Kriege, Gewalttaten, Streit – Konflikte jeglicher Art und Ausprägung sowie innere Zerrissenheit können die tiefe Sehnsucht der Menschen nach Frieden erst ermöglichen. „Die Rede vom Frieden gehört in der biblischen Tradition zu den großen Orientierungen menschlichen Lebens, wird aber bedingt durch die negativen Grunderfahrungen der Menschen“, so Siebenrock, Leiter des Instituts für Systematische Theologie. Obwohl der Mensch diese Friedenssehnsucht in sich trägt, zweifelt der Theologe daran, ob er auch dazu befähigt sein wird, diese Sehnsucht mit anderen Menschen zu teilen. Im Hinblick auf die herausfordernde Situation der Weltpolitik hat Siebenrock derzeit wenig Hoffnung auf einen globalen Frieden. „Wenn uns die Politik vor den größten Katastrophen bewahren sollte, hat sie mehr als genug getan“, so der Theologe. „Es ist aber unsere Aufgabe, an dem Ort wo wir sind, Frieden zu stiften und ein Leben zu führen, in dem auch andere Platz haben. Wir müssen die Meinung überwinden auf einer Insel zu leben, auf der man ohne andere leben kann – wir sitzen alle in einem Boot“, ist Siebenrock überzeugt. Weder die herausfordernden Veränderungen der Umwelt, noch die Finanzfrage oder Armut kann der einzelne Mensch lösen. Einen Beitrag kann und soll aber jeder und jede leisten. „Und wenn morgen die Welt untergeht, pflanze ich heut einen Apfelbaum. Früher nannten dies die Menschen ‚Gottvertrauen‘. Es ist aber völlig gleichgültig wie erfolgreich ich in meinem Tun bin. Wichtig ist nur, dass ich heute das tue, was ich machen kann“, fordert der Wissenschaftler auf. „Wenn wir nicht damit beginnen, dann kann man nur pessimistisch sein. Aber wenn wir heute etwas Gutes tun, dann können wir uns auch damit überraschen lassen, dass sich etwas ändert.“
Ein Herz für andere
Das Leid anderer mitzuempfinden wäre einer der ersten Schritte zum Frieden. „Das fängt bei den Flüchtlingen an und hört beim Nachbarn auf. Barmherzigkeit als christliche Tugend, in der Gottes Sein selbst gegenwärtig wird, ist immer ein wesentlicher Teil des Friedens,“ so Siebenrock. Dass jeder seinen Weg, seine Freiheit und Lebensvorstellung verwirklichen kann, und das, im Zusammenhang mit anderen, ist die Grundlage, damit Frieden wachsen kann. Der Theologe spricht über die von Johannes Paul II geforderten Werte von Würde, Freiheit und Gerechtigkeit. Dieser Papst hat in Assisi 1986 in Fasten und Beten der Religionen einen gemeinsamen Friedensweg gestaltet, der heute noch fruchtbar ist. „Bei allem was wir tun, dürfen wir nicht beginnen an der Würde des Menschen zu knabbern,“ betont der Theologe. Nur mit Vergebung und Versöhnung könne Frieden auch in einer Situation von Gewalt und Verachtung gestiftet werden. Siebenrock ist davon überzeugt, dass es auch strukturelle Rahmenbedingungen geben muss, um Frieden möglich zu machen. So lange Menschen leben, braucht es Strukturen, Polizei und Sicherheit als Rahmen für friedliches Zusammenleben. „In Österreich dürfen wir heute in einer Situation leben, in der Frieden Gott sei Dank normal ist – das ist aber nicht überall so“, betont Siebenrock. Diese Strukturen stiften noch keinen Frieden, aber sie ermöglichen ihn. „Manche Formen der Gewalt sind wohl nur mit Gewalt stoppen – es gibt Notwehr-Maßnahmen. Die Weise wie ich Gewalt stoppe, kann aber nicht die Weise sein, wie ich Frieden stifte und Zusammenleben ermögliche“, verdeutlicht der Theologe, der betont, dass die verfassungsrechtliche Grundlage und klar legitimierte Gesetze eine wichtige Voraussetzung für ein friedvolles Zusammenleben sind. „Es gibt so viel Frieden wie es Menschen gibt. Diese Kompetenz von jedem einzelnen sollten wir stärken“, plädiert Siebenrock, der sich schon sehr auf den Austausch mit den Interessierten in Außervillgraten freut
Uni im Dorf
Seit mehr als 15 Jahren findet die Uni im Dorf ohne Unterbrechung in Außervillgraten statt. Begonnen hat alles mit dem Thema „Glaube und Christliches Brauchtum“. In den darauffolgenden Jahren wurden die unterschiedlichsten Inhalte in den Veranstaltungen der „Universität im Dorf“ in Außervillgraten vorgetragen und diskutiert. Themen wie Chancen und Entwicklung im ländlich-alpinen Raum, ein Ausflug in die Weiten des Weltalls, Generationenkonflikte oder -chancen, die Mundart, Pflege oder die neuen Medien sind nur eine Auswahl der vielfältigen Inhalte. Heuer steht das Thema „Konflikt - Forschung - Frieden“ im Mittelpunkt. Die Uni im Dorf in Außervillgraten ist ein vorbildliches Beispiel für den Wissenstransfer der Uni Innsbruck und die Vermittlung von anwendungsorientierten Forschungen.
Die diesjährige "Universität im Dorf" wird in Zusammenarbeit mit dem Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Begegnungen - Kulturelle Konflikte" gestaltet, der sich mit unterschiedlichen Formen kultureller Kontakte auseinandersetzt und diese als Orte der Kreativität und der Entstehung von Neuem, aber auch der konflikthaften Zuspitzungen bis hin zu Krieg und Gewalt untersucht.