In seiner Konsortiumssitzung Ende Juni hat der FWFdie Förderung der Open Access Publikation der Habilitationsschrift von Peter C. Pohl im Umfang von 11.409 € beschlossen. Das Gutachten bescheinigt der Studie eine durchgehend 'herausragende' Qualität, d. h., dass sie "nach internationalen Maßstäben zu den besten 5 %" ihres Faches gehört und "mit hoher Sicherheit bahnbrechende und/oder außerordentliche Beiträge zur Entwicklung des Wissensstandes" leisten wird.
Aber worum geht es in der Studie?
Die Frage, auf wann das Entstehen der modernen Kreativökonomie datiert, hat der Kultursoziologe A. Reckwitz mit Hinweis auf literarische Avantgarden – Sturm und Drang, Romantik – und kulturelle Nischen beantwortet. Die Habilitationsschrift stellt diese Annahme in Frage. Sie rückt ihrerseits Bildungsinstitutionen und Bildungsromane des 18.-19. Jahrhunderts ins Blickfeld der Kreativitätsforschung. Die analysierten Institutionen, z. B. Kindergärten, Schulen, Universitäten, stellen Orte dar, an denen das einst bestimmten sozialen Gruppen zufallende Privileg der Muße anderen Gruppen zugeteilt wurde. Ferner zeigt die Studie im Anschluss an die Arbeiten von Fr. Kittler, J. Vogl und Th. Wegmann, dass Bildungsromane die Institutionalisierung freier Zeiten und die Grundlegung der Kreativökonomie nicht nur inspirierten und präformierten, sondern in Form gattungskonstituierender Kreativitätsszenen die Begrenzungen und Irrwege solcher Maßnahmen thematisierten, reflektierten und problematisierten.
Eine Arbeit, die Theorie und Geschichte des Bildungsromans von der Gesellschaft der Singularitäten und der aktuellen Kreativökonomie perspektiviert, fehlte bislang. Zudem wurden Verbindungen zwischen Diskursen, Institutionen und Praktiken der Erziehung und dem Bildungsroman höchstens punktuell, nicht aber historisch-systematisch untersucht. Dank ihres Ansatzes kann die Studie den Einzeltexten neue Einsichten abgewinnen und diese Aspekte in die gattungstheoretische Diskussion einbringen. Nicht zuletzt kann sie die Bedeutung kanonischer Literatur für die Sozioanalyse und die bildungspolitische Reflexion belegen.