Daniel Gattinger bei der Probenentnahme im Hintertuxer Eispalast.
Daniel Gattinger bei der Probenentnahme im Hintertuxer Eispalast.

Anti­biotika­resis­tenzen in Eis und Schnee

Antibiotika gelten als Mittel der Wahl gegen bakterielle Infektionen. Antibiotikaresistente Keime stellen die Medizin allerdings immer häufiger vor Herausforderungen. Der Student Daniel Gattinger hat im Rahmen seiner Master-Arbeit Bakterien in Schnee und Eis auf Antibiotikaresistenzen untersucht und kam dabei zu überraschenden Ergebnissen.

Da Antibiotika-Resistenzen in der natürlichen Umwelt in letzter Zeit vermehrt Aufmerksamkeit auf sich ziehen, hat Daniel Gattinger untersucht, ob dieses Phänomen auch in der Kryosphäre eine Rolle spielt. „Vor allem für Böden und Gewässer gab es in jüngster Zeit verschiedene Studien, die sich mit Antibiotika-Resistenzen in Mikroorganismen der natürlichen Umwelt beschäftigt haben. Für unser Forschungsgebiet – die Kryosphäre – gibt es dazu bisher kaum Untersuchungen“, erklärt der Student der Mikrobiologie, der derzeit seine Master-Arbeit in der Arbeitsgruppe von Priv.-Doz. Birgit Sattler am Institut für Ökologie verfasst. Als Kryosphäre bezeichnen die Wissenschaftler das gesamte Vorkommen von gefrorenem Wasser auf der Erde. Um dort mögliche Resistenzen in Mikroorganismen zu finden, untersuchte Gattinger Eisproben aus dem Hintertuxer Eispalast, einer touristisch stark erschlossenen Eishöhle am Hintertuxer Gletscher.

Überlebensmechanismus

Für zahlreiche Organismen ist es ein wichtiger Überlebensmechanismus, zu lernen mit Antibiotika umzugehen. Da viele Antibiotika natürlichen Ursprungs sind, überrascht es deshalb nicht, dass einigen Bakterien Resistenzen ausbilden. „Es ist einfach ein evolutiver Vorteil für die Keime; sie haben im Lauf ihrer Entwicklung gelernt, mit den in ihrer Umgebung vorkommenden Antibiotika zurecht zu kommen“, erläutert der Student. Insgesamt hat er die Reaktion von 62 kultivierten Bakterienstämmen aus dem Hintertuxer Eispalast auf sechs in der Medizin häufig eingesetzte Antibiotika getestet. Um den Einfluss des Menschen besser sichtbar zu machen, wählte er neben natürlich gewonnenen Antibiotika auch semisynthetische und synthetische Substanzen.

Multiresistente Keime

Auch wenn Daniel Gattinger mit Resistenzen gerechnet hat, überraschte ihn die Deutlichkeit der Ergebnisse: „Nur bei einem der 62 isolierten Stämme waren alle Antibiotika wirksam. 61 der 62 untersuchten Stämme zeigten eine Resistenz gegen mindestens ein Antibiotikum; 57 von 61 gegen mindestens zwei Antibiotika und nur insgesamt acht der 62 Bakterien waren nicht multi-resistent – also gegen weniger als drei Antibiotika resistent.“ Unter den getesteten Antibiotika war mit Vancomycin auch ein sogenanntes Reserve-Antibiotikum, das im medizinischen Alltag immer dann zum Einsatz kommt, wenn ein verabreichtes Antibiotikum nicht wirkt. „68 Prozent der untersuchten Bakterienstämme zeigten eine Resistenz gegen dieses Antibiotikum“, verdeutlicht Daniel Gattinger. Neben den Proben aus dem Hintertuxer Gletscher untersuchte Gattinger auch weniger stark von Menschen beeinflusste Eis- und Luft-Proben, zum einen aus tieferen Eisschichten im Hintertuxer Eispalast, zum anderen aus weniger erschlossenen Gletschergebieten und auch aus der Arktis, die ihm von KollegInnen aus der Arbeitsgruppe von Birgit Sattler zur Verfügung gestellt wurden. Bei diesen Proben zeigten sich zwar weniger Antibiotika-Resistenzen als in den von Menschen stark beeinflussten Proben, allerdings waren auch hier erstaunlich viele der isolierten Stämme gegen mindestens eines der getesteten Antibiotika resistent.

Globale Ausbreitung

„Die globale Ausbreitung der Mikroorganismen durch eine Verfrachtung von Luftpartikeln spielt bei diesem Ergebnis sicher auch eine Rolle. Es ist möglich, dass Bakterien aus stark von Menschen beeinflussten Gebieten vermehrt in unbesiedelte Gebiete verfrachtet werden“, erläutert Gattinger. Ein Beispiel das belegt, wie weit die Verfrachtung von Luftpartikeln gehen kann, ist der Fund von Sahara-Sand in Proben aus dem Stubaier Gletscher. „Zusätzlich sind Bakterien auch in der Lage, Resistenz-Gene sehr leicht weiter zu geben“, erläutert Gattinger. „Auch wenn diese Resistenzen in der natürlichen Umwelt keine direkte Gefahr für Menschen darstellen, da es sich bei den von uns untersuchten Bakterien nicht um für Menschen pathogene Keime handelt, zeigen die Ergebnisse, dass eine globale Ausbreitung der Antibiotika-Resistenzen sicher nur schwer aufzuhalten sein wird.“ Zur Absicherung seiner Ergebnisse, will der Student nun noch molekularbiologische Methoden anwenden, um gezielt nach Resistenz-Genen zu suchen. 

Links

    Nach oben scrollen