Nanoteilchen bewegen sich in Flüssigkeiten oder Gasen scheinbar zufällig und ruckartig fort. Diese sogenannte brownsche Bewegung beruht auf der Wechselwirkung mit der großen Zahl von Molekülen in der Umgebung, die sie immer wieder in andere Richtungen ablenken. Dieses seit zweihundert Jahren bekannte Verhalten untersuchen Wissenschaftler seit einigen Jahren auch mit künstlich hergestellten Nanoteilchen. In einer aktuellen Arbeit der Forschungsgruppe um Thomas Franosch wurde die Bewegung von sogenannten Janusteilchen in einer Flüssigkeit genauer unter die Lupe genommen. Wie einst der römische Gott des Anfangs und des Endes haben Janusteilchen zwei unterschiedliche ‚Gesichter‘. „Die von uns verwendeten Kunststoffkügelchen sind auf einer Seite mit einer Platinschicht überzogen und haben einen Radius von ungefähr einem Mikrometer“, erzählt Christina Kurzthaler vom Institut für Theoretische Physik. „Die beiden Seiten haben dadurch unterschiedliche chemische Eigenschaften.“ Im Experiment werden die Kügelchen in Wasserstoffperoxid getaucht. Durch verschiedene chemische Reaktionen an den beiden Oberflächen entsteht in der Flüssigkeit ein Konzentrationsgefälle, entlang dem sich das Kügelchen selbständig fortbewegt. Mittels fotografischen Methoden werden die Bewegungen der Kügelchen aufgezeichnet.
Dynamik der Bewegung verstehen
Die Wissenschaftler interessierten sich nun besonders für den Übergang zur brownschen Bewegung, wenn das Kügelchen mit den Molekülen der Flüssigkeit zu interagieren beginnt und dadurch seine Schwimmrichtung ändert, sowie die weitere Entwicklung über einen längeren Zeitraum. Hierfür lösten die Theoretikerinnen und Theoretiker in Innsbruck erstmalig analytisch das Standardmodell aktiver brownscher Teilchen und errechneten die Wahrscheinlichkeitsverteilung, wie und wohin sich das Kügelchen bewegen wird. Die theoretischen Vorhersagen passten fast perfekt zu den Messergebnissen der schottischen Kollegen, was in der Physik weicher Materie eher selten vorkommt. „Diese Daten helfen uns, die Dynamik der Bewegung besser zu verstehen. Wir wissen jetzt wie schnell die Teilchen schwimmen und wie groß die Diffusionskoeffizienten sind“, resümiert Christina Kurzthaler. Interessant könnte das auch für die Anwendung werden, denn mit solchen angetriebenen Teilchen ließen sich Medikamente sehr kontrolliert an ein Ziel im Körper, zum Beispiel Krebszellen, führen. Derzeit ist dies allerdings noch Zukunftsmusik, zunächst müssen die Prozesse grundlegend verstanden werden. Die gemeinsame Arbeit der Forscherinnen und Forscher aus Innsbruck und Edinburgh liefert dazu einen wichtigen Beitrag.
Die aktuelle Arbeit ist in der Fachzeitschrift Physical Review Letters erschienen und wurde unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziell unterstützt.
Links
- Bio and Nano Physics Group
- Probing the spatiotemporal dynamics of catalytic Janus particles with single-particle tracking and differential dynamic microscopy. Christina Kurzthaler, Clémence Devailly, Jochen Arlt, Thomas Franosch, Wilson C. K. Poon, Vincent A. Martinez, and Aidan T. Brown. Phys. Rev. Lett. 2018
- Institut für Theoretische Physik
- School of Physics and Astronomy, University of Edingburgh