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Kunstvoll gestalteter Ausschnitt einer Gebetsanleitung der Rosenkranzbruderschaft Brixen aus dem Jahre 1847. Deutlich zu erkennen ist die Wichtigkeit des Totenkultes, die unter anderem auf dem Glauben an das Fegefeuer basiert. Diözesanarchiv Brixen, 3566.

Nur aus Frömmigkeit? Frauen im katholischen Bruderschaftswesen vom 17. bis ins 19. Jahrhundert in Tirol und Kärnten

Die Begriffe Frau und Bruderschaft klingen zunächst schwer miteinander vereinbar. Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauen ebenso tragender Bestandteil dieser für die allgemeine Bevölkerung etablierten religiösen Vereinigungen waren – häufig sogar einen Großteil der Mitglieder ausmachten.


Bruderschaften wurden installiert, um römisch-katholische Moralvorstellungen und Frömmigkeitspraktiken zu verbreiten und zu intensivieren. Deren Relevanz für die katholisch gesinnte Bevölkerung kann durchaus mit der einer heutigen Lebensversicherung verglichen werden. Zweifelsohne stellen Bruderschaften aufgrund ihrer Struktur (Aufbau, Verwaltung, Tätigkeit) so etwas wie ein „Brennglas“ dar, mit dem Lebensrealität und Handlungsmacht katholisch gesinnter oder zumindest katholisch sozialisierter Frauen untersucht werden können. Der Großteil der Quellen befindet sich im Diözesanarchiv Brixen sowie im Diözesanarchiv Gurk-Klagenfurt. Auch das Stadtarchiv Innsbruck bietet interessante Dokumente. Bei den Quellenarten selbst handelt es sich um Urbarien, Mitgliederverzeichnisse Rechnungen und Rechnungsbeilagen sowie Inventare, Statuten, Altarprivilegien, Stiftmessen und Bittschriften. Folgende Fragen bilden den Rahmen der Untersuchung: Welche religiösen und nicht-religiösen Motive bewegten Frauen zum Beitritt? Wie äußerte sich die Agency? Welche gesellschaftspolitische Relevanz hatten Bruderschaften?

„Jesu! erbarme dich der Sterbenden, und verlass sie in ihren Todesnöthen nicht“ – Totenkult als Basis

Der Anspruch dieser Vereinigungen war vor allem das Gedenken an die Verstorbenen und die damit einhergehende Pflege des eigenen Seelenheils, Rupert Klieber attestiert den Bruderschaften sogar eine „Dominanz des ‚Totenkults’“ (Klieber 1999, S. 27–28).

In einer Belehrung der Rosenkranzbruderschaft Brixen heißt es im Jahr 1847 etwa, dass das jeweilige Mitglied „vor Jesu Christo und der seligsten Jungfrau Maria erscheinen [muss], um von dem hochwichtigen Geschäfte des Heiles der Sterbenden zu handeln“, z. B. sollten in der Stunde für die Sterbenden „der ganze Psalter Unser Liebe Frau, [...] drey Rosenkränze, jeden von fünf Absätzen“ gebetet werden. Das Gebet müsse „langsam und andächtig“, könne aber „knieend, gehend, stehend, sitzend, zu Lande und zu Wasser“ verrichtet werden (DKA Brixen 3566, 1847).

In St. Margarethen bei Wolfsberg (Kärnten) entstanden im Jahr 1839 an der Pfarrkirche eine Bruderschaft und eine explizit genannte Schwesternschaft, die aber beide unter dem Namen Rosenkranzbruderschaft liefen, allerdings separat verzeichnet wurden. So wurden auch Regeln für das jeweilige Geschlecht aufgestellt. Die weiblichen Mitglieder sollten beispielsweise verbindlich „nach Absterben ihrer Mitschwester eine h.[eilige] Seelenmesse lesen“ lassen. Vom Glauben abgekommene „Mitschwestern“ sollten „durch Ermahnen, Bitten und Bethen wieder auf den Weg der Tugend“ zurückgeführt werden. Direkt unter dieser Belehrung lässt sich ein interessanter Nachtrag finden, der von einer Auflassung der Schwesternschaft „ob Missbräuche“ spricht (DA Gurk Hs. 056, 1839).

Bruderschaften als Dienstleister

Dass Fraternitäten Eigentümer vieler Grundstücke waren, geht aus den zahlreichen Urbarien hervor, wo standeshöhere Frauen häufig, aber meist in Verbund mit dem Namen ihres Ehemannes genannt wurden. Eine Ausnahme bildet unter anderem der Eintrag zu einem Landstück in Bozen über „ainour Titl frau Clara gräfin zu Wolckenstain“, welcher ohne die Nennung eines Ehemannes auskommt (DKA Brixen Hs II 184, 1766, fol. r 50). Auch als Stifterinnen, Schuldnerinnen und Bittstellerinnen tauchten Frauen immer wieder in den Quellen auf. Weihnachtsalmosen vergab beispielsweise die St. Anna Bruderschaft Brixen, wo insgesamt 21 Frauen und vier Männer als Empfänger_innen auftauchten (DKA Brixen, Hs. II 132, 1748). Eine bemerkenswerte Bittschrift des Jahres 1762 erzählt von einer Mutter, die die St. Anna Bruderschaft um eine „gnädige beihilf“ bittet, da ihr Sohn Johannis wegen einer „hizigen khranckheit“ verstorben sei, und sie sich das Begräbnis wegen der hohen Studienkosten, die sie für ihn bezahlt hatte, nicht leisten könne (DKA Brixen 3559, 1762). Andere Supplikantinnen bitten um Brennholz für den Winter oder Geld für die Renovierung einer baufälligen Hütte. Eine Frau schreibt 1688 davon, dass sie an ihrer rechten Hand beeinträchtigt sei und daher nicht essen und schreiben könne. Auf letzteren Umstand weist sie sogar hin, wenn sie schreibt „wie es woll zu sëihn ist“; tatsächlich weist diese Bittschrift eine rudimentäre Linienführung auf. Wegen ihrer Beeinträchtigung beantragt sie eine Geldspende (DKA Brixen 1511, 1688).

Wie bereits erwähnt, konnten Mitglieder auch stiften – etwa Messen, aber auch Kirchenausstattung. Ein Beispiel dafür ist die Stiftung einer Frau an die Rosenkranzbruderschaft Paternion in Kärnten, welche vier „Quatembermessen“ sowie den Erhalt der Paramente und des Lichtes (gemeint sind vermutlich Kerzen) anordnete. Auch die Tätigkeit des Pfarrers und Messners sollte durch ihre Spende wertgeschätzt werden (PA Paternion, 2, V/1, 1713 bis 1914).

Dass dem Stiftungswillen der Mitglieder nicht immer zufriedenstellend nachgegangen wurde, geht aus einem aus dem Jahr 1645 stammenden Schreiben eines Mannes hervor: Seine verstorbene Frau habe der St. Anna Bruderschaft Brixen „fünfzig gulden“ vermacht, um „irer Seelen“ zu „Haill und Trost“ zu verhelfen, indem eine „ewig järliche Seelmeß“ gelesen würde, dies allerdings nicht in gewünschtem Ausmaß passiere. So lässt der Mann die Zuständigen wissen, dass das Geld „samt [...] eingenommenen Zinsen“ zurückgegeben werde solle, sodass er „alsdann den herrn Carmelitern zu Lienz geben khönn, als beÿ denen die Stiffterin selig in der Scapulier Bruedershafft ain Mitshwester gewest, und welliche herrn [...] die gestiften Messen hoffentlich gar gern halten“ (DKA Brixen 2007, 1645).

Der Beitritt zu einer (oder mehreren) Bruderschaft(en) darf neben dem Erlösungsgedanken auch als Ersatz für klerikale Ämter – die schließlich Männern vorbehalten waren – gewertet werden. Für Frauen waren es vermutlich genau solche Vereinigungen, die ihnen am ehesten eine Möglichkeit zur Agency (etwa in Form von Stiftungen) boten. Der spezifische Blick auf die Handlungsmacht soll verhelfen, den Unterschied zwischen „normalen“ kirchlichen und den weniger starren semi-kirchlichen Institutionen, wie den Bruderschaften, herausarbeiten zu können. Grundsätzlich wird erwartet, dass Frauen in diesem Rahmen mehr Möglichkeiten zugestanden worden waren als es die Amtskirche eigentlich vorsah.

Auch sozioökonomische Faktoren spielten wohl für die Bewerberinnen als auch Bewerber eine Rolle, z. B. indem Bruderschaftsbünde ihren sozial schwächeren Mitgliedern mit Geldspenden halfen.

Mitgliederverzeichnis der St. Cassian-Bruderschaft Brixen: Zu sehen sind u. a. die Gründungsmitglieder sowie weitere geschlechts- und standesunabhängige Aufnahmen aus verschiedenen Jahren. Diözesanarchiv Brixen, Hs. II 32.

Literatur

Klieber, Rupert, Bruderschaften und Liebesbünde nach Trient. Ihr Totendienst, Zuspruch und Stellenwert im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben am Beispiel Salzburg 1600–1950, Frankfurt am Main 1999.

Quellen

Belehrung für Mitglieder Rosenkranzbruderschaft Brixen, 1847, DKA Brixen, 3566.

Aufstellung der Bruderschaftsregeln, Rosenkranzbruderschaft St. Margarethen, Pfarrarchiv St. Margarethen bei Wolfsberg, 1839, DA Gurk, Hs. 056.

Urbarium Bruderschaft St. Anna, 1766, DKA Brixen, Hs II 184, fol. r 50.

Raittung, Bruderschaft St. Anna, 1748, DKA Brixen, Hs. II 132.

Rechnungsbeilagen/Bittschreiben, St. Anna Bruderschaft, 1762, DKA Brixen 3559.

Bittschreiben, St. Anna Bruderschaft, 1688, DKA Brixen 1511.

PA Paternion, 2, V/1 Rosenkranzbruderschaft 1713 bis 1914.

Stiftbrief, Haltung einer Messe, Bruderschaft St. Anna, 1645, DKA 2007.

Zur Person

Isabella Brandstätter studierte Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung sowie Deutsch im Rahmen des Lehramtstudiums an der Universität Innsbruck und ist derzeit Doktorandin der Geschichtswissenschaft im Kernfach Österreichischer Geschichte. Sie befasste sich schon in ihrer Diplomarbeit mit historischer Frauen- und Geschlechterforschung. Seit November 2020 unterrichtet sie am Realgymnasium Schwaz. Isabella Brandstätter ist Kollegiatin des Doktoratkollegs „Austrian Studies“.

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