DECOLONIZING DIVERSITY? Dekoloniale Reflexion von Diversität. Kritische Perspektiven aus intersektional-mehrfachvulnerabilisierten Positionen
Diversität wird oft als Gleichstellungskonzept, Inklusionspolitik oder Gerechtigkeitsstrategie betrachtet. Diversitätsprogramme versprechen, soziale und institutionelle Räume zu transformieren, um sie inklusiver für historisch marginalisierte Gruppen zu gestalten. Das übergeordnete Ziel von Diversitätskonzepten sollte die Schaffung nachhaltiger körperlicher und geopolitischer Diversität sein, die in gleichstellungsorientierten Institutionen sowie in hyperdiversen, postmigrantischen Gesellschaften zum Standard erhoben werden könnte. Plurale Demokratien müssen, wenn sie sich der Strategie der Diversität verschreiben, die körperliche und geopolitische Marginalisierung von Gruppen mit geringer sozialer Macht kritisieren, hinterfragen und Maßnahmen ergreifen, um institutionelle Diversität zu verwirklichen. Diversität muss daher erreichen, dass die institutionelle Zugehörigkeit historisch marginalisierter Gruppen zur Normalität in den Institutionen pluraler Demokratien wird.
Kritische Schriften der intersektionalen Ungleichheitsforschung problematisieren drei zentrale Bereiche, in denen Diversitätskonzepte und -programme zu kurz greifen und dringend überarbeitet werden müssen: 1) das Fehlen einer materialistisch-orientierten Perspektive, die sich auf Verteilungsgerechtigkeit bezieht; 2) das Fehlen einer dominanzkritischen, dekonstruktivistischen Perspektive von Diversität, die nicht nur Menschen, die von Differenz- und Hierarchieverhältnissen in Institutionen negativ betroffen sind, oberflächlich einbezieht (Fix the Excluded), sondern gerade die institutionellen Barrieren, die sie exkludiert explizit macht und transformiert (Fix the Institution); und 3) die fehlende Konkretisierung von Diversityarbeit sowohl in Bezug auf die Herstellung körperlicher als auch geopolitischer Diversität, was eine engere Verbindung zwischen diversitäts- und dekolonialitätsbezogenen Gerechtigkeitsstrategien erfordert.
Dieser Vortrag beginnt mit einer kritischen Perspektivierung auf Diversität anhand von Schriften der intersektionalen Ungleichheitsforschung, insbesondere von rassistisch marginalisierten Diversitätsforscher*innen und Diversity-Workers. Anschließend werden die Überarbeitungsrichtlinien, die aus einem dekolonial fundierten Verständnis von Diversität generiert werden, vorgestellt und diskutiert.
Texte:
- Ahmed, Sara (2012): On being included: Racism and Diversity in Institutional Life. Durham/London: Duke University Press.
- Bilge, Sirma. 2020. ‘We’ve Joined the Table, But We’re Still on the Menu’: Clickbaiting Diversity in Today’s University. In: John Solomos (ed.), The Routledge International Handbook on Contemporary Racisms (chap. 24, pp. 317- 331). Oxon: Routledge. Publié (P)
- Makhubela, Malose (2018): Decolonise, Don’t Diversify- Discounting Diversity in the South African Academe as a Tool for Ideological Pacification. In: Education As Change 22 (1): Volume 22 | Number 1 | 2018 | #2965 | 21 pages.
- Michaels, Benn W., 2006. The Trouble with Diversity: How we learned to love Identity and to ignore Inequality. New York: Holt
- ZDfm 1-2017 | Vielfältige Differenzlinien in der Diversitätsforschung, ZDfm – Zeitschrift für Diversitätsforschung und -management. Online: https://www.budrich-journals.de/index.php/zdfm/issue/view/2104
Kurzbiographie
Prof.in Dr.in Maureen Maisha Auma ist Erziehungswissenschaftlerin und Geschlechterforscherin.
Sie war von 2008 – 2022 Professorin für Kindheit und Differenz (Diversity Studies) an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Zwischen 2014 bis 2019 war sie Gastprofessorin an der Humboldt-Universität-Berlin, am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien. 2020 – 2021 war sie Gastprofessorin am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin. Sie war die erste DiGENet Gastprofessorin, Audre Lorde Chair for Intersectional Diversity Studies, Diversity and Gender Equality Network der Berlin University Alliance (BUA) 2021 - 2022. Sie war von 2022 bis 2024 Gastprofessorin für Intersektionael Diversitätsstudien, im Rahmen des Intersectional Black European Studies Projekt am ZIFG der TU Berlin. Aktuell ist sie Universitätsassistentin am Center für Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck (CGI) der Universität Innsbruck und Gastprofessorin für Gender & Diversity am Universitätszentrum für Frauen*- und Geschlechterstudien (UZF*G), Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Sie ist erste Sprecherin des Regional Netzwerks Ost, im Wissensnetzwerk Rassismusforschung, WinRa, BMBF (2022 – 2027). Seit 2023 ist sie Executive Officer im Leadership Team im Board der transnationalen Fachgesellschaft „Association for the Study of the Worldwide African Diaspora, ASWAD" mit Sitz in den Vereinigten Staaten.
Ihre Forschungsschwerpunkte sind Diversität in Bildungsmaterialien in Ost- und Westdeutschland, Sexualpädagogisches Empowerment für Schwarze Menschen und People-of-Color in Deutschland, Kritische Weißseinsforschung, Anti-Blackness, Kindheitsforschung, Intersektionalität im Kontext von Critical Race Theory und Rassismuskritik.
Sie ist seit 1993 aktiv bei der Schwarzen feministischen Selbstorganisation Generation Adefra, Schwarze Frauen* in Deutschland. Gemeinsam mit Peggy Piesche und Katja Kinder hat sie in dem wissenschaftlichen Team Diversifying Matters, eine Fachgruppe von Generation Adefra, den Berliner Konsultationsprozess „Die Diskriminierungssituation und die soziale Resilienz von Menschen afrikanischer Herkunft in Berlin sichtbar machen“ 2018 durchgeführt und darauf aufbauend einen Massnahmenkatalog zur Gleichstellung afrodiasporischer Menschen und zum Abbau von Anti-Schwarzen-Rassismus, ebenfalls im Auftrag des Berliner Senats 2021 erstellt.
Rassismus, Rassismuskritik und Resilienz
Neue Ansätze der Zusammenarbeit zwischen Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Akteur*innen der Zivilgesellschaft und öffentlichen Verwaltungen durch die Implementierung der UN-Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft 2015-2024
von Maisha M. Auma, Katja Kinder, Peggy Piesche
Veranstaltet von: CGI - Center Interdisziplinäre Geschlechterforschung Innsbruck
Kontakt: Julia.Tschggnall@uibk.ac.at