Die großen Nervenkrankheiten um 1900 – die Hysterien, Neurasthenien und Traumatischen Neurosen – sind epidemischer Gestalt und periodischen Auftretens. Als sogenannte „Transient Mental Illnesses“ (Ian Hacking) kommt ihnen an der Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert mehrfach strategische Bedeutung zu. Sie erlangen in kurzer Zeit eine Publizität, die es rechtfertigt, sie – in einem modernen Sinn – als erste mediale Krankheiten der Geschichte zu bezeichnen. Wie keine anderen bestimmen sie die zeitgenössische Diskussion zur Ordnung der Geschlechter und Geschlechterbeziehungen, intervenieren in die „Krisendebatte der Moderne“ und flankieren die Auseinandersetzungen um die „soziale Frage“: Mit nachhaltiger Wirkung.
Kurzbiographie:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Michaela Ralser, Institut für Erziehungswissenschaften
Schwerpunkte: Kritische Geschlechterforschung, Wissenschaftsgeschichte des bio-sozio-medizinischen Feldes & Subjektbildung, ethnischen Zugehörigkeiten und sozialstrukturelle Gliederung
Arbeiten zuletzt: „Das Subjekt der Normalität. Wissensproduktion und Wissenskommunikation am Beispiel der Psychiatrie als Gesellschaftswissenschaft um 1900“ (Habilitation, erscheint im Wilhelm Fink Verlag)