Die Familie in Wirtschaft und Transfersystem: Eltern als zentrale Leistungsträger
Bernhard Binder-Hammer
Das soziale und intergenerationelle Unterstützungssystem besteht aus zwei Komponenten: staatlichen Transfers und den Leistungen der Familie. In Statistiken, und auch im öffentlichen Diskurs werden die Leistungen der Familien aber weitgehend ignoriert.
Nationale Transferkonten schließen diese Lücke: Transferkonten messen Einkommen nach Alter und Geschlecht sowie die Umverteilung zwischen Altersgruppen. Insbesondere werden Transferleistungen von Eltern zu Kindern berücksichtigt, auch die Transfers durch unbezahlte Arbeit. Die Nationalen Transferkonten für Österreich zeigen, dass der ökonomische Wert der Transfers von Eltern zu Kindern etwa dem Wert der staatlichen Transfers zur älteren Bevölkerung entspricht.
Nationale Transferkonten stellen intergenerationelle Unterstützungsleistungen umfassend dar. Damit lassen sich auch die Probleme mit dem Generationenvertrag genauer analysieren. Erstens sind die Investitionen in Kindern viel zu gering, um die hohen Ansprüche der älteren Generation langfristig zu rechtfertigen. Zweitens wird der Generationenvertrag über das Pensionssystem außer Kraft gesetzt. Eltern, insbesondere die Mütter, leisten den Großteil der Investitionen in die nächste Generation und damit in zukünftige Beitragszahler, werden aber selbst mit niedrigeren Pensionen bestraft.
Auch Daten und Wirtschaftsindikatoren sind Machtinstrumente. Sie bestimmen, welche Entwicklungen, Interessen und Ungleichheiten wahrgenommen werden, welche Antworten wir auf Herausforderungen finden. Nationale Transferkonten integrieren die Generationenperspektive in Wirtschaftsdaten und heben die zentrale Rolle von Familien im Transfersystem hervor.
Bernhard Binder-Hammer ist Bevölkerungsökonom am Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Integration von Demographie in Wirtschaftsdaten. Dazu zählen insbesondere die Messung und Analyse intergenerationeller Transfers durch Staat und Familien, sowie die Analyse von Wirtschaftskrisen und deren Auswirkung auf unterschiedliche Altersgruppen.
Hammer, B., Prskawetz, A. (2022). Measuring private transfers between generations and gender: an application of national transfer accounts for Austria 2015. Empirica. https://doi.org/10.1007/s10663-022-09542-z
Binder-Hammer, B., Buber-Ennser, I. (2021) Der Generationenzusammenhalt. In 6. Österreichischer Familienbericht 2009 – 2019. 282 – 313. https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:7a4c61a9-226a-4130-a14f-30051e9beff3/6-Familienbericht-2009-2019_Familienbericht_BF.pdf
Hammer, B., Istenič, T., & Vargha, L. (2018). The Broken Generational Contract in Europe: Generous transfers to the elderly population, low investments in children. Intergenerational Justice Review, 12(1), 21-31. https://doi.org/10.24357/igjr.12.1.640