Im Zuge von umfassenden Ausgrabungsarbeiten in der nahen Umgebung von Ephesos, eine der bedeutendsten antiken Städte in Kleinasien und seit dem Jahr 2015 UNESCO-Weltkulturerbe, legen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) den Fokus auf noch unbeachtete islamische Monumente. Unter ihnen auch Petra Mayrhofer vom Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte, die schon viele Jahre an Ausgrabungen mitgearbeitet hat.
Altes Erbe
Die im Mittelalter und der Frühen Neuzeit errichteten türkischen Monumente werden seit einiger Zeit auch wissenschaftlich bearbeitet und dokumentiert und sollen nach der Restaurierung für Besucherinnen und Besucher zugänglich gemacht werden. „Ich habe vor vier Jahren die Leitung der Forschungsarbeiten an diesem kleinen Hamam übernommen und arbeite dort in den Sommermonaten gemeinsam mit einem türkischen Kollegen und vier Arbeitern“, sagt Mayrhofer. Als Archäologin hat sich die Wissenschaftlerin bereits eingehend mit den römischen Bäderbauten beschäftigt. Diese waren auch Vorbild für die Araber, die im Mittelalter die ersten Hamams in Jordanien errichteten. „Als wir 2012 mit den Arbeiten am Hamam, am Fuß des des Ayasoluk-Hügels in Selçuk, nahe des antiken Ephesos, begonnen haben, war es im Inneren zur Gänze verschüttet. Fünf der ursprünglich sechs Kuppeln waren allerdings noch erhalten“, erklärt Mayrhofer die Situation vor Ort. Zum gesamten archäologischen Projekt in Selçuk gehören noch weitere Moscheen, Hamams und kleine Grabhäuser, sogenannte Türben, die von mehreren wissenschaftlichen Teams bearbeitet werden. „Die antiken Bauten in der Gegend sind weitgehend bekannt. Ich freue mich, nun auch die türkischen Monumente aufwerten und mehr in den Mittelpunkt rücken zu können“, so Mayrhofer. Die Funde, die bei der Grabung freigelegt wurden und das vorhandene Mauerwerk des Hamams, weisen auf eine Errichtung im 14. Jahrhundert hin. Eine genauere Datierung soll noch mit der Auswertung der Funde erfolgen, sei aber aufgrund der geringen Menge eher schwierig. „Kurios ist, dass das Hamam noch bis vor etwa zehn Jahren von Menschen und Tieren bewohnt wurde. Die dadurch entstandene Abnützung hat die Bausubstanz sehr beansprucht“, so die Wissenschaftlerin, die ihre Grabungen am Hamam vergangenen Sommer abschließen konnte. Von Handzeichnungen bis Laserscans wurde eine Vielzahl an Methoden eingesetzt, um ein möglichst umfassendes Bild des Hamams zu erstellen. Sogar die Lage und Anordnung der Heizungsrohre wurden von der Wissenschaftlerin akribisch aufgezeichnet.
Badeerlebnis
Mit antiken Heizsystemen in römischen Thermen ebenso wie in den jüngeren türkischen Hamams hat sich Petra Mayrhofer schon mehrmals auseinandergesetzt. Erwärmt wurden diese Bäder alle mit einer Hypokaustheizung, bei der warme Luft in einem Hohlraum unter dem Fußboden durchgeleitet wurde. „Hauptbestandteile dieses Heizungssystems sind das Praefurnium, die Feuerstelle, und ein darüber liegender Wasserspeicher, die an einer Seite des Gebäudes angeordnet sind. Hier werden gleichzeitig das Wasser für die Baderäume und die Luft erhitzt, die dann durch den Hypokaustbereich strömend die Räume erwärmt. An der dem Praefurnium gegenüberliegenden Seite des Gebäudes entweicht die warme Luft durch dafür vorgesehene Schächte in den Mauern ins Freie“, erklärt die Architektin. Angrenzend an den Raum des Heizkessels befinden sich die heißesten Räume des Hamams, während die weiter entfernt angeordneten Kammern als Ruhe- und Wärmeraum genützt werden. Das ausgiebige Baden war schon bei den Römern beliebt und große Badeanlagen im Stadtgebiet von Ephesos zeugen noch heute davon. Diese wurden allerdings in spätantiker Zeit zunehmend durch kleinere Bäder ersetzt. Für die byzantinische Zeit sind keine neuerrichteten Badegebäude nachweisbar. Erst ab dem frühen 14. Jahrhundert wurden im Bereich des Ayasoluk mehrere türkische Hamams errichtet, wie auch das von der Wissenschaftlerin untersuchte Objekt. Ist die Beheizung der römischen Thermen und der später errichteten Hamams gleich, stellt Mayrhofer doch einige Unterschiede der Badekulturen fest. „Auffallend ist der zusätzliche Sportbereich, der bei fast allen großen römischen Bädern zu finden ist. War bei den Römern der Besuch der Therme ein ganztägiges Freizeiterlebnis, fehlt dieser Außenbereich bei den türkischen Hamams gänzlich, bei deren Besuch alleinig die Reinigung im Mittelpunkt stand“, so die Architektin. Weiters weist Mayrhofer auf die architektonischen Feinheiten der Fenster hin. Römische Thermen wurden von großen, meist halbrunden Fenstern im oberen Bereich der Wände belichtet. Im Gegensatz dazu standen die kleinen Lichtöffnungen in der Kuppel der Hamams, die nicht mit Fenstern vergleichbar seien: „Durch die Veränderungen des Sonnenstandes verändert sich auch das Licht im Inneren des Bades. Die entstehenden Licht- und Schattenspiele bewirkten ein sehr angenehmes Raumgefühl.“ Nur schemenhaft lässt sich auf den Bildern erkennen, wie prachtvoll das Hamam früher gewesen sein könnte. Marmorböden und schöne Wasserhähne seien aufgrund des hohen Stellenwertes des Hamams nicht ungewöhnlich gewesen. Petra Mayrhofer liegt die Restaurierung und das große Ausgrabungsprojekt in Ephesos sehr am Herzen. „Wenn man eine Grabung beginnt, soll auch die anschließende Restaurierung des Bauwerks schon mit eingeplant werden. Ist die schützende Erdschicht einmal abgetragen, dann ist das Objekt direkt der Witterung ausgesetzt und ein schnellerer Verfall wäre unvermeidbar. Langfristiges Ziel der Arbeiten ist es, einen Besucherweg durch die restaurierten islamischen Objekte anzulegen und so, eine schöne Ergänzung zu den bereits bekannten antiken Monumente zu schaffen. Die weitere Umsetzung wird noch ein reizvoller und spannender Prozess“, freut sich die Architektin und Archäologin Petra Mayrhofer.
Zur Person
Petra Mayrhofer, geboren in Linz, studierte Architektur an der TU Wien und Klassische Archäologie an der Universität Wien. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin des ÖAI arbeitet sie seit 2007 an verschiedenen Projekten bei den Grabungen in Ephesos. Seit 2012 erforscht sie im Zuge ihrer Dissertation das sog. Hamam 4 in Ephesus/Selçuk und erhielt dafür 2014 das Forschungsstipendium für Archäologie des österreichischen Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung. Seit dem WS 2014 ist sie der Universität Innsbruck am Institut für Architekturtheorie und Baugeschichte, Arbeitsbereich Baugeschichte und Denkmalpflege tätig.
Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).