Abschlussseminar des Euregio Mobility Fund Projekts 2023 „Exploring Restorative Justice Models (ReJust)“
Dienstag, 15. Oktober 2024, Archäologisches Museum der Universität Innsbruck.
Thema des Projekts war die opferorientierte Justiz, ein Ansatz im Strafrechtssystem, der den Fokus auf die Bedürfnisse, Rechte und Interessen der Opfer von Straftaten sowie auf den Ausgleich zwischen Täter und Opfer legt.
Im Gegensatz zur traditionellen Strafjustiz steht bei der opferzentrierten Justiz der Ausgleich einer Straftat verstanden als sozialen Konflikt zwischen Täter und Opfer im Vordergrund. Diese Form der Justiz versteht eine Straftat als Konflikt zwischen zwei Personen (Täter und Opfer) und strebt dessen Lösung durch Mediation und nicht Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion an. Das Ziel der wiedergutmachenden Justiz besteht darin, die Beziehung zwischen Täter und Opfer wiederherzustellen. Im Rahmen einer Täter-Opfer-Mediation, die auf Schuldeingeständnis, materieller und/oder emotionaler Wiedergutmachung sowie idealerweise Versöhnung basiert, soll der strafrechtliche Konflikt beigelegt werden.
Bereits im Sommersemester 2024 wurden Tagungen und Seminare an den Universitäten Trient, Bozen und Innsbruck organisiert, welche den Studierenden aller drei Universitäten die Möglichkeit gaben, ihr Wissen zu diesem aktuellen Thema zu vertiefen und neue Kontakte zu knüpfen. Auch dieses Mal waren zahlreiche interessierte Studierende und Fachpublikum der Universitäten Innsbruck, Bozen und Trient gekommen, um sich mit der opferzentrierten Justiz im Rechtsvergleich zwischen Italien und Österreich auseinanderzusetzen.
Schwerpunkt des Abschlussseminars war der Vergleich der normativen Regelungsmodelle und der Anwendungspraxen im italienischen und österreichischen Strafrecht. Francesco A. Schurr, Leiter des Instituts für Italienisches Recht der Universität Innsbruck, betonte in seiner Begrüßungsrede die Bedeutsamkeit der durch den Euregio-Mobility-Fund finanzierten Projekte, welche sowohl Studierende als auch Lehrende der drei Universitäten zusammenbringen, und somit einen grenzüberschreitenden Austausch ermöglichen. Besonderen Dank sprach er Barbara Tasser aus, welche als Leiterin der Internationalen Dienste der Universität Innsbruck auch die Durchführung der Euregio Projekte an der Universität Innsbruck verantwortet.
Organisiert wurde das Abschlussseminar von Strafrechtsprofessorin Margareth Helfer (Universität Innsbruck). Sie führte in das Thema der opferzentrierten Justiz ein und erläuterte die unterschiedlichen Ansätze, die in Italien und Österreich verfolgt werden. Darauffolgend gab Professorin Valentina Bonini (Universität Pisa) in ihrem Referat einen Überblick über die Neuerungen im Bereich der wiedergutmachenden Justiz, die in Italien jüngst mit der Cartabia Reform (GvD 150/2022) eingeführt worden waren. Im Anschluss daran referierte Frau Professorin Verena Murschetz (Universität Innsbruck) über das österreichische Modell der Wiedergutmachungsjustiz. Dieses ist in Form des Tatausgleichs als diversionelle Erledigung des Strafverfahrens bereits seit 2000 in Kraft und wird seitdem erfolgreich angewendet. Besonders interessant waren dabei die gezeigten Statistiken, wonach die Rückfallquoten nach einer Täter-Opfer-Mediation deutlich geringer sind als nach Beendigung eines Strafverfahrens nach der klassischen Strafjustiz.
In der anschließenden Diskussionsrunde mit den Strafrechtsprofessorinnen Elena Mattevi (Universität Trient), Antonia Menghini (Universität Trient) und Kolis Summerer (Universität Bozen) wurden die jeweiligen Vor- und Nachteile der beiden dargelegten Rechtsordnungen genauer analysiert und die Unterschiede in der Praxis aufgezeigt.
Beendet wurde das Seminar mit Schlussworten von Universitätsprofessor Enrico Mario Ambrosetti (Universität Padova), der die Wichtigkeit des Rechtsvergleichs unterstrich. Für Italien erhofft er sich eine breitere Akzeptanz und Anwendung der Wiedergutmachungsjustiz als wichtigen Beitrag für ein zukunftsfähigeres Strafrechtssystem.
Die Veranstaltung endete mit einem Aperitif in den Räumlichkeiten des Instituts für Italienisches Recht.
©Saibya Schroffenegger/Sara Bressan