Verschränkte Quantenzustände sind der Rohstoff der Zweiten Quantenrevolution. Optische Atomuhren, Quantensensoren, Quantencomputer und das Quanteninternet sind nur einige der derzeit in Entwicklung befindlichen Anwendungen. Ein tieferes Verständnis von Verschränkung ist daher grundlegend für viele Bereiche in Wissenschaft und Technologie. Die Verschränkung von zwei Quantenteilchen wird bereits sehr gut verstanden und kann heute im Labor effizient gemessen und manipuliert werden. Trotz enormem Forschungsaufwand sind hinsichtlich der Verschränkung von mehreren Teilchen noch viele Fragen offen. Ein Team um Barbara Kraus und David Sauerwein vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck hat nun in einer wegweisenden Arbeit mathematische Methoden entwickelt, mit denen die Eigenschaften von fast allen vielteilchenverschränkten Zuständen untersucht werden können. Dabei haben sie eine wichtige Entdeckung gemacht: Es gibt nicht den einen oder ein kleines Set von maximal verschränkten Zuständen.
Sehr großes Set von Zuständen notwendig
Auf der Suche nach den maximal verschränkten Zuständen von vielen Teilchen kehrten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Ursprung der Verschränkungstheorie zurück. Sie untersuchten wie räumlich getrennte Teilchen eines verschränkten Zustands, die sich zum Beispiel in verschiedenen Laboren befinden, über lokale Operationen transformiert werden können. Diese Operationen werden wiederum über klassische Kanäle koordiniert - in der Fachsprache „local operations assisted by classical communication“ (LOCC). Für diese LOCC-Transformationen sind Symmetrien sehr wichtig. Mit Methoden der algebraischen Geometrie kamen die Forscher zu der Erkenntnis, dass die meisten verschränkten Vielteilchenzustände keine lokalen Symmetrien aufweisen. „Dadurch konnten wir in unserer Arbeit die optimalen LOCC-Transformationen für fast alle vielteilchenverschränkten Zustände beschreiben“, erklärt David Sauerwein, der als Mitglied des Doktoratsprogramms Atome, Licht und Moleküle der Universität Innsbruck an dem Thema gearbeitet hat. Da dieses Ergebnis für eine beliebige Anzahl von Quantensystemen gültig ist und LOCC-Transformation eine zentrale Rolle in der Verschränkungstheorie spielen, zeigen die Ergebnisse neue Wege auf, um Vielteilchenverschränkung zu verstehen. „Zusätzlich konnten wir ableiten, dass die Menge der maximal verschränkten Zustände sehr groß ist und nicht nur einzelne Verschränkungszustände als Basis für mögliche Anwendungen dienen können“, erklärt Barbara Kraus. „Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, weil wir bisher mehr oder weniger im Trüben gefischt haben.“
Anwendung in Quantennetzwerken
Die Arbeit gibt auch Antwort darauf, wie verschränkte Zustände optimal in Quantennetzwerken benutzt werden können, die bereits experimentell umgesetzt werden. „Wir konnten zusätzlich zeigen, dass räumlich getrennte Partner in einem Quantennetzwerk die Verschränkung der meisten Zustände nur sehr eingeschränkt über LOCC verändern können. Gleichzeitig gibt es eine kleine Menge an Zuständen, die immer transformiert werden können“, erklärt David Sauermann. Die Theoretiker schlagen deshalb vor, diese kleine Menge an Zuständen näher zu untersuchen, um neue Anwendungen für Vielteilchenverschränkung zu finden. Die neuen mathematischen Methoden werden darüber hinaus auch Anwendung in anderen Bereichen der Physik finden, zum Beispiel in der Festkörperphysik, sind die Innsbrucker Wissenschaftler überzeugt.
Die aktuelle Arbeit wurde im Fachmagazin Physical Review X veröffentlicht und unter anderem vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF finanziell unterstützt.