In den 1980er Jahren hat sich im Kontext der neuen feministischen Theoriebildung international eine Debatte um eine alternative Auffassung von Ethik entwickelt, die von den traditionellen Lebensweisen und Tätigkeitsfeldern von Frauen ausging. Bald wurde Care zum zentralen Begriff in diesen Diskussionen, die um Fragen nach der Verantwortung und Sorge für andere Menschen und darüber hinaus für das Leben im Allgemeinen kreisen und also auch die Natur umfassen. Während die Erörterung der im engeren Sinn ethischen und moralphilosophischen Themen auf einen kleineren Kreis beschränkt blieb, haben die Probleme der Lebenssorge durch tiefgreifende gesellschaftliche, politische und technologische Veränderungen in den letzten beiden Jahrzehnten enorm an Bedeutung gewonnen. Innovationen in den Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Reproduktionstechnologien und in der Medizin eröffnen Optionen, in deren Folge sich Fragen nach dem Leben neu und anders stellen als je zuvor. Neben den vielen politischen, sozialen und ökonomischen Problemen, die mit diesen Entwicklungen verbunden sind, stellen sich philosophische Fragen, die über die anfangs individualethische Orientierung des Konzepts Lebenssorge weit hinausgehen und das ganze Spektrum philosophischer Fragen nach Mensch und Welt, nach dem guten Leben der Gesellschaft und last but not least nach sozialer Ungleichheit betreffen.
Cornelia Klinger, Philosophisches Seminar der Universität Tübingen