München – Gustav Mahler präsentiert den Ertrag einer Sommerfrische
Nicht unwahrscheinlich, dass, gemeinsam mit zahlreichen Größen der damaligen Zeit, auch der Musikwissenschaftler Rudolf von Ficker (1886–1954) vor der Neuen Musik-Festhalle (Theresienwiese) in München stand, dass er, nachdem er das Programmheft um 20 Pfennig erstanden hatte, an einem der musikalischen Höhepunkte der Konzertsaison 1910 teilnahm – der Uraufführung der Achten Symphonie Gustav Mahlers. Mahler, der sie selbst als Hauptwerk ansah, dirigierte die monomentale Besetzung selbst.
Rudolf von Ficker war mit einem der engsten Freunde von Gustav Mahler, mit Guido Adler (1855–1941), lange Jahre in Freundschaft verbunden. Adler war von Fickers Doktorvater gewesen und die beiden arbeiteten bis zum Tod Adlers eng zusammen. Vermittelt durch diesen Kontakt galt auch Rudolf von Ficker die Aufführung als Endpunkt einer jahrelangen Entwicklung dieses Meisterwerks.
FIBA, Sig. 078-002-029-003
Schon in seinen Jugendjahren pflegte Mahler eine Beziehung zur Natur, wie sie in der Literatur der Romantik gestaltet wurde. Er genoss die Klänge und Geräusche der Umwelt und die Kulisse, die ihn dazu inspirierte, seiner künstlerischen Tätigkeit nachzugehen. Ab 1892 verbrachte er beinahe jährlich seine Sommerfrische in den Bergen. Mahler war ungestört und ohne übliche Verpflichtungen, er arbeitete hart an seinen Kompositionen und lebte minimalistisch. Die Sommerfrische 1906 verbrachte er in Maiernigg, in Kärnten, am Wörthersee. Dort komponierte er seine achte Symphonie im "Mahler-Häuschen", das auch heute noch besichtigt werden kann. Von Mitte Juni bis Anfang September entwickelte er den musikalischen Kern seiner Symphonie.
Allgemein lässt sich sagen, dass das Motiv der Natur in Mahlers Werken eine große Rolle spielt. Interessanterweise aber nicht in einer Form, die der Tradition und Epoche der Romantik entspricht. Die Rezeption von Naturphänomenen geschieht durch ein Zitieren von volksliedähnlichen Melodien. Die dadurch gewonnenen Themen beschwören gemeinsam mit den anderen musikalischen Mitteln ein Bild der Natur.
Celina Kerle
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Literatur
Programmheft: Gustav Mahler, 8. Symphonie, Uraufführung, München 1910. FIBA, Nachl. Rudolf von Ficker, Sig. 078-002-029-003-001 bis -008.
Gustav Mahlers 8. Symphonie kann hier angehört werden: https://www.youtube.com/watch?v=SFl0wx34qC4
Elisabeth Fritz-Hilscher: Rudolf von Ficker und die Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Österreich. In: Lukas Christensen, Kurt Drexel, Monika Fink (Hg.): Rudolf von Ficker (1886–1954). Tagungsband zum Symposium anlässlich seines 125. Geburtstages und des 85-jährigen Bestehens des Innsbrucker Institutes für Musikwissenschaft. Innsbruck: innsbruck university press 2012, 69–101.
Christian Wildhagen: VIII. Symphonie in Es-Dur (Symphonie der Tausend). In: Renate Ulm (Hg.): Gustav Mahlers Symphonien. Entstehung – Deutung – Wirkung, 6. Aufl., Kassel: Bärenreiter 2012, 226–263.