Zur Geschichte der Astronomie
Die aktuelle Forschung geht davon aus, dass die Astronomie beinahe so alt ist wie die Menschheit selbst. Schon in den ersten Hochkulturen wurde Astronomie betrieben, etwa im alten Babylonien, wo man ab 3000 v. Chr. Sternkonstellationen beobachtete und diese – ebenso wie die Zeiten von Auf- und Untergängen von Sternen und Planeten – auf Tontafeln festhielt. Aber auch die alten Ägypter verfügten über eine relativ hoch entwickelte Astronomie: Aufgrund jahrelanger und systematisch durchgeführter Beobachtungen konnte bereits ein Sonnenkalender erstellt werden. Zudem gab es außerhalb dieser Hochkulturen, zu denen auch die Maya gehörten, erste astronomische Kultzentren, wie etwa das zwischen 3000 und 2000 v. Chr. entstandene Stonehenge in England.
Zwei Gründe waren es vor allem, weshalb die Menschheit begann, sich forschend mit den Himmelskörpern auseinanderzusetzen. Erstens versuchten Sterndeuter seit jeher, zukünftige Ereignisse aus der Interpretation der Himmelserscheinungen zu gewinnen. Zweitens ist es ohne grundlegendes astronomisches Wissen unmöglich, einen Kalender zu erstellen, weil jedem Kalender, egal ob Mond- oder Sonnenkalender, lange, systematische Beobachtungen des Himmels vorausgehen müssen. Ein Kalender ist zwingend nötig, um das Leben in höher entwickelten Kulturen zu regeln. Es wäre beispielsweise nur sehr schwer möglich, ohne eine exakte Zeitrechnung einen Termin für Aussaat und Ernte zu bestimmen, denn der jahreszeitliche Wetterwechsel ist dafür in den meisten Gebieten zu unverlässlich.
Auch werden Kalender in höher entwickelten Religionen benötigt, um das kultische Jahr zu regeln, ebenso für die Zivilverwaltung und das Abfassen von Verträgen. All das sind Errungenschaften, ohne die eine Hochkultur undenkbar ist. Folglich wäre es der Menschheit ohne Kalender und vorhergehende astronomische Beobachtungen kaum möglich gewesen, sich über das Stadium der Jäger und Sammler hinauszuentwickeln. Die Astronomie stellte somit einen der Grundpfeiler der ersten Kulturen dar. So bedeutend sie dafür auch war, so gleichbleibend und im Wesentlichen unverändert war ihre Rolle in den folgenden Jahrtausenden.
Erst im Mittelalter gab es einen Wandel, der die Welt der Astronomie für immer veränderte: Nikolaus Kopernikus ging, vermutlich inspiriert durch antike Vorbilder, bei seinen Berechnungen der Position der Himmelskörper nicht mehr von der Erde als Mittelpunkt des Sonnensystems aus. In seinem Hauptwerk „De Revolutionibus Orbium Coelestium“ rückte er die Sonne ins Zentrum und kann somit als Begründer des heliozentrischen Weltbilds angesehen werden.
Es sollten aber noch Jahrzehnte vergehen, bis sich zwei weitere Forscher mit der brisanten Materie befassten: Galileo Galilei und Johannes Kepler. Galilei, der ältere der beiden, war der erste Astronom, der ein Fernrohr verwendete und das so Gesehene publizierte. Erfunden hatte er dieses revolutionäre Instrument jedoch nicht selbst, es handelte sich um eine Weiterentwicklung bereits gebräuchlicher und ursprünglich in den Niederlanden gebauter Fernrohre. Mit diesem neuen Instrument entdeckte er Bahnbrechendes. Er war der Erste, der 1609 die Jupitermonde beobachtete und erkannte, dass sie sich in einer Art Kreisbahn um den größten Planeten unseres Sonnensystems bewegen. Diese und etliche andere Entdeckungen führten dazu, dass Galilei wie sein Vorgänger Kopernikus die damals nicht ungefährliche Meinung vertrat, dass die Erde um die Sonne kreist und nicht umgekehrt.
Einen ähnlichen Weg ging Johannes Kepler. Aber im Gegensatz zu Kopernikus und Galilei konzentrierte er sich auf die Auswertung der Beobachtungen eines anderen: Tycho Brahe. Brahe fertigte während seiner Zeit als Hofgelehrter am dänischen Königshof äußerst genaue Kataloge der Orte von Sternen und Planeten an. Nach seiner Zeit in Dänemark ging Brahe mit seinen Beobachtungsergebnissen über Umwege nach Prag und arbeitete dort als kaiserlicher Hofmathematiker. Brahe verstarb 1601, Kepler wurde sein Nachfolger und erhielt so Zugang zu den Beobachtungsergebnissen Brahes. Kepler begann mit der Auswertung der für jene Zeit ungeheuren Datenmengen und publizierte seine Ergebnisse 1609 und 1619. Die drei berühmten Keplerschen Gesetze waren geboren. Die Ursache für die von Kepler gefundenen Regeln für die Bewegungen der Planeten fand aber erst Jahre später Isaac Newton heraus, der Ende des 17. Jahrhunderts seine Gravitationstheorie, die zum Teil auf Keplers Arbeit basierte, veröffentlichte.
Aber so essenziell die zuvor beschriebenen Entdeckungen auch waren, so wenig veränderten sie das tatsächliche Arbeitsfeld der meisten Astronomen. Diese konzentrierten sich weiterhin darauf, die Positionen von Sternen und Planeten zu beobachten und mit immer größerer Genauigkeit in sogenannten Ephemeridentafeln niederzuschreiben. Diese Kataloge wurden für Bahnberechnungen von Planeten, für Kalenderzwecke und zur Navigation auf hoher See verwendet, aber auch die Astrologen warteten für ihr einträgliches Geschäft auf die neuesten, noch genaueren Ergebnisse.
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts kamen zu dieser Jahrtausende alten klassischen Astronomie (Positionsastronomie) in einer Art revolutionärem Umbruch völlig neue Arbeitsbereiche dazu, für die zur besseren Unterscheidung der Name Astrophysik eingeführt wurde.
Die Grundlage dafür waren drei für den weiteren Weg der Astronomie fundamentale Entwicklungen. Erstens die Erfindung der Fotografie. Erstmals musste das durch ein Fernrohr Gesehene nicht mehr mühsam per Hand nachgezeichnet werden. Mit dem Einzug der Kameras in die Observatorien eröffneten sich den Astronomen komplett neue Arbeitsmöglichkeiten. Zweitens das Fotometer, mit dem man nun Sternhelligkeiten objektiv messen konnte und nicht mehr mit dem Auge abschätzen musste. Drittens die Spektroskopie, die ohne Fotografie nicht durchführbar wäre und die es erstmals ermöglichte, zusätzlich zur Position und Helligkeit eines Sterns auch Aussagen über seine physikalischen und chemischen Eigenschaften zu machen.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich dieser neue Wissenschaftszweig stetig über die ganze Welt. Knapp hundert Jahre später war die klassische Astronomie beinahe verdrängt und heute existieren weltweit nur noch wenige Institute, die reine Positionsastronomie betreiben.
Doch, obwohl sich die Wissenschaft nun beinahe ausschließlich mit astrophysikalischen Fragestellungen beschäftigt, benötigen technische Systeme, beispielsweise das amerikanische Global Positioning System (GPS), immer noch möglichst genaue Sternpositionen, um überhaupt funktionieren zu können. Aber auch unser Kalender wird anhand von extrem genauen Sternpositionsdaten regelmäßig nachjustiert, im Prinzip immer noch der gleiche Vorgang wie bei den alten Babyloniern.
Die Positionsastronomie ist daher weder obsolet noch veraltet, der aktuelle wissenschaftliche Diskurs ist jedoch ganz und gar astrophysikalisch ausgerichtet. Und um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen, benötigte die Astrophysik seit ihrer Entstehung immer leistungsstärkere Teleskope.