Zweifellos verändern sich die Geschlechterverhältnisse in der Arbeitswelt. Das zeigt sich unter anderem an der steigenden Erwerbstätigkeit von Frauen und ihrer wachsenden Präsenz in höheren Funktionen. Zugleich reproduziert sich die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes mit ihren vielfältigen Formen von Geschlechterungleichheiten und Ausschlüssen. Welche individuellen und strukturellen Mechanismen führen dazu? Die Entwicklungen der Geschlechterverhältnisse in der Arbeitswelt hängen ganz zentral von den Veränderungen und Persistenzen in den Lebensentwürfen ab und vice versa. Es macht wenig Sinn, allein die Arbeitswelt zu betrachten, um die dortigen Entwicklungen zu verstehen. Im Gegenteil, es braucht einen Blick auf die (geplanten) Lebensarrangements.
Diese selbst wiederum sind nicht nur als individuelle, sondern auch als strukturelle Aspekte zu verstehen. Je individueller die Entscheidungen werden, umso abhängiger werden sie von der Existenz gesellschaftlicher Institutionen und Strukturen. Zugleich verunmöglichen die neoliberale Anforderung der Eigenverantwortung und das damit verbundene Verständnis freier Entscheidung zunehmend, die wachsende Abhängigkeit von der Veränderung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen als Bedingung der Verwirklichung der eigenen Lebensentscheidungen als gesellschaftliche Verantwortung einzufordern. Anders ausgedrückt: Im Kontext neoliberaler Transformationsprozesse haben ‚wir‘ es vermehrt mit einem rein formalen Verständnis von Gleichheit und Freiheit zu tun.
45. Innsbrucker Gender Lecture mit Andrea Maihofer (19. Mai 2016)
Wandel oder Stillstand? Geschlechterverhältnisse in der Arbeitswelt? - Andrea Maihofer, Zentrum für Gender Studies, Universität Basel
Moderation: Bernhard Weicht, Institut für Soziologie
Kommentar: Erna Appelt, Institut für Politikwissenschaft