Während man in Österreich spätestens zu den sogenannten „Hundstagen“ unter der sommerlichen Hitze stöhnt, prasselt in Asien der Regen auf die Dächer. Dort ist die Zeit des Sommermonsuns. Seit Jahrtausenden prägt das Wetterphänomen besonders die Region von Indien über China bis nach Indonesien. Allein auf dem indischen Subkontinent fallen während des Sommermonsuns fast 80 Prozent des gesamten Jahresniederschlages. Die Folge sind regelmäßige Überschwemmungen. Selbst Millionenstädte wie Mumbai oder Kalkutta können unter Wasser stehen.
Umgekehrt: Ist der Sommermonsun verspätet oder bleibt er aus, kann das verheerende Auswirkungen für die Menschen haben. „Hielten diese Trockenphasen etliche Jahre an, so kam es zu Hungersnöten und oft auch zu politischen Umwälzungen“, erklärt der Geologe Christoph Spötl mit Blick auf die Geschichte des Monsuns. Diese historische Dimension des Wetterphänomens ist es auch, die Spötl und sein Team an der Universität Innsbruck interessiert. Die Forscher/innen analysieren Daten aus Tropfsteinhöhlen, um die Entwicklung des Monsuns über Jahrtausende präziser als bisher nachzeichnen zu können. Gefördert durch den Innovationsfonds der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) soll der Forschung am Ende ein asiatisches „Monsun-Archiv“ zur Verfügung stehen.
Worum geht es in Ihrem Forschungsprojekt „Das Asiatische Monsun-Archiv“?
Christoph Spötl: Asien ist die weltweit größte geschlossene Landmasse und auch das höchste Gebirge und das größte Hochplateau finden sich dort. Diese Parameter sind wichtig, um zu verstehen, warum es in Asien das Phänomen des Monsuns gibt, und dies in einer besonders starken Ausprägung. Aus der langen Geschichte, zum Beispiel der chinesischen und indischen Kulturen, weiß man, dass sich Klima und Wetter auf das Wohlhergehen der Menschen ausgewirkt haben. Blieb der Monsunregen aus, hatte das verheerende Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Hielten diese Trockenphasen etliche Jahre an, so kam es zu Hungersnöten und oft auch zu politischen Umwälzungen. Es ist diese historische Dimension des Phänomens Monsun, die wir uns ansehen. Statt mit analogen Urkunden, die sich in einem alten Kloster finden, arbeiten wir mit geologischen Archiven in Höhlen, die nicht hunderte Jahre, sondern hunderttausende Jahre zurückgehen.
Warum muss man sich in Tropfsteinhöhlen begeben, um etwas über das Wetter zu erfahren?
Spötl: Anhand von Tropfsteinen konnte mit unserer Beteiligung vor zwei Jahren in einem „Nature“-Artikel gezeigt werden, wie stark und auf welchen Zeitskalen sich der asiatische Monsun in den vergangenen 640.000 Jahren verändert hat. Diese Klimakurve ist eine der längsten und die zeitlich genauste weltweit. Als Indikator der Intensität des Monsuns vergangener Zeiten wird traditionell die Sauerstoff-Isotopenzusammensetzung des Tropfsteinmaterials herangezogen. Allerdings ist nach wie vor unklar, wie dieser geochemische Parameter in meteorologische Werte umgesetzt werden kann. Genau hier setzt unser Forschungsprojekt an: Wir wollen versuchen, diesen derzeit nur qualitativen Parameter schrittweise zu quantifizieren und so die einmalige asiatische Klimazeitreihe unter anderem auch für globale Klimarechenmodelle besser nutzbar machen zu können.
Wie gehen Sie bei Ihrer Untersuchung vor?
Spötl: Wir versuchen den Tropfsteinen mit drei verschiedenen Methoden genauere Informationen über die Vergangenheit zu entlocken: Zum einen werden wir Spuren des ehemaligen Regens, der als kleinste Tröpfchen in den Kristallen der Tropfsteine eingeschlossen ist, extrahieren und analysieren. Diese Technologie haben wir vor zehn Jahren an der Universität Innsbruck aufgebaut und werden diese nun weiter optimieren. Zum anderen werden wir mit Kolleg/innen der Universität in Bergen in Norwegen die Temperatur bestimmen, bei der Tropfsteine gewachsen sind. Und schließlich planen wir in Kollaboration mit chinesischen Wissenschaftler/innen der Universität in Xian erstmalig eine Methode anzuwenden, die es erlauben sollte, die Luftfeuchtigkeit der Vergangenheit zu rekonstruieren.
Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit dem Quartär. Warum steht dieser Abschnitt der Erdgeschichte im Zentrum?
Spötl: Obwohl dieser jüngste Abschnitt der Erdgeschichte – die letzten 2,6 Millionen Jahre – verschwindend kurz ist im Vergleich zu weiter zurückliegenden Epochen, ist er ohne Zweifel einer der interessantesten, befindet sich die Erde doch seit Beginn des Quartärs in einer Achterbahn des Klimas mit langen Glazialzeiten und dazwischenliegenden, wesentlich kürzeren und wärmeren Interglazialen. Die Tropfsteine sind für die Paläoklimaforschung deswegen so wichtig, weil sie gerade in Trockengebieten empfindlich auf Niederschlagsänderungen reagieren, beziehungsweise diese aufzeichnen. Kein anderes Klimarchiv am Festland reicht so weit in die Vergangenheit zurück, wie das der Tropfsteine in Höhlen und kann auf diesen Zeitskalen so präzise Altersinformationen liefern.
Und was erzählen uns die steinernen Zeugen über den Monsun?
Spötl: Das Bild, das die Untersuchungen der Tropfsteine zeigen, ist jenes langfristiger Änderungen der Monsunintensität auf Zeitskalen von Jahrzehntausenden, die eng an die Glazial-Interglazial-Rhythmik höherer Breiten aber auch zum Beispiel der Alpen gekoppelt ist. Gerade aber während kühlerer Phasen und am Übergang zu Warmzeiten zeigen die Daten ein anderes Muster des Monsuns: Die Regenfälle waren starken, kurzfristigen Schwankungen unterworfen und diese Änderungen passierten teilweise innerhalb nur weniger Jahre.
Zum Abschluss eine allgemeine Frage an Sie als Geologen: Was können wir von den Geowissenschaften über die Entwicklung des Erdklimas lernen?
Spötl: Die Geowissenschaften dokumentieren die langfristigen Änderungsmuster des Erdklimas. Geologinnen und Geologen können mit immer feineren Methoden zum Beispiel nachweisen, dass über Jahrmillionen der Gehalt an Kohlendioxid in der Atmosphäre mit dem der mittleren Temperatur schwankte. Der Blick in die Vergangenheit, etwa zum Supertreibhaus des Eozäns vor rund 55 Millionen Jahren, kann somit ein durchaus ernstzunehmendes Szenario der Klimazukunft der Erde bieten.
Der Monsun
Der Begriff Monsun leitet sich vom arabischen Wort „mausim“ ab und bedeutet übersetzt „Jahreszeit“. Man versteht darunter eine großräumige Luftzirkulation im Gebiet der Tropen und Subtropen, die zwei Mal im Jahr ihre Hauptwindrichtung dramatisch ändert. Deshalb teilen die Menschen in Süd- und Südostasien das Jahr in zwei Jahreszeiten ein: Sommermonsun (Juni bis September) und Wintermonsun (Dezember bis Februar). Der Sommermonsun ist gekennzeichnet durch starke Regenfälle, der Wintermonsun durch Trockenheit.
Zur Person
Christoph Spötl ist seit 2004 Professor für Quartärforschung am Institut für Geologie der Universität Innsbruck und Mitglied der Kommission für Geowissenschaften der ÖAW. Spötl war APART-Stipendiat der ÖAW und START-Preisträger des Wissenschaftsfonds FWF. Seit 2013 ist er wirkliches Mitglied der ÖAW. Das Projekt „Das Asiatische Monsun-Archiv“ wird seit 2017 vom Innovationsfonds der ÖAW gefördert. Der Innovationsfonds unterstützt außergewöhnlich innovative Forschungsvorhaben, die neue Paradigmen oder neue methodische Wege eröffnen.
(Red./ÖAW)