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Das historische Gipfelkreuz war im Sommer 2015 anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Erstbesteigung des Piz Buin Teil einer Kunstinstallation am Kornmarkt in Bregenz zu sehen. (Foto: montafon.at)

Kreuzzug auf den Piz Buin

Im Sommer 1936, in politisch turbulenten Zeiten, wurde am Piz Buin ein Gipfelkreuz aufgestellt. Als Vorarlbergs höchster und bekanntester Berg 2012 ein neues Gipfelkreuz erhielt, wusste man nichts über das fast 300 Kilo schwere Vorgängermodell. Der Historiker Michael Kasper hat seine Geschichte aufgearbeitet.

Unter dem Titel „Kreuzzug des Reichsbundes auf den Piz Buin“ feierte das christlich-konservative Vorarlberger Volksblatt vom 15. September 1936 die Errichtung des ersten Gipfelkreuzes am Piz Buin. Es folgt ein ausführlicher, teilweise dramatisch formulierter Besteigungsbericht, der das heldenhafte Handeln der beteiligten „Kreuzritter“ hervorhebt und die genauen Umstände der Errichtung schildert, die bei seiner Erneuerung noch nicht bekannt waren. „Auf dem Kreuz ist keine Jahreszahl und man vermutete, dass es aus den 1950er oder 60er Jahren stammt“, erzählt Mag. Mag. Michael Kasper, Wissenschaftler am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie und Leiter der Montafoner Museen, der sich im Auftrag des vorarlberg museums mit der Geschichte des historischen Kreuzes beschäftigt hat. Im Zuge seiner Recherchen stieß er unter anderem auf den erwähnten Zeitungsartikel im Volksblatt, der die politische Komponente dieser – heute selbstverständlich wirkenden –Handlung deutlich werden lässt: Bereits der Titel des Volksblatt-Artikels signalisiert den Kampfgedanken, der ganz im Sinne der Reichsbundjugend war, die als eine der einflussreichsten katholischen Jugendorganisationen die Kreuz-Errichtung initiierte und umsetzte. „Im Kontext der damaligen Zeit war es eine sehr symbolische Handlung, die auch Widerstand hervorrief“, sagt Michael Kasper und verweist auf eine Passage gleich zu Anfang des Volksblatt-Artikels. Dort ist von einem „Zeichen, dass dieses Land christlich ist und bleibt, allen Anstürmen der Überwinder der Christentums zum Trotz“ die Rede. Mit Überwindern des Christentums waren die konkurrierenden Nationalsozialisten und, mehr noch, die Bolschewisten beziehungsweise Kommunisten gemeint. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die Errichtung des Gipfelkreuzes auch unterschiedliches mediales Echo fand. Das deutsch-national ausgerichtete Tagblatt bespielsweise berichtet gar nichts, anderen Zeitungen ist es eine Randnotiz wert, die Zeitschrift „Österreichische Woche“ bringt ein Foto.

Bedenken des Naturschutzbundes

Neben historischen Medienberichten, die Michael Kasper als Hauptquelle dienen, hat er auch in Verwaltungsarchiven vereinzelt Hinweise auf das Gipfelkreuz am Piz Buin gefunden und ist dabei auf ein interessantes Detail gestoßen: Der Reichsbund hatte die Behörden des austro-faschistischen Ständestaates auf seiner Seite, die Genehmigung erfolgte jedoch erst nach der Errichtung. Bei der Behörde gingen zudem Beschwerden des Naturschutzbundes ein, der sich am Eingriff in den unberührten alpinen Landschaftsraum störte. „Heute käme wohl kaum jemand mehr auf die Idee zu sagen, dass ein Gipfelkreuz nicht in die Landschaft passt“, sagt Kasper mit einem Augenzwinkern, macht aber nochmals auf die Brisanz aufmerksam, die das Thema hatte. „Nach dem Anschluss 1938 gibt es einen behördlichen Schriftverkehr, in dem zu Sprache kommt, dass das Kreuz als Zeichen aus der Systemzeit – wie die Nationalsozialisten den Ständestaat nannten – entfernt werden soll“, berichtet er. Dazu ist es aber aufgrund der Lage des Piz Buins im Sperrgebiet zur Schweizer Grenze nicht gekommen, wie Kasper vermutet, der von einigen Gipfelkreuzen in Tirol weiß, die während des NS-Regimes zerstört oder abmontiert wurden.

Erstes Gipfelkreuz Vorarlbergs

Das Gipfelkreuz am Piz Buin war, wie Michael Kasper herausgefunden hat, das erste Vorarlbergs. Das ist in seinen Augen insofern überraschend, als dass die ersten Gipfelkreuze bereits im 19. Jahrhundert unter Erzherzog Johann aufgestellt wurden und in katholischen Gebieten in Tirol aber auch im Südalpenraum zunehmend eine gewisse Verbreitung fanden. „Die große Welle der Gipfelkreuze kommt erst nach dem 2. Weltkrieg mit den Kriegsheimkehrern, die rund um ihre Dörfer auf den Hausbergen Gipfelkreuze errichten“, hebt Michael Kasper hervor, der seine Forschung als exemplarischen Ausschnitt auf einem noch relativ wenig erforschten Gebiet sieht. So gibt es zwar einzelne Publikationen über Gipfelkreuze und einige Sammlungen von Fotos und Inschriften, aber kaum allgemeine Beiträge zur Entwicklung des verhältnismäßig jungen Phänomens.

Fakten zur Gipfelkreuz-Errichtung

Die heute bekannten Fakten rund um Errichtung des Gipfelkreuzes am Piz Buin kennt man hauptsächlich aus dem Vorarlberger Volksblatt sowie aus einer Gedenkschrift von Reichsbund-Funktionär Eugen Leissing: Die Idee, ein Gipfelkreuz zu errichten entstand am Gautag der Reichsbundjugend in Schruns am 21. Mai 1936. Bewältigt wurde die Aufgabe allerdings unter Beteiligung mehrerer Reichsbundgruppen. Unterstützt wurden die „Reichsbündler“ von den Illwerken, die unter anderem ihren Schrägaufzug zur Verfügung stellten. Der erste Versuch, das Kreuz aufzustellen, wurde bereits am 5. September gestartet, scheiterte aber am schlechten Wetter. Am darauf folgenden Samstag trugen 18 Montanfoner Burschen das Kreuz auf das Wiesbadner Grätle, am Sonntag, 13. September 1936 wurde es schließlich aufgestellt und befestigt. Heuer im Sommer war das historische Kreuz anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Erstbesteigung des Piz Buin Teil einer Kunstinstallation am Kornmarkt in Bregenz zu sehen.

Zur Person

Michael Kasper, geboren 1980, studierte an der Universität Innsbruck
Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung, Geographie und Wirtschaftskunde sowie Katholische Religion. Zu seinen Schwerpunkten zählen die Sozialgeschichte des ländlichen Raumes sowie Kulturlandschaftsgeschichte. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie sowie Leiter der Montafoner Museen.

Dieser Artikel ist in der Dezember-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).

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