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Credit: Brenner-Archiv

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Ursula A. Schneider: Die Sammlung Josef Feichtinger - zum 80. Geburtstag des Volksstückautors am 5.1.2018

 

Materialien zum Drama "St. Valentin"

„‚Publikumserziehung‘ ist ein frommer Wunsch aller achtbaren Moralisten und eine Forderung jedes Theaterseminars“, schreibt der Südtiroler Volksstückautor Josef Feichtinger in seinem programmatischen Text Volksstückschreiber – Trivialautor? (2001), und er fährt fort: „Es braucht viel List und Geschick, um ein Körnchen Wahrheit konsumgerecht einzuwickeln, damit ‚Volkstheater‘ nicht zum Idiotentheater verkommt.“ In der Sammlung Josef Feichtinger im Brenner-Archiv kann sich die Forschung ansehen, auf welche Weise der „Volksstückschreiber“ seine eigenen poetologischen Ansprüche einlöst. In Südtirol machen „4000 aktive Laienspieler“ in „209 Volksbühnen“ für „147.000 Zuschauer“ Theater (so im o.g. Text). Josef Feichtinger (geboren am 5.1.1938 – wir gratulieren zum runden Geburtstag!) ist einer der erfolgreichsten Südtiroler Volkstheaterautoren. Sowohl das Publikum in seinem Anspruch und seinen Bedürfnissen als auch die Rahmenbedingungen, in denen ein Volksstückautor für Laienbühnen sich bewegt, sind Feichtinger „– aus Erfahrung –“ bestens bekannt. Ein solcher Autor wird, wie er schreibt, automatisch „durch eine Reihe von Zwängen in die Trivialzone abgedrängt“;

Materialien zum Drama "Der Saubohnenprozess"

vor allem nennt er hier den „Zwang zur Komik“ und den „Zwang zur Vereinfachung“. Dass und wie selbst große und vor allem im lokalen Kontext heikle politisch-historische Themen wie die Südtiroler Option oder die Diskussionen um das Bozner Siegesdenkmal in Stücke gegossen werden können, die einerseits den genannten Zwängen ausgesetzt sind, andererseits politisch eben nicht veralbern oder simplifizieren, zeigt Josef Feichtinger u.a. in seinen Stücken St. Valentin – Szenen aus dem Südtiroler Exil (UA 1989) und Der Saubohnenprozess (UA 1990). Oben abgebildet sind Materialien zu diesen Dramen, die u.a. belegen, dass Feichtingers Stücke auch von italienischer Seite her positiv rezipiert wurden – u.a. mittels einer Übersetzung von St. Valentin in den Trentiner Dialekt, besorgt von Elisabetta Squarcina. Einen „Philologenspaß“ nennt ein Rezeptionszeugnis das Stück Der Saubohnenprozess, und das ist es auch, ein theatralischer Spaß des promovierten Theaterwissenschaftlers – mit durchaus derben Anteilen, die, je nach Publikum, zu lautem oder verschämtem Gelächter reizen. Dr. Josef Feichtinger war Lehrer, unterrichtete jahrzehntelang in Schlanders Deutsch und Latein, publiziert(e) über Geschichte und Literatur Tirols, über das Volkstheater und zur Theaterpädagogik. Johann Nestroy ist für ihn einer der wenigen Autoren, die es geschafft haben, „einem breit gefächerten […] Publikum aggressive Sprachkunstwerke erfolgreich vor die Nase zu setzen“. Die Themen für seine eigenen Dramen – die „Alltagskost für die 209 Laiengruppen“, wie Feichtinger es nennt – kommen aus der Gegenwart und der Geschichte Südtirols; zuletzt das Stück Hauptmann Spadone marschiert (2016), das in der Zeit des Ersten Weltkriegs angesiedelt ist und die Auswirkungen des Krieges in einem Dorf zum Thema hat. 

 

Hinweise und Links:

Alle Zitate Josef Feichtingers aus: J. F.: Volksstückschreiber – Trivialautor? In: sturzflüge 49/2001, S. 15-16, hier: S. 16, Sig. 143-03-35-03. Die abgebildeten Materialien zu St. Valentin: Sig. 143-02-01 bis -03, zu Der Saubohnenprozess: Sig. 143-02-04. Beide Stücke sind in Buchform erschienen u.a. in: Josef Feichtinger: Der Saubohnenprozess und andere Stücke. Hg. v. Toni Bernhart. Innsbruck, Bozen, Wien: Skarabäus 2008, S. 11-68 (St. Valentin) und S. 69-134 (Der Saubohnenprozess).

Zur Biographie und Bibliographie Josef Feichtingers siehe Lexikoneintrag Literatur in Tirol.
Die Sammlung Josef Feichtinger ist im Brenner-Archiv detailliert verzeichnet.

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