Markus Vallazza: Ignaz Zangerle liest Gedichte von Hilde Domin, 23.1.1979 (Sammlung FIBA, Sig. 47-11-17)

 

Markus Vallazza: Dr. Ignaz Zangerle liest Gedichte von Hilde Domin / 23.1.1979. Tuschezeichnung (Sign. 47-11-17)

„Wissen Sie, mit einer Porträtsitzung ist es bei mir nicht geschehen“, schreibt der aus Südtirol stammende Künstler Markus Vallazza an den ihm persönlich noch unbekannten Ignaz Zangerle am 24.2.1978: „Auch mache ich keine Ölporträts sondern ganz einfach Bleistift oder Kohle.“ Ignaz Zangerle (1905-1987) hatte Vallazza offenbar um ein Porträt gebeten. Die erste Sitzung fand am 2. März 1978 in Salzburg statt, wo Vallazza damals wohnte. Zangerle – Leiter des Katholischen Bildungswerks Tirol, bis zu dessen Tod ‚Adlatus‘ des ehemaligen Brenner-Herausgebers Ludwig Ficker, Schutzherr des Fickerschen Redaktionsarchivs und später im Kuratorium des Forschungsinstituts Brenner-Archiv, Mitherausgeber der „Brenner-Studien“ und der „Trakl-Studien“ sowie des Briefwechsels Ludwig Fickers – reiste immer wieder nach Salzburg, denn er war neben diesen seinen Tätigkeiten außerdem einflussreicher Außenlektor des Otto Müller Verlags. Im Nachlass Ignaz Zangerle haben sich 4 Briefe von Markus Vallazza und ein Brief von Zangerle in Durchschlag erhalten (Sig. 28-23-40). Seine anderen Episteln hat der Dauerkommunikator Zangerle wohl mit der Hand geschrieben, vermutlich in blauer Tinte, mit seiner markanten großen und schleifenreichen Handschrift. Vallazza dürfte ihn in einem nicht überlieferten Brief schon nach der ersten Sitzung gefragt haben, ob er etwas dagegen hätte, wenn das Porträt in der Tiroler Kulturzeitschrift Das Fenster erschiene. Zangerle hatte nichts dagegen, man könne das Porträt „ja noch immer als Zweitdruck an die Spitze der geplanten Festschrift setzen“ (21.3.1978). In der Zeitschrift Wolfgang Pfaundlers (Nr. 24/Sommer 1979) erschien eine Serie mit Porträts von Markus Vallazza, zu den Porträtierten zählen Gerhard Amanshauser, H.C. Artmann, Clemens Holzmeister, Peter Rosei, allesamt in einem „Salzburger“ Zusammenhang. Ignaz Zangerle fehlt. Allerdings wurde das Porträt Zangerles tatsächlich zum Frontispiz der Festschrift zu seinem 75. Geburtstag, die ein Jahr zu spät 1981 bei Otto Müller erschien (für Zangerle sehr passend, denn seine eigene verspätete Abgabe von Manuskripten oder Lektoratsgutachten war notorisch). Ob das Porträt für diese Festschrift, vielleicht sogar als Geschenk des Verlags für den Jubilar, angefertigt wurde, wäre zu prüfen. Sowohl die Korrespondenz mit Zangerle als auch die Fenster-Veröffentlichung machen deutlich, dass sich Vallazza in dieser Zeit intensiv mit der Gattung des Porträts auseinandersetzte und verschiedene Zeichentechniken ausprobierte. Die Beziehung zwischen dem Maler und dem ihm „Sitzenden“ wurde lockerer. Vallazza (geb. 1936), im Alter der Kinder von Zangerle, begann die Art seines Gegenübers offenbar zu schätzen. Dessen Briefe konnten sehr gelehrt und sehr komisch zugleich sein – das fand auch der Künstler: „Gelacht habe ich über die Stelle, in der Sie von Ihren schönen Füßen schreiben. Das nächste Portrait machen wir auch mit den Füßen. Ich finde die Idee einmalig, originell und in Ordnung.“ (1.5.1978)

Vor dem abgebildeten Porträt vom 29.1.1979 dürften also andere entstanden sein – ob eines mit nackten Füßen dabei war? Falls ja, so hat es – wie auch alle anderen bis auf das hier vorliegende – (bisher?) seinen Weg in die Überlieferung im Archiv nicht gefunden. Das endgültige Porträt zeigt Ignaz Zangerle seriös und relativ körperlos als Buchmenschen. Er, der katholische Erwachsenenbildner, liest Hilde Domin – eine deutsche Lyrikerin aus jüdischer Familie. Auch diese Wahl ist nicht zufällig, auch dazu wäre viel zu erzählen, angefangen von der Förderung Zangerles für Lyrikerinnen (wie Christine Busta oder Christine Lavant) bis hin zu seiner katholischen Dichtungstheorie (Die Bestimmung des Dichters, 1946), in der er sich zu der Aussage versteigt, dass alle gute Dichtung selbstverständlich katholische Dichtung sei. Auch hier gibt es noch viel zu entdecken. Zangerles Nachlass steht der Forschung offen. Das vorgestellte Porträt schenkte der Porträtierte allerdings noch zu seinen Lebzeiten dem Brenner-Archiv.

Ursula A. Schneider

 

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Abbildung und Zitate mit freundlicher Genehmigung von Markus Vallazza.

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