Eine Gruppe angehender und aktiver Trainerinnen und Trainer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz nahm an einer viertägigen Weiterbildung für ihre zukünftige Schulungstätigkeit zur Professionalisierung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern im Kommunalbereich teil. An den ersten drei Schulungstagen des Train-the-Trainer-Seminars vom 29. September bis 1. Oktober 2017 wurde ein Konzept erarbeitet, das am vierten Schulungstag am 7. Oktober 2017 praxiserprobt wurde. Geleitet wurde dieses Seminar der Koordinationsstelle für universitäre Weiterbildung von Dr. Şebnem Bahadır, die die zugrundeliegende Methode „Dolmetschen als Inszenierung“ entwickelt hat. Die theaterpädagogische Methode der Dolmetschwissenschaftlerin der Universität Mainz/Germersheim beruht darauf, dass eine Dolmetschsituation als Rollenspiel vorbereitet, eingeübt und zur Aufführung gebracht wird. Der Fokus liegt dabei auf einem Perspektivenwechsel – Dolmetscherinnen und Dolmetscher können in die Rollen jener Personen schlüpfen, für die sie normalerweise arbeiten: Plötzlich finden sie sich als Ärztin/Arzt oder als Asylwerberin/Asylwerber wieder – ein Augenöffner für die aktiven Gesprächsbeteiligten genauso wie für die außenstehenden Beobachterinnen und Beobachter. Fremd- und Selbstreflexion über die ausgeübten Rollen bieten so Anhaltspunkte zur Weiterentwicklung der Dolmetschtätigkeit.
Intensive Methodenarbeit und Vernetzung
Nach einem theoretischen Input von Dr. Bahadır sowie einführenden Übungen entwickelten die angehenden und praktizierenden Trainerinnen und Trainer ein gemeinsames Konzept für eine Dolmetschinszenierung basierend auf den vier Säulen Körperarbeit, Rollenentwicklung, Probenarbeit und Inszenierung. Neben der intensiven Auseinandersetzung mit der Methode an den drei Weiterbildungstagen dienten die teils gemeinsam verbrachten Abende der Vernetzung und dem Gedankenaustausch über die verschiedenen Trainingsformate in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Grenzübergreifend wurde ein allerorts hoher Bedarf an Schulungsmaßnahmen für Dolmetscherinnen und Dolmetscher im Bereich Community Interpreting festgestellt.
Vorhang auf für die Praxis
Am vierten Schulungstag folgte dann der große Auftritt – sowohl für das Team der Trainerinnen und Trainer als auch für eine Gruppe von zwölf Dolmetscherinnen und Dolmetschern, die sich für diese eintägige Weiterbildung angemeldet hatten. Unter Beobachtung von Dr. Bahadır und ihrer Kotrainerin Sara-Maria Römer schulten die Trainerinnen und Trainer die Gruppe nach der Methode der Dolmetschinszenierung. Nach gezielten Atem-, Stimm- und Bewegungsübungen zur Förderung der Körperwahrnehmung wurde ein konkretes Szenario, ein dolmetschgestütztes Elterngespräch in der Schule, zuerst kontextualisiert, dann erprobt und schließlich inszeniert. Dabei schlüpften die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die verschiedenen Rollen einer Lehrkraft, eines Familienmitglieds eines in der Schule auffälligen Kindes und natürlich in die einer Dolmetscherin/eines Dolmetschers. Die Rollenspiele wurden bei der Probenarbeit in den Sprachen Thai, Georgisch, Russisch und österreichische Gebärdensprache (ÖGS) eingeübt, bevor dann zwei Inszenierungen zur Aufführung gebracht wurden.
Gemeinsame Reflexion
Im Zuge dieser Inszenierungen, die mit den Sprachen Russisch und ÖGS stattfanden, erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer umfangreiches Feedback und konnten auch selbst über ihre Arbeit reflektieren. Es ergaben sich angeregte Diskussionen, insbesondere zu den verschiedenen Arbeitsweisen von Lautsprachen- und Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetschern, für die die gemeinsame Weiterbildung ein Novum war. Im Rahmen dieser Weiterbildung konnte das Bewusstsein der Gruppe für die eigene Arbeit geschärft und der Grundstein für die persönliche und professionelle Weiterentwicklung gelegt werden. Auch unter den nunmehr ausgebildeten Trainerinnen und Trainern stieß die Methode „Dolmetschen als Inszenierung“ auf große Resonanz, weshalb der Wunsch nach einer Vertiefung im Rahmen zusätzlicher Weiterbildungen entstand.
(Maria Oberhofer)