Ob in der Blumenkiste, im Garten oder auf dem Acker: Blattläuse saugen Pflanzensaft und ihre massenhafte Verbreitung ist daher unerwünscht. Da im biologischen Landbau der Einsatz von Pestiziden verboten ist, arbeiten Landwirtinnen und Landwirte mit biologischer Schädlingsregulation. Sie versuchen natürlich vorkommende Gegenspieler bestmöglich zu fördern. Aber auch konventionelle Landwirte setzen auf die Gratis-Regulationsleistung indem sie wenig Insektizide einsetzen. Der Erfolg ihrer Bemühungen war bisher aber nicht vorhersagbar. Michael Traugott und sein Team vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck beschäftigen sich seit vielen Jahren mit der Analyse von Nahrungsnetzen in landwirtschaftlich genutzten Lebensräumen.
Das Zusammenspiel unterschiedlicher Arten im Acker ist komplex: „Die Nützlinge unter ihnen sind oft sehr mobil und in der Nahrungswahl nicht auf die jeweiligen Schädlinge ‚spezialisiert‘. Herauszufinden, wie Landwirtinnen und Landwirte durch die Art der Bewirtschaftung Einfluss auf die Stärke der Schädlingsregulation nehmen können, ist eine zentrale Herausforderung für die praktische Anwendung der biologischen Regulation.“ Mit viel ökologischer Handarbeit, molekularen Methoden und mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF ist es nun jedoch gelungen, Effekte verschiedener Düngungsarten auf die Schädlingsregulation festzumachen. Denn gedüngt werden Feldfrüchte in allen Formen des Landbaus.
Bei bisherigen Untersuchungen zu Nützlings- und Schädlingsdichten ist bis dato offengeblieben, ob die einen die anderen wirklich gefressen haben. Im Rahmen des FWF-Projekts ist es erstmals gelungen „in die Blackbox namens Nahrungsnetz hineinzusehen. Wir beginnen zu verstehen, wie das System tickt, weil wir das Verhalten der Arten und ihre Interaktion beobachten konnten“, beschreibt Projektleiter Michael Traugott. Dafür wurde einiger methodischer Aufwand getrieben. Mit Unterstützung des FWF untersuchte ein sechs-köpfiges Forschungsteam, motivierte und geschulte Studierende und im Rahmen des Programms Sparkling Science auch Schulklassen, wie sich verschiedene Düngungsarten auf die biologische Schädlingsregulation auswirken.
Hineinschauen in den Haushalt der Natur
In Absprache mit der HBLFA Kematen und vier Landwirten wurden sechs Felder mit Wintergetreide nahe Kematen in Tirol genutzt. Untersucht wurden Schädlings-Nützlings-Beziehungen nach Gabe von Wirtschaftsdünger (Mist und Kompost aus dem Betrieb), Handelsdünger (klassischer Stickstoff-Phosphor Kali Dünger) sowie zum Vergleich ohne Dünger. Der Versuch lief über zwei Jahre auf insgesamt 60 Versuchsparzellen von je acht mal acht Metern und zwei Probennahmen pro Jahr: Einmal Ende Mai, wenn die Blattläuse ins Weizenfeld einfliegen und Nützlinge besser schon in Lauerstellung sitzen, um die Stammmütter zu fressen und so die Ausbreitung einzudämmen. Ein zweites Mal zum Höchststand der Blattlauspopulation Mitte/Ende Juni.
Wie das Nahrungsnetz tickt
Jeder Dünger verändert die Zusammensetzung der Artengemeinschaft und das Beutespektrum: „Wir wussten, dass Mist auch Alternativbeute fördert, also Organismen, welche die Nützlinge ebenfalls gerne fressen. Nachdem wir alle Parameter ausgewertet haben wissen wir sicher, dass Mist dennoch die stabilste Schädlingsregulation bewirkt. Auch wenn andere Umweltfaktoren sich ändern“, erläutert der Ökologe das zentrale Ergebnis dieser Grundlagenarbeit. Als zweiter Getreideschädling wurden die Larven der Getreidehähnchen (i.e. eine Käferart) untersucht, die jedoch kaum von den Nützlingen gefressen werden. „Das Ergebnis klingt simpel, ist aber sehr valide, weil wir viele Faktoren einbezogen haben. Mist ist eine gute Strategie für die Düngung im biologischen Landbau, weil sie die Schädlingsregulation robust macht und den Erfolg der Maßnahmen besser prognostizierbar macht“, erläutert Michael Traugott.
Änderungen in der Schädlingsregulation waren zudem schon kurzfristig messbar, ohne dass sich die Artenvielfalt in der Parzelle stark verändern konnte: „Obwohl dieselben Arten in den Probeplots leben, machen sie etwas anderes, und das führt zu einem anderen Effekt“, so Traugott. Der Grundlagenforscher geht davon aus, dass die Effekte stärker werden, wenn eine Fläche über viele Jahre mit Mist gedüngt wird.
(Red./scilog)