Ein­ma­lige Koope­ra­ti­ons­ent­schei­dun­gen unbe­ein­flusst von erhöh­tem Nut­zen für die Gesell­schaft

Eine kürzlich in PNAS veröffentlichte Studie zeigt eine kritische Lücke in unserem Verständnis von kooperativem Verhalten in hochrelevanten und allgegenwärtigen Einzelbegegnungen auf.

Zusammenarbeit ist ein grundlegendes Merkmal menschlichen Verhaltens. Bisher wurde angenommen, dass Menschen eher kooperieren, wenn der Nutzen aus Zusammenarbeit höher ist. Traditionellerweise wurde Kooperation in Bezug auf öffentliche Güter bei wiederholenten Interaktionen untersucht, bei denen Personen Vertrauen und wechselseitige Beziehungen aufbauen und ihr Verhalten basierend auf den Handlungen anderer verändern konnten. In Wirklichkeit sind viele Entscheidungen zur Zusammenarbeit, wie beispielsweise bei Freiwilligenarbeit oder Spenden für Krisenhilfsmaßnahmen, jedoch einmalig und ohne offensichtliche Interaktionen in Zukunft oder längerfristige Beziehungen zu erwarten. In der vorliegenden Forschungsarbeit wird untersucht, wie Menschen kooperieren, wenn sie nur eine einzige Gelegenheit haben in einer sozialen Gruppe zu agieren, ohne die Identität der anderen Gruppenmitglieder zu kennen.

In zwei Experimenten mit über 2.000 Teilnehmer:innen wurde der potenzielle Nutzen aus der Zusammenarbeit bei der Bereitstellung öffentlicher Güter variiert. Bei erhöhtem Nutzen aus der Zusammenarbeit konnte keine signifikante Änderung in der Kooperationsbereitschaft der Teilnehmer:innen festgestellt werden. Der diesem Verhalten zugrundeliegende Mechanismus scheint in der Erwartungshaltung des Einzelnen in Bezug auf die Kooperationsbereitschaft der anderen zu liegen, die sich durch den Nutzen aus der Zusammenarbeit ebenfalls nicht ändert. Da die Teilnehmer:innen nicht erwarteten, dass andere bei steigendem Nutzen vermehrt kooperierten, war es unwahrscheinlich, dass sie ihre eigenen Kooperationsbemühungen erhöhten - selbst wenn sich der Nutzen aus der Kooperation tatsächlich verdoppelte.

Warum ist das wichtig?

Die Ergebnisse zeigen eine erhebliche Lücke im Verständnis von kooperativem Verhalten bezüglich hochrelevanter, sich häufig ergebender Alltagssituationen mit einmaligen Begegnungen. Das wiederum hat grundlegende Auswirkungen darauf, wie wir über die Verbesserung von Zusammenarbeit bei der Bereitstellung öffentlicher Güter nachdenken sollten, insbesondere im Hinblick auf akute Einmalszenarien wie zum Beispiel Katastrophenhilfe oder freiwilliges Engagement in Notfällen. Die vorliegende Forschung eröffnet neue Wege im Hinblick auf die Erforschung von Zusammenarbeit in einmalig vorkommenden Entscheidungssituationen, insbesondere hinsichtlich dessen, wie Individuen den Nutzen aus Kooperation interpretieren, und welche Erwartungshaltung sie an das Verhalten anderer haben. Dies erfordert ein tieferes Verständnis der psychologischen und sozialen Faktoren, die dabei eine Rolle spielen.

Perspektiven

Natalie Struwe
Universität Innsbruck

Die vorliegende Forschung ist das Ergebnis langjähriger Ausdauer, wissenschaftlicher Neugier, Disziplin und aufschlussreichen wissenschaftlichen Austauschs. Wir konnten die Ergebnisse zunächst selbst nicht glauben, überprüften die Daten mehrmals und wiederholten die Studie mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Die Entscheidung zur Zusammenarbeit ist durch ein so genanntes soziales Dilemma charakterisiert. Dabei handelt es sich um Situationen, in denen Eigeninteressen mit sozialen Interessen in Konflikt stehen. Bei höherem Nutzen aus der Zusammenarbeit ist dieser Konflikt viel geringer, und wir würden eine viel höhere Kooperationsrate erwarten. Wir waren überrascht zu sehen, dass die Kooperationsbemühungen der Menschen nicht einmal dann entsprechend zunahmen, wenn der Nutzen aus der Kooperation drastisch erhöht wurde. Dies deutet darauf hin, dass Zusammenarbeit in Wirklichkeit - wie z. B. bei Spenden für die unmittelbare Katastrophenhilfe - nicht immer auf der Erwartung eines erhöhten Nutzens basiert.
Wir hoffen, dass die vorliegende Forschungsarbeit Diskussionen über die bisherigen grundlegenden Annahmen über menschliche Zusammenarbeit anregen wird.

Esther Blanco
Universität Innsbruck

Zusammenarbeit ist ein wesentliches Merkmal menschlichen Verhaltens. Sie spielt in vielen Bereichen der Gesellschaft eine entscheidende Rolle - sei es bei einfachen, alltäglichen oder bei schwierigen, komplexen Entscheidungen. Kooperation hilft uns, in Gruppen zusammenzuleben und gemeinsam zu wachsen. In der vorliegenden Arbeit konzentrieren wir uns auf Extremsituationen. Untersucht werden einmalige Begegnungen, bei denen die Personen anonym sind und einander nicht kennen. Trotz dieser Bedingungen beobachten wir hohe Kooperationsbereitschaft, wobei die Teilnehmer:innen 40-50 % ihrer Kapitalausstattung investieren. Menschen kooperieren sogar unter diesen Bedingungen in hohem Maße! Interessanterweise bleibt diese Zusammenarbeit stabil, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Zusammenarbeit in der Gruppe variiert. Mit über 2.000 Beobachtungen aus zwei Experimenten, acht Treatments zwischen den Probanden und drei verschiedenen Probandenpools können wir kleine Effektgrößen (8-13 %) ausschließen - kleiner als was bisher aus Studien über sich wiederholende Interaktionen hervorging. Dieses überraschende Ergebnis unterstreicht die Notwendigkeit eines tieferen Verständnisses der grundlegenden Motivation für kooperatives Verhalten.

James Walker
Universität Indiana, Bloomington

Kooperatives Verhalten in sozialen Dilemmasituationen ist eines der am meisten untersuchten Gebiete der experimentellen Wirtschaftswissenschaft. Die Untersuchungen dieser Studie umfassen mehr als 2000 Beobachtungen von Probanden in einer einmaligen Situation (einmalige Beitragsentscheidung) hinsichtlich eines öffentlichen Guts. Das ist eine sehr große Stichprobe für Experimente dieser Art. Der Grund dafür ist, dass wir selbst von den ersten Ergebnissen überrascht waren. Unter anderem dank der Kommentare von Kolleg:innen haben wir das Experiment sowohl auf Online- als auch auf Laborsituationen (die in unserem Forschungsbereich häufiger vorkommen) sowie auf verschiedene Probandengruppen ausgeweitet. Bei Variation der Vorteile der Zusammenarbeit in diesem streng-kontrollierten Umfeld mit nur einer Entscheidungssituation konnten wir keine signifikante Änderung der Reaktion der Probanden oder der Erwartungshaltung der Probanden an das Verhalten der anderen Gruppenmitglieder feststellen. Wir fanden jedoch eine wichtige Korrelation zwischen dem eigenen kooperativen Verhalten und den Erwartungen an das Verhalten der anderen. Diese Studie zeigt die Bedeutung zukünftiger Studien über die Entstehung von Erwartungshaltungen an das Verhalten anderer und über Veränderungsmöglichkeiten solcher Erwartungen, um eine bessere Zusammenarbeit zu fördern, insbesondere in einem einmaligen Entscheidungsumfeld, in dem es keine Vorgeschichte zwischen den Entscheidungsträgern oder Erwartungen an zukünftige Interaktionen gibt.

Publication:
Increasing benefits in one-time public goods does not promote cooperation
,
Proceedings of the National Academy of Sciences, October 2024, Proceedings of the National Academy of Sciences,
https://doi.org/10.1073/pnas.2410326121.

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