Forschung
Aktive Implantierbare Systeme
Cochlea-Implantate dienen zur Rehabilitation von vollständig tauben oder höchstgradig schwerhörigen Personen. Die Funktion basiert auf der direkten Elektrostimulation des Hörnervs. Eine gegenwärtiges Cochlea-Implantat besteht im wesentlichen aus zwei Teilen, einem hinter dem Ohr getragenen Sprachprozessor und dem eigentlichen implantierten Stimulator. Der Sprachprozessor enthält die Batterie zur Energieversorgung des Gesamtsystems, sowie Elektronik zur Verarbeitung des Audiosignals. Die Übertragung von Stimulationsenergie und -information erfolgt transkutan mittels einer Hochfrequenzstrecke. Das HF-Signal wird im Stimulator induktiv empfangen und analysiert. Mittels eines Elektrodenarrays, das in der Scala Tympani der Hörschnecke (Cochlea) platziert ist, gelangen Stimulationspulse in die Nähe von erregbaren neuronalen Strukturen und verursachen Höreindrücke.
Verglichen mit anderen Prothesen zum Ersatz von Sinnesorganen ist das Cochlea- Implantat das mit Abstand erfolgreichste System. Gegenwärtig sind weltweit etwa 130000 Personen damit versorgt. Insbesondere die Versorgung von Kleinkindern (im Alter von wenigen Monaten) liefert beeindruckende Resultate. Frühzeitig implantierte Kinder können in vielen Fällen normal eingeschult werden.
Seit etwa 20 Jahren existiert in der klinischen Praxis eine als Standard akzeptierte Stimulationsstrategie, die so genannte “Continuous Interleaved Sampling- (CIS-)“ Strategie. Charakteristisch für diese Strategie ist, dass zur Repräsentation des Audiosignals in der Cochlea nur zeitlich nicht überlappende Stimulationspulse verwendet werden. Damit wird der störende Einfluss des Kanalübersprechens reduziert. Zur CIS-Implementierung wird eine Spektralanalyse des Audiosignals vorgenommen, wobei in den einzelnen Frequenzbändern jeweils nur die Amplituden-, nicht aber die Phaseninformation verwendet wird. Seit langem gilt aber als erwiesen, dass bei Elektrostimulation auch Phaseninformation genützt werden kann, und zwar bis zu einer Frequenz von etwa 1kHz. Ansätze, Phaseninformation (oft auch als “Feinstrukturinformation“ bezeichnet) in eine Stimulationsstrategie einzubauen, scheiterten bislang u. a. daran, dass die Repräsentation von Feinstrukturinformation in der Cochlea mit nicht überlappenden Pulsen zu sehr kurzen Pulsdauern führt. Derartig kurze Pulse sind aber aus praktischen wie physiologischen Gründen unbrauchbar.
RF-Engineering, Communication Engineering
Die Hochfrequenztechnik befasst sich mit der Analyse und der Entwicklung von Schaltung und Strukturen im Bereich "hoher Frequenzen", welche typischerweise von einigen 100 kHz (in Ausnahmefällen auch darunter) bis -zig GHZ reicht.
Die Theorie elektromagnetischer Wellen bildet das Fundament für die weitere Entwicklung zu einer größeren Bandbreite und ultraschnellen analogen und digitalen Schaltungen.
Häufig ist die Ausdehnung der Strukturen selbst (z.B. Antennen) oder die Verbindung zwischen einzelnen Elementen in der Größenordnung der Wellenlänge oder darüber.
Die Hochfrequenztechnik umfasst die Erzeugung, Verstärkung, Transponierung, Modulation und Demodulation, Abstrahlung, Ausbreitung und Aufnahme hochfrequenter Signale. Anwendungsbereiche sind die Nachtrichtenübertragung, Navigation, Nah- und Fernerkundung, HF-Identifikation und das weite Gebiet der elektromagnetischen Verträglichkeit.
Im Rahmen medizintechnischer Anwendungen befasst sich unsere Arbeitsgruppe in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen am Institut mit der Entwicklung transkutaner Übertragungssysteme und mit der Kompatibilität implantierter elektronischer Schaltungen mit diversen Quellen elektromagnetischer Felder wie z.B. kernspintomographischen Diagnoseverfahren.
Ausgewählte Forschungsthemen
Vollständig Implantierbares Cochlea-Implantat (TIKI)
Handelsüblichen Cochlea-Implantat-Systemen bestehen aus einer externen Komponente, die etwa hinter dem Ohr getragen werden kann, und dem eigentlichen Implantat, das operativ eingesetzt wird und für die direkte elektrische Stimulation der Cochlea verantwortlich ist. In der externen Komponente befinden sich Mikrofone und ein Sprachprozessor zur Umwandlung von Audioinformation in passende Stimulationsbefehle, die an die interne Komponente gesandt werden.
Eine Weiterentwicklung dieses Konzepts soll es ermöglichen, dass das Implantat auch ohne externe Komponente betrieben werden kann. Dazu werden auch Akku und Mikrofon mit ins Ohr implantiert. Es ergibt sich dadurch eine Notwendigkeit, zum einen sehr stromsparende Signalverarbeitung zu betreiben, was hier durch die Entwicklung eigener integrierter Schaltkreise (ASICs) erreicht wurde. Zum anderen müssen robuste HF-Verbindungen zur transkutane Energie- und Datenübertragung dafür sorgen, dass sowohl ein Aufladen des Akkus als auch die Verwendung von externen Mikrofonen oder Ähnlichem effizient möglich sind.
Kombinierte Vestibulo-Cochleare Implantate
Bestimmte Krankheiten oder Beschwerden im Innenohr können neben der Cochlea auch das Gleichgewichts- oder Vestibulärorgan betreffen. Die räumliche Nähe der beiden Organe legt nahe, dass für Beschwerden, die ohne invasiven Eingriff nicht gelindert werden können, ein kombiniertes Implantat zum Einsatz gebracht werden könnte, das sowohl die Cochlea als auch das Vestibulärorgan elektrisch stimuliert. Derartige Systeme sind allerdings kommerziell noch nicht erhältlich.
Im Rahmen dieses Projekts wird ein sogenannter Audio-Motion-Processor (AMP) entwickelt, der eine kombinierte Stimulationsstrategie für cochleare als auch vestibuläre Elektroden ausführen kann. Während die Audio-Information durch ein Mikrofon aufgenommen wird, wird für die Bewegungsinformation ein am Kopf angebrachter Gyroskop-Sensor verwendet. Es existieren bereits Prototypen für Elektroden, die sich zur Cochlea und zum Vestibulärorgan verzweigen, und in Patienten implantiert sind.
Die Aufgabe des AMP ist es jedoch, die gleichzeitige Verwendung beider Organe zu ermöglichen und begleitende unerwünschte Wechselwirkungen durch eine geeignete Wahl der Stimulationsstrategie, also der genauen Abfolge und Länge der Stimulationspulse, zu vermindern. Der AMP ist als ein batteriebetriebenes, leichtes und tragbares Gerät konzipiert, um auch Untersuchungen mit großer Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.
Simultanstimulation mit Channel Interaction Compensation (CIC)
Eine der erfolgreichsten Strategien zur elektrischen Stimulation des Hörnervs ist das sogenannte "continuous interleaved sampling (CIS)", welches die Standardstrategie in modernen Cochleaimplantaten darstellt. Eine fundamentale charakteristische Eigenschaft von CIS ist die strikt sequentielle Anregung der individuellen Elektroden in der Cochlea ohne zeitliche Überlappung.
Die Stimulation der individuellen Elektroden erfolgt dabei mit einer festgelegten Rate an Pulsen, damit verwendet CIS nur die Information der Einhüllendenfunktion des verarbeiteten Audiosignals zu festgelegten Zeitpunkten, jedoch nicht die sich zeitlich schnell ändernde Komponente des Signals, die sogenannte zeitliche Feinstruktur.
Während die Information der Einhüllenden am wichtigsten für Spracherkennung vor allem in "westlichen" Sprachen ist, ist die zeitliche Feinstruktur bedeutend für Tonhöhenempfindungen und die Lokalisierung von Audioquellen. In tonalen Sprachen wie etwa Mandarin-Chinesisch, Kantonesisch oder Vietnamesisch könnten sich Vorteile ergeben, wenn sowohl die Einhüllende als auch die zeitliche Feinstrukturinformation betrachtet wird. Um die in der Feinstruktur enthaltene Mehrinformation auch an den Hörnerv weitergeben zu können, ist es jedoch nötig, die Pulsraten zu steigern. Dies erreicht man nur durch eine Verringerung der Länge der Pulse mit gleichzeitiger Anhebung der Pulsamplitude. Es ergeben sich jedoch auch hier Grenzen, zum einen was die maximale Amplitude der Stimulation betrifft, die unter anderem durch die Versorgungsspannung des Implantats begrenzt ist, zum anderen durch fundamentale Eigenschaften der beteiligten Nervenstränge.
Mögliche Abhilfe schafft hier ein Vorschlag für ein Paradigma zur simultanen Stimulation, entgegensetzt dem oben beschriebenen CIS-Paradigma von nicht-überlappenden Pulsen. Die sogenannte Channel Interaction Compensation (CIC) ist eine Methode, um den das von benachbarter Elektroden erzeugte elektrische Feld am Ort einer bestimmte Elektrode zu kompensieren. Die elektrischen Felder der Einzelelektroden werden dabei durch exponentiell abfallende Felder modelliert und mit Hilfe der inversen Wechselwirkungsmatrix die Größe der Amplitudenreduktion berechnet.
Die Anwendung dieses Paradigmas ergibt im Wesentlichen zwei Vorteile: zum einen kann durch die simultane Stimulation die Pulsrate erhöht werden, ein Vorteil für die Implementierung flexibler Feinstrukturstrategien. Zum anderen wird auch für sequentielle Stimulation eine Reduktion der Impulsamplituden erreicht, was neben der Möglichkeit zur Verwendung längerer Pulsdauern für einen niedrigeren Energieverbrauch bei gleichem Sprachverständnis und damit etwa zu einer höheren Akkulaufzeit führen kann.
Reduktion von Wirbelstromverlusten mit Hilfe von Ferrit-Schichten
Die steigende Nachfrage nach zunehmender Miniaturisierung in induktiven Übertragungssystemen bringt den Nebeneffekt mit sich, dass die Spulen des Übertragungssystems immer näher an metallische Komponenten der verwendeten Systeme rücken. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass in diesen Metallen Wirbelströme induziert werden, die für Verluste im System sorgen und damit für eine Verschlechterung der Übertragungseffizienz im induktiven Link führen.
Die Verhinderung solcher Verluste kann durch eine magnetische Abschirmung des Systems gegenüber den metallischen Oberflächen mit Hilfe von Ferriten erreicht werden. Diese Ferrite, etwa in Form von Folien, bilden durch ihre hohe magnetische Permeabilität magnetische Spiegel, die den Verlauf der magnetischen Feldlinien deutlich verändern und ein Eindringen in die unerwünschten Metalloberflächen verhindern und damit auch keine Wirbelströme induzieren.
Es kann gezeigt werden, dass im speziellen für induktive Übertragungssysteme mit Dimensionen ähnlich wie sie in Cochlea-Implantaten eingesetzt werden, die Übertragungseffizienz großteils erhalten werden kann, wenn Ferritfolien mit einer ähnlichen Größe wie der Spulenquerschnitt des induktiven Links verwendet werden. Dies macht die untersuchten Ferrit-Abschirmungen auch zu einer praktikablen Lösung in existierenden Systemen. Die Veränderung der Topologie des Magnetfelds führt aber auch zu einer Veränderung der Induktivität des Systems, und damit zur möglichen Veränderung von Übertragungsparametern wie etwa der Resonanzfrequenz. Um die Induktiviät in Anwesenheit einer Ferrit-Abschirmung zu erhalten, muss daher die Anzahl der Spulenwindungen reduziert werden, damit können alle relevanten Übertragungsparameter mit denen des ungeschirmten Originalsystems in Einklang gebracht werden.
Weitere Themen:
- Stimulationsstrategien im apikalen Bereich der Cochlea
- Rauscharme Sigma-Delta-Sinusgeneratoren
- Sprachverständnis mit Feinstrukturstimulation
- Schnelle Detektion der Fundamentalfrequenz mittels adaptiver Kreuzkorrelation
- Algorithmen und Prototypen zur Nachbildung von Efferenten des Medialen Olivocochlearen Komplexes in binauralen Cochlea-Implantat-Systemen