Call for Papers

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Kritische Bildung hat zum Ziel, Schüler:innen zu befähigen, Wissensaspekte und gesellschaftliche Gegebenheiten sowie Machtverhältnisse differenziert zu analysieren und hinsichtlich ihrer häufig nicht ausgewiesenen Prämissen zu hinterfragen. Damit ist das bildungspolitische Anliegen verbunden, Lernende zur Orientierung in und Teilhabe an einer zunehmend als komplex und krisenhaft wahrgenommen Gesellschaft im Spannungsfeld von Digitalisierung, Klimakrise, Migrationsbewegungen und ökonomischer Instabilität zu befähigen. Das dazu erforderliche kritische Denken gilt „als wieder entdecktes Bildungsziel“ (Cursio/Jahn 2021, 99). Dementsprechend werden in den (neuen) Lehrplänen der Mittelschule und Allgemeinbildenden höheren Schule für Lernende im 21. Jahrhundert vier zentrale Kompetenzen hervorgehoben: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Darüber hinaus findet sich der Bezug zur Urteils- und Kritikfähigkeit mehrfach in den Fachlehrplänen wieder. Was kritisches Denken konkret meint, wie es im Fachunterricht gefördert werden kann oder welche Verknüpfungen es mit den jeweiligen fachspezifischen Kompetenzen gibt, wird jedoch in den einzelnen Fachdidaktiken sehr unterschiedlich diskutiert – und steht deshalb im Zentrum der Tagung.

Eine in letzter Zeit besonders intensiv diskutierte spezifische Aufmerksamkeit innerhalb des breiten Felds kritischer Bildung gilt der Machtkritik. Dabei ist Schule selbst als ein sozialer und politischer Raum zu betrachten, der durch Herrschafts- und Machtverhältnisse strukturiert wird und in dem verschiedene Akteur:innen miteinander interagieren (Krösche/Stornig 2024). Macht ist ein gesellschaftliches Phänomen, das sich auf alle Ebenen des Zusammenlebens auswirkt und zu sozialen Ungleichheiten und Ausgrenzungsprozessen führt. In Verbindung mit Lehr-Lernprozessen folgen daraus Mechanismen der Inklusion und Exklusion, der Normierung und Normalisierung, sodass Rudolf Leiprecht und Helma Lutz (2006, 218) der Institution Schule eine „Normalisierungsmacht“ zuschreiben. Sowohl Lehrer:innen als auch Schüler:innen agieren demnach in einem Spannungsfeld aus Bevormundung bzw. Bestätigung von Normierungsverhältnissen und Emanzipation, also der möglichen Überwindung der bestehenden Bedingungen. In Anlehnung an Nina Simon und Karim Fereidooni (2022) kann somit argumentiert werden, dass angesichts der skizzierten Wechselwirkungen die Berücksichtigung machtkritischer Ansätze in den Fachdidaktiken notwendig ist.
Ziel der 6. Innsbrucker Tagung der Fachdidaktik ist es, fachspezifische und/oder interdisziplinäre Möglichkeiten und Grenzen kritischer Bildung auszuloten und das Potential machtkritischer Ansätze für fachdidaktische Fragestellungen auf theoretischer und empirischer Ebene zu diskutieren.

Mögliche Fragestellungen sind u.a.:

  • Wie wird kritische Bildung bzw. kritisches Denken in den verschiedenen Fachdidaktiken verstanden und konkretisiert?
  • Welche Chancen und Grenzen kritischer Bildung bzw. kritischen Denkens werden in der fachdidaktischen Diskussion deutlich bzw. zeigen sich in konkreten Lernsituationen, Lehrmaterialien und Lernarrangements?
  • Inwiefern lässt sich kritisches Denken als Basiskompetenz in den Fachdidaktiken verorten und/oder mit fachspezifischen Kompetenzen verknüpfen?
  • Wie kann kritisches Denken im Fachunterricht konkret gefördert werden?
  • Ob und wie verändert die machtkritische Perspektive den fachdidaktischen Diskurs der jeweiligen Domäne?
  • Welche Machtverhältnisse beeinflussen fachliche Lehr-Lernprozesse in welcher Weise?
  • Was bedeuten machtkritische Ansätze für den Fachunterricht und wie können sie im Fachunterricht konkret berücksichtigt werden?


Bitte reichen Sie Ihre Vorschläge für einen Vortrag im Umfang von 20 Minuten oder einen Workshop im Umfang von 90 Minuten in Form eines Abstracts (max. 2000 Zeichen inkl. Leerzeichen) bis spätestens 15. Januar 2025 unter folgender E-Mail-Adresse ein: ifd-tagung@uibk.ac.at


Darüber hinaus werden Studierenden dazu eingeladen, im Rahmen einer themenoffenen Poster Session ihre Qualifikationsarbeiten (Masterarbeiten und Dissertationen) zu präsentieren. Dazu bitten wir ebenfalls um Einreichungen unter den genannten formalen Bedingungen.

Die Veröffentlichung der themengebundenen Beiträge in einem Tagungsband ist geplant.

 

Literatur
Jahn, Dirk; Cursio, Michael: Kritisches Denken. Eine Einführung in die Didaktik der Denkschulung. Wiesbaden 2021.
Krösche, Heike; Stornig, Thomas: Schulische Partizipationsräume im Spannungsfeld von Selbst- und Fremdbestimmung. Der Beitrag gesellschaftswissenschaftlicher Bildung zum Lernen aus schuldemokratischen Prozessen. In: Zeitschrift für Didaktik der Gesellschaftswissenschaften 15, 2024, H. 1, S. 18-35.
Leiprecht, Rudolf; Lutz, Helma: Intersektionalität im Klassenzimmer: Ethnizität, Klasse, Geschlecht. In: Leiprecht, Rudolf; Kerber, Anne (Hrsg.): Schule in der Einwanderungsgesellschaft. Ein Handbuch. Schwalbach/Ts. 2006, S. 218-234.
Simon, Nina; Fereidooni, Karim: Rassismus(kritik) und Fachdidaktiken – (K)ein Zusammenhang? – Einleitende
Gedanken. In: Fereidooni, Karim; Simon, Nina (Hrsg.): Rassismuskritische Fachdidaktiken. Theoretische Reflexionen und fachdidaktische Entwürfe rassismuskritischer Unterrichtsplanung (2. Aufl.). Wiesbaden 2022, S. 1-17.

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