Der Fokus der Forschungsarbeit von Monika Fink liegt auf Kompositionen, die durch Werke der bildenden Kunst, insbesondere durch Werke der Malerei, inspiriert wurden. Dazu hat die Wissenschaftlerin bereits eine Vielzahl an Publikationen veröffentlicht. Beeindruckt von Raffaels Gemälde „Lo Sposalizio della Vergine“ war Franz Liszt mit einem Klavierstück aus seinem 1839 entstandenen Zyklus „Années de Pèlerinage“ der erste Komponist, der ein konkretes Einzelbild musikalisch umsetzte. „Angeregt durch seine Italienreise und durch Bilder der italienischen Renaissance hat ihn Raffaels Gemälde auf die Idee gebracht, dass alle Künste einem gemeinsamen Ursprung entspringen, der in verschiedenen Medien ausgedrückt werden kann. Liszt begann als ‚Tondichter‘, wie er sich selbst bezeichnete, Werke der Literatur und der bildenden Kunst in Musik umzusetzen. Damit verfolgte er auch das Ziel, die Instrumentalmusik durch die Einbeziehung anderer Künste aufzuwerten“, erklärt Fink die Anfänge der sogenannten Programmmusik. Finden sich im 19. Jahrhundert seltener Kompositionen nach Bildern, werden durch Malerei inspirierte Werke ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder häufiger. „Je größer der musikalische Stilpluralismus wurde, desto orientierungsloser waren zuweilen auch die Komponisten. Ein außermusikalisches Kunstwerk, ein Bild oder auch eine Skulptur, kann hier eine Art ‚Anker‘ bilden“, so die Musikwissenschaftlerin. In der von Fink und ihren internationalen Partnerinnen und Partnern aufgebauten Datenbank sollen sämtliche Kompositionen, die sich auf Werke der bildenden Kunst beziehen, verzeichnet und mit Metadaten versehen werden. Bisher umfasst die Sammlung bereits über 3000 Werke, mit dem Trend, noch weiter zu wachsen, da bildbezogenes Komponieren gegenwärtig hochaktuell ist. Das Auflösen der Grenzen zwischen den Kunstgattungen ist für viele Komponistinnen und Komponisten von großem Interesse. Die bildlichen Vorlagen für die Vertonungen reichen von prähistorischen Höhlenmalereien bis zur zeitgenössischen Kunst – Musik und Bild ergänzen sich über Epochen hinweg. Umgekehrt gibt es auch Bilder, die durch konkrete Musikwerke inspiriert wurden, diese seien aber deutlich in der Unterzahl.
Meistvertonte Bilder
Bilder wurden häufig nicht nur einmal, sondern vielfach vertont. Ganz oben auf der internationalen Hitliste rangiert das berühmte Bild „Guernica“ von Pablo Picasso. Nur wenige Tage nach dem Luftangriff auf die völlig zerstörte baskische Stadt Guernica, heute Gernika, entschied sich Picasso im fernen Paris für den spanischen Pavillon der Weltausstellung 1937 diese Gräueltaten bildlich zu dokumentieren. Auf der 27 Quadratmeter großen Leinwand bleibt bis heute der prägende Eindruck für die Betrachterinnen und Betrachter des Bildes im Museo Reína Sofía in Madrid bestehen. Mit „Guernica“ ist Picasso eine zeitlos gültige Anklage gegen Krieg und Gewalt sowie ein Sinnbild des Leidens gelungen. „Es verwundert nicht, dass dieses Bild in seiner bewegenden Aussagekraft Inspirationsquelle für zahlreiche Kompositionen ist“, so Fink. An die fünfzig Kompositionen sind bisher schon zu „Guernica“ entstanden. Die bekannteste stammt von Walter Steffens, einem deutschen Komponisten aus Aachen. Das Besondere an diesem Werk ist schon der aleatorische Beginn, in welchem der Luftangriff im gerüsthaften Notat direkt angesprochen wird. Die 1978 entstandene Komposition wechselt zwischen elegischer und aggressiver Tonsprache. Der das Werk kennzeichnende stilistische Pluralismus ist auch durch das Programm begründet. „Alles, was mir stilhistorisch verfügbar ist, benutze ich mit dem Ziel, das Drama vom Schrecken, der Furcht, der Trauer und der Hoffnung zu erzählen“, schrieb der Komponist. Das hier angesprochene Symbol der Hoffnung, das sich neben allen Symbolen des Leidens und Schreckens im Bild findet, ist eine kleine, unversehrt gebliebene Blume, die neben der Hand des sterbenden Kriegers erwächst. Nicht nur bei Steffens findet dieser Hoffnungsschimmer Eingang in die Kompositionen nach „Guernica“. Neben Picasso seien auch Werke von Francisco de Goya, vor allem die späteren Radierungszyklen „Los Desastres de la Guerra“ oder „Los Caprichos“, häufige Inspirationsquellen für Komponistinnen und Komponisten.
Vom Bild zur Musik
In ihrer langjährigen Forschungsarbeit hat Fink verschiedene konzeptuelle Möglichkeiten von Bildvertonungen in der Instrumentalmusik entwickelt. Besonders gefallen der Wissenschaftlerin Kompositionen, die durch Bilder von Paul Klee angeregt wurden. Klee, der selbst auch Musiker war, wurde zu seiner abstrakten Malerei von der Musik des 18. Jahrhunderts, insbesondere von Johann Sebastian Bach, inspiriert. Die Polyphonie in der Musik Bachs, also die Gleichzeitigkeit des Zeitlichen, hat Paul Klee zu einer Polyphonie in der Malerei, also zur Gleichzeitigkeit im Räumlichen, gebracht. „Fuge in Rot“ sei eines von vielen Beispielen, in denen das bildliche Prinzip der Polyphonie deutlich zu sehen ist. „Solche Gestaltungsformen kann man bildlich und klanglich darstellen,“ erklärt Fink. Viele in Klees Bildern wie auch generell in abstrakter Malerei verwendete Gestaltungsprinzipien sind medienunabhängig. Es finden sich Symmetrien, Spiegelungen oder Umkehrungen – Verfahren, die auch in die Musik übersetzt werden können. „So werden Kompositionen in Entsprechung zu bildhaften Gestaltungsmerkmalen entwickelt“, erklärt Fink. Ebenso lassen sich hell-dunkel Schattierungen, Lichtwirkungen und Überschneidungen auch musikalisch ausdrücken. „Dieses Bild hat mich einfach angesprochen.“ Diesen Satz höre die Musikwissenschaftlerin oft, wenn sie mit zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten über deren Bildvertonungen spricht. „In den Gesprächen erzählen sie mir von ihrer Sichtweise und ihren Beweggründen zur Vertonung von Bildern. Als Wissenschaftlerin ist man aber gefordert, die notwendige Distanz zu wahren und die Werke neutral zu untersuchen, wobei die Fragen nach möglichen auditiv-visuellen Konvergenzen immer auch kontrovers diskutiert werden.“ In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Kunstwerken in Bild und Ton macht sich Fink auf die Suche nach gleichen oder ähnlichen Mustern und versucht, Verbindendes bei den verschiedenen Vertonungen ein und desselben Bildes herauszuarbeiten, was bei besonders bekannten Vertonungen wie „Guernica“ oder der „Zwitschermaschine“ von Paul Klee eine spannende Frage ist. Großteils bleibt die individuelle Erfahrung beim Anblick der Bilder jedoch auch bei den Komponierenden bestehen, die beim Betrachten ein und desselben Bildes von den unterschiedlichsten Aspekten angesprochen wurden, wodurch auch eine Vielzahl an Interpretationen entstünden. Mit der Verbindung von Bild und Musik sind bisher zahlreiche Musikschaffende dem Ansatz von Franz Liszt gefolgt. Während hingegen für Liszt noch die Aufwertung der Instrumentalmusik durch die Einbeziehung anderer Künste im Mittelpunkt stand, gehe es in den letzten Jahrzehnten vorrangig um die Auflösung der Grenzen zwischen den Künsten. Monika Fink hat sich auch weiterhin große Ziele gesteckt. Neben einer „Theorie der Bildvertonung“ ist für heuer eine Arbeit zu den „8 Pieces on Paul Klee“ des deutsch-schweizerischen Komponistenkreises „Groupe Lacroix“ geplant. „Gerade bei bildbezogener Musik gibt es für das analytische Vorgehen so viele Lösungen und individuelle Ansätze, wie auch in dieser Musik selbst“, schließt die Musikwissenschaftlerin Monika Fink, die auch im Rahmen der Universität im Dorf in Außervillgraten einen Vortrag zum Thema gehalten hat.