Viele Ökosysteme der Welt sind überlastet und stehen vor Kippunkten. Damit sind auch ihre zahlreichen Dienstleistungen bedroht, die für unser Überleben essentiell sind und die in der Regel als Selbstverständlich wahrgenommen werden. Dazu gehören zum Beispiel frisches Trinkwasser, Atemluft und Pflanzenbestäubung. Ein Ansatz, um Ökosysteme zu schützen, sind die sogenannten Payments for Ecosystem Services (PES). Kritiker:innen befürchten jedoch, dass dieser Ansatz andere, moralische Motivationen für den Umweltschutz verdrängen könnte. Eine Studie von Esther Blanco, Professorin für Volkswirtschaft an der Universität Innsbruck, zeigt nun, dass dem nicht so ist.
Sorge vor Verdrängungseffekt
„PES sind Programme, bei denen Landbesitzer:innen dafür bezahlt werden, die Natur zu erhalten“, erklärt Esther Blanco. „Sie stellen eine Möglichkeit dar, der Natur selbst einen Wert zuzuweisen, so dass Landbesitzer:innen die Natur in ihrem unberührten Zustand als wertvoll erachten und nicht nur auf ihre produktive Nutzung aus sind. So erhält beispielsweise ein Baum einen Wert, ohne dass er dafür gefällt und zu Holz verarbeitet werden muss.“ Somit stellen PES ein Instrument dar, dass die Vorstellung ändern soll, aus der Natur gewonnene Vorteile und Leistungen seien gratis. Weltweit laufen aktuell geschätzt 550 PES-Programme, insgesamt 36 Milliarden Dollar werden dadurch jährlich als Zahlungen in den Naturschutz investiert. Allerdings können PES auch aus den unterschiedlichsten Gründen wieder eingestellt werden, z.B. aus politischer Motivation oder weil ein Programm ausläuft.
Eine grundlegende Befürchtung wird immer wieder von Kritiker:innen geäußert: eine Bepreisung der Natur könnte dazu führen, dass Naturschutz ausschließlich unter finanziellem Gesichtspunkt betrachtet wird, und dass Menschen demotiviert werden könnten, die Natur aus anderen Gründen zu erhalten, die in der Vergangenheit für sie von Bedeutung waren. „Zu diesen Motivationen zählen unter anderem der Stolz auf die eigenen Bemühungen zur Erhaltung der Natur, Verantwortungsbewusstsein, moralische Werte und soziale Normen“, sagt Blanco. Dies Verdrängung von ursprünglichen Motivationen durch Geldanreize nennt sich in der Volkswirtschaftslehre „Verdrängungseffekt“ oder „Crowding Out“. Fallen die Zahlungen weg, so die Befürchtung, verschwindet auch die Motivation.
Studie zeigt bleibende Motivation
In einer neu veröffentlichten Studie verglich Blanco Landbesitzer:innen in Kolumbien, deren PES-Zahlungen eingestellt wurden, mit solchen, die gar keine erhalten hatten oder sie noch bezogen. Dabei stellte sie fest, dass kein Verdrängungseffekt stattfand. Die Landbesitzer:innen zeigten sich auch nach Einstellung der Zahlungen motiviert und betrieben weiter Umweltschutz auf ihrem Land. Dieser wichtige Kritikpunkt gegenüber PES ließ sich somit nicht bestätigen.
Blanco lehrt und forscht mit einem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit. Mit ihrer Forschung untersucht sie den Einfluss von Institutionen auf kooperatives Verhalten und die Stärkung von grünen, fairen, wissensbasierten Gesellschaften. Mit PES hat die Wissenschaftlerin sich schon eingehend beschäftigt und zahlreiche Studien veröffentlicht.
„PES werden sehr häufig im Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt, zum Beispiel in der REDD+-Initiative, die Wälder als Kohlenstoffspeicher finanziell attraktiv machen soll“, sagt Blanco. „Meine Meinung zu klimapolitischen Maßnahmen ist sehr pragmatisch: Wenn sie wirksam sind und das Wohlergehen und Gleichheit verbessern, sollten sie genutzt werden. Einzelne politische Lösungen für den Klimaschutz werden meiner Meinung nach nicht ausreichen. Ich sehe die größte Hoffnung in einem Policy-Mix, der auch eine Entschädigung derjenigen vorsieht, die sich stärker für den Klimaschutz einsetzen.“
Als nächsten Schritt plant Blanco, aus den Ergebnissen ihrer Studie allgemeine Aussagen abzuleiten. „Ich habe mehrere wirtschaftliche Experimente zu den Merkmalen von PES-Programmen durchgeführt, um positive Wechselwirkungen zwischen Geber:innen und Empfänger:innen festzustellen. „Es wäre sehr interessant, einige der Ergebnisse in der Praxis zu prüfen, ähnlich wie bei der kürzlich veröffentlichten Studie“, sagt Blanco. Zum Beispiel haben wir das sehr belastbare Ergebnis, dass Ausgleichszahlungen am besten funktionieren, wenn relativer Aufwand mit relativen Belohnungen kompensiert wird, also dass diejenige, die mehr Aufwand betreiben, auch mehr Ausgleichszahlungen erhalten. Wenn die Entschädigung gleichmäßig an alle verteilt wird, unabhängig von der Anstrengung, können wir keinen Anstieg der Anstrengung beobachten. Wir arbeiten derzeit unter anderem daran, diese Ergebnisse in der Praxis zu testen.“
Publikation
Esther Blanco, Lina Moros, Alexander Pfaff, Ivo Steimanis, Maria Alejandra Velez, Björn Vollan, No crowding out among those terminated from an ongoing PES program in Colombi, Journal of Environmental Economics and Management, Volume 120, 2023.