, Remix etc. gegeben hat - verschiedene Bestandteile, kombiniert sie immer wieder neu und unterlegt sie mit wiederkehrenden Motiven.

Leitmotivisch kehrt dabei in seinen bildnerischen Arbeiten etwa die Verwendung von Medikamentenschachteln wieder. Damit ist einerseits das Phänomen der Krankheit, des Leidens präsent; andererseits wird die (künstlerische) Verwendung verschreibungspflichtiger Mittel quantitativ weit übertroffen durch die Collagierung von "C-Vit fortissimum" und anderen abwehrstärkenden Präparaten: Somit wird auf eine sehr ironisch materialisierte Weise der Gedanke von Immunität, von Widerstandskraft, von anhaltender Widerständigkeit manifest, und damit ist stets auch Riccabonas persönliche Geschichte - sein Widerstand gegen das NS-Regime, für den er drei Jahre lang in Dachau ("Auf dem Nebengeleise") inhaftiert war - mit involviert.

Zu diesem Thema gehört auch der ausgeschnittene Satz auf der B-Seite: "Daß wir gute Lager liefern, wissen Sie." Ein Satz, der, aus dem Zusammenhang gerissen und in den neuen Kontext des Riccabonaschen Lebenstextes gestellt, mehr als makaber ins Schwarze trifft, und ein Satz, der noch stärker hervorgehoben wird dadurch, daß die anderen Textfragmente auf dieser Seite zumeist unvollständig und zerstückelt sind. "gute Lager" impliziert die perfektionierte Funktionstüchtigkeit der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie; zugleich wird in der verknappt zugespitzten ‚Qualitätsversicherung' "gute Lager" die moralisch-ethische Dimension so unpathetisch wie stark zum Ausdruck gebracht.

Typisch für Max Riccabona ist der spielerische Umgang mit Bild/Text-Mehrdeutigkeiten oder auch -verstärkungen, wenn zum Beispiel in der vorliegenden Arbeit der Buchstabe "O" einmal von einem Geldstück gestellt wird, einmal von einem Kompass und einmal von einer Uhr (die das Wort "Eigentorschlußpanik" schlüssig verstärkt!). Damit sind die Dimensionen Zeit und Raum einerseits, die in Riccabonas Arbeit immer wieder thematisierte Macht des Kapitalismus andererseits (eindrucksvoll in der Buchstabenkombination "knock out") repräsentiert.

"abendländisch normiert" und "musterkonform" spielen eine große Rolle insofern, als Max Riccabona als deklarierter Individualist sich immer gegen Zuordnungen und Festschreibungen zur Wehr gesetzt hat. Ironischen Umgang mit diesem Phänomen zeigt auch das Format dieser Arbeit, die - auf der Basis genormter DIN A4-Seiten bestehend - die reglementierten Ausmaße verlässt, in bewusst verwackelter Optik Vorstellungen vom Idealmaß die Stirn bietet und sie konfrontiert mit der eigenwilligen Ästhetik der bildnerischen wie textuellen "Poetatastrophen".

Petra Nachbaur

Übersetzungen

Max Riccabona beschäftigte sich sehr intensiv mit englischer, französischer und spanischer Literatur. Er selbst versuchte sich auch an einigen Texten als Übersetzer und zu einigen Schriftstellern pflegte er auch persönliche Kontakte.

Briefe

s. Nachlässe "Max Riccabona"

Max Riccabona (1915-1997)
schriftsteller, bildkünstler, zeitzeuge

Projektbeginn: 1.1.2001
Projektende: 31.12.2005

Projektleitung
Johann Holzner

Projektkoordination
Barbara Hoiß

Projektmitarbeit
Sandra Unterweger

Verena Zankl

Petra Nachbaur

Finanzierung
Amt der Vorarlberger Landesregierung,
Abteilung Bildung und Abteilung Wissenschaft und Weiterbildung

Beratende Kooperation
Ulrike Längle, Franz-Michael-Felder-Archiv der Vorarlberger Landesbibliothek
Wilhelm Meusburger, Norman Douglas Forschungsstelle der Vorarlberger Landesbibliothek
Helmut Swozilek, Vorarlberger Landesmuseum

Nachlassgeber
Dora Hanke und Gottfried Hanke

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