Vom 7. bis 9. Februar 2025 verwandelte sich der Madonnensaal der Universität Innsbruck in einen lebendigen Ort des interdisziplinären und interreligiösen Dialogs. Die internationale Konferenz Sacred Cyborgs – Exploring the Intersection of Artificial Intelligence, Transhumanism, and Religion, organisiert vom Institut für Islamische Theologie und Religionspädagogik unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Abdullah Takim und Dr. Hureyre Kam, war ein bahnbrechendes Ereignis. Es handelte sich nicht nur um die erste Konferenz dieser Art, die von einem Institut für Islamische Studien ausgerichtet wurde, sondern auch um die erste, die interreligiöse und interdisziplinäre Perspektiven in einem so umfassenden Rahmen zusammenbrachte.
Die Tagung eröffnete mit einer inspirierenden Keynote von Prof. Dr. Stefan Lorenz Sorgner (John Cabot University, Rom), der das Spannungsfeld zwischen Religion, Politik und Transhumanismus beleuchtete. Sorgner, oft als „Bad Boy der Philosophie“ bezeichnet, argumentierte, dass ein Konflikt zwischen Monotheismus und Transhumanismus nicht unvermeidbar sei. Sein Ansatz des „Euro-Transhumanismus“ integriert Gianni Vattimos „schwaches Denken“ und bietet eine innovative Perspektive, wie traditionelle religiöse Werte und technologische Utopien des 21. Jahrhunderts harmonisiert werden können.
Im Laufe der Konferenz entfaltete sich ein faszinierender Dialog zwischen den Disziplinen. Dr. Andrei Nuțăș (West University of Timișoara) stellte die provokante These auf, dass transhumanistische Visionen der digitalen Unsterblichkeit und technologischen Perfektionierung zentrale religiöse Motive wie Erlösung und Transzendenz reproduzieren. Gleichzeitig interpretierte Prof. Dr. Johannes Hoff (Universität Innsbruck) den Transhumanismus als Symptom einer gesellschaftlichen Orientierungskrise und warnte vor den „idolatrischen“ Zügen transhumanistischer Utopien.
Ein besonderer Fokus lag auf der islamisch-theologischen Perspektive. Prof. Dr. Maurizio Balistreri (Tuscia University) analysierte die theologischen Implikationen von Raumfahrt und extraterrestrischer Expansion, während Dr. Hureyre Kam (Universität Innsbruck) einen Ansatz der Verantwortungsethik entwickelte, der islamische Moraltheorie mit aktuellen technowissenschaftlichen Entwicklungen verbindet. Dieser Ansatz verbindet die islamische Moraltheorie mit den Herausforderungen und Chancen der modernen Technologie und liefert so einen wichtigen Beitrag zur ethischen Diskussion im Anthropozän
Die ethischen und spirituellen Dimensionen der Technologie wurden ebenfalls intensiv diskutiert. Dr. Asligül Aysel (Universität Innsbruck) analysierte die ethischen Herausforderungen neuer Technologien aus islamischer und gesellschaftlicher Perspektive und betonte die Bedeutung von Gerechtigkeit, Wohltätigkeit und Schadensvermeidung. Prof. Dr. Michaela Quast-Neulinger (Universität Innsbruck) reflektierte über die Rolle der Offenbarung in einer zunehmend dehumanisierten Welt und warnte vor den Gefahren eines unkritischen Technologieglaubens.
Der Beitrag von Dipl.-Phys. Hakan Turan (Universität Innsbruck), reflektierte seinerseits über den Technikglauben, indem er die Debatte über Naturgesetze und kosmologische Modelle im islamischen Denken mit aktuellen Diskussionen in der modernen Physik verband. Dr. Hadil Lababidi (Universität Zürich) untersuchte die islamische Perspektive auf Persönlichkeitsveränderungen durch Deep Brain Stimulation (DBS) und diskutierte die moralischen Dilemmata, die sich aus nicht-therapeutischen Anwendungen ergeben.
Ein weiterer Höhepunkt der Konferenz bildete das Panel, das den Einfluss von Künstlicher Intelligenz und Medientechnologien auf religiöse Narrative und gesellschaftliche Ordnungen thematisierte. Fawz Duwhy und Taylor Pearson diskutierten in ihrem Beitrag, wie KI-gestützte Medienstrategien – exemplarisch dargestellt am Beispiel Saudi-Arabiens – zur digitalen religiösen Hegemonie beitragen können. Ergänzt wurde dieser Diskurs durch die Überlegungen von Prof. Dr. Johannes Grössl, der die Rolle der Science-Fiction, etwa anhand von Beispielen aus „Star Trek“, im Kontext christlicher Fundamentaltheologie erörterte. Sarah Spiekermann-Hoff rundete den thematischen Block mit einer empirischen Untersuchung posthumanistischer Überzeugungen ab, die differenzierte Einblicke in die gesellschaftliche Verteilung dieser Haltungen lieferte. Sie stellte ein neues Befragungsinstrument zu posthumanistischen Überzeugungen vor, das auf 300 Teilnehmer in Deutschland und Österreich angewendet wurde, wonach zwei Drittel der Befragten eine „kritisch-konservative“ Haltung einnehmen, während nur etwa 20 % – vor allem jüngere, introvertierten Männer – transhumanistische Positionen vertreten.
Die Konferenz schloss mit einer lebhaften Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Hureyre Kam, in der Stefan Sorgner, Sarah Spiekermann-Hoff, Johannes Hoff, Asligül Aysel und Maurizio Balistreri über die Zukunft der Religion in einer technisierten Welt debattierten. Abschließend unterstrichen Univ.-Prof. Dr. Abdullah Takim und Dr. Hureyre Kam die Notwendigkeit einer vertieften Zusammenarbeit zwischen Theologie, Philosophie und Technikethik, um die Herausforderungen des Transhumanismus aus einer interdisziplinären Perspektive zu adressieren.
Fazit: Eine Pionierleistung
Die Konferenz Sacred Cyborgs war in vielerlei Hinsicht eine bahnbrechende Veranstaltung. Durch die Integration von islamischer und christlicher Theologie sowie philosophischen, ethischen und technologischen Diskursen schuf die Konferenz einen einzigartigen Raum für den Austausch unterschiedlicher Weltanschauungen. Diese interdisziplinäre und interreligiöse Herangehensweise ermöglichte es, die komplexen Fragen an der Schnittstelle von Transhumanismus, künstlicher Intelligenz und Religion aus vielfältigen Blickwinkeln zu beleuchten.
Die Tagung zeigte, dass die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen und Chancen des technologischen Fortschritts nur durch eine gemeinsame, grenzüberschreitende Anstrengung gelingen kann. Damit legte Sacred Cyborgs den Grundstein für zukünftige Dialoge und setzte ein wichtiges Zeichen für die Notwendigkeit interreligiöser und interdisziplinärer Zusammenarbeit in einer zunehmend vernetzten und technologisierten Welt.
(Dr. Hureyre Kam)
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