Autoauspuff
Der Beitrag von Fahrzeugen zu den Stickoxid-Emissionen wird dramatisch unterschätzt.

Stickoxide: Verkehr als Ursache drastisch unterschätzt

In Europa hat der Verkehr einen wesentlich höheren Anteil am Stickoxid-Ausstoß als bisher angenommen. Das zeigt ein Team von Wissenschaftlern um Thomas Karl von der Universität Innsbruck in einer aktuellen Studie. Selbst neuere Modellrechnungen unterschätzen den Beitrag von Fahrzeugen zu den Stickoxid-Emissionen bis zu einem Faktor 4.

Europaweit werden in städtischen Regionen die Grenzwerte für Stickoxide immer wieder überschritten. Welche Verursacher wieviel Emissionen beitragen, ist nicht immer einfach zu ermitteln. Bisher hat man sich vor allem damit beholfen, dass am Prüfstand die Abgaswerte ermittelt und in einem Modell hochgerechnet wurden. Wieviel Luftschadstoffe ein Fahrzeug oder ein Heizgerät im Alltag abgibt, hängt aber von zahlreichen Faktoren ab, beim Auto zum Beispiel vom individuellen Fahrstil. Auch der Dieselskandal hat zuletzt deutlich gemacht, wie wenig aussagekräftig Messungen am Prüfstand für die tatsächliche Umweltwirkung sein können. Heute erscheinen beinahe wöchentlich Studien, die die Emissionswerte aus Prüfstandmessungen nach oben korrigieren.
Das Luftmanagement durch Umwelt- und Gesundheitsbehörden beruht auf Atmosphärenmodellen, denen diese experimentellen Daten zugrunde liegen. Während es schon länger Zweifel vor allem an den Stickoxidwerten gab, fehlte bisher ein Verfahren, mit dem die tatsächlich ausgestoßenen Luftschadstoffe in einem bestimmten Gebiet gemessen und deren Quellen bestimmt werden können. Ein Team um den Physiker Thomas Karl vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck hat genau dies nun im Stadtzentrum von Innsbruck umgesetzt.

Tatsächliche Stickoxidemissionen bis zu viermal so hoch

Mit einem speziellen Messverfahren – dem sogenannten Eddy-Covariance-Verfahren – können die Innsbrucker Forscher die Konzentration von Luftbestandteilen laufend überwachen und so auf die Emissionen in dem städtischen Gebiet schließen. „Wir bestimmen an unserer Messstation kontinuierlich die Konzentration von Kohlendioxid, Stickoxiden und flüchtigen organischen Verbindungen. Dabei werden pro Stunde 36.000 Datenpunkte erfasst“, erklärt Thomas Karl. Aus den Messdaten können die Wissenschaftler mit Hilfe von statistischen Methoden auf die Emissionen im Umkreis von rund einem Kilometer schließen. Die Auswertung einer dreimonatigen Messreihe im Jahr 2015 – die nun in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht wurde – förderte zwei Hauptquellen für die Stickoxidkonzentration in der Innsbrucker Luft zutage: Verkehr und Hausbrand, wobei der Verkehr für über 80 Prozent der Stickoxidkonzentration im Umkreis der Messstation an der Universität verantwortlich ist. Ein Großteil davon wird von Dieselfahrzeugen ausgestoßen. „Dieses Ergebnis ist für ganz Innsbruck relativ repräsentativ“, sagt Thomas Karl, der auf die weitreichende Bedeutung dieser Erkenntnis hinweist: „Selbst die neueren Atmosphärenmodelle beruhen auf Emissionskatastern, die die Stickoxidemissionswerte um den Faktor 4 unterschätzen.“ Die tatsächlichen Abgaswerte für Stickoxide können real also bis zu viermal so hoch sein, wie in manchen Modellen bisher angenommen.

Dem Hauptverursacher auf der Spur

Stickoxid ist in hohen Konzentrationen giftig und deshalb als Luftschadstoff eingestuft, es ist aber auch für die Bildung von bodennahem Ozon mitverantwortlich. Entsprechende Grenzwerte sollen die Emissionen begrenzen. Allerdings liegt zum Beispiel der Innsbrucker Durchschnittswert für Stickoxid 36-fach über dem neuen Luftreinhaltestandard in den USA. Aufgrund der hohen Stickoxidwerte an der Inntal- und Brennerautobahn gelten dort bereits Fahrverbote und Geschwindigkeitsbeschränkung nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L). Die aktuelle Innsbrucker Studie trägt dazu bei, die Verursacher der Stickoxidemissionen noch deutlicher zuzuordnen. In Zukunft wollen die Tiroler Wissenschaftler mit ihrem Verfahren den Einfluss der Autobahn mit einer Messstation im Unterinntal genauer untersuchen, die Entwicklung der Luftschadstoffe während der Wintermonate aufzeichnen und den Einfluss von landwirtschaftlichen Flächen erforschen. Vor allem will Luftforscher Thomas Karl aber auch längere Messreihen etablieren. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Einrichtung des Innsbruck Atmospheric Observatory (IAO), das derzeit am Campus Innrain aufgebaut wird und in Zukunft von verschiedenen Forschungsgruppen der Universität Innsbruck genutzt werden wird.

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