Molekülstruktur des Enzyms 5-Lipoxygenase
Die Struktur eines Enzyms, das eine Schlüsselrolle in Entzündungsprozessen spielt, mit der an der Uni Innsbruck identifizieren Bindungstasche für Vitamin E Metaboliten (links oben).

Wirkun­gen von Vi­ta­min E viel­­fälti­ger als ge­­dacht

Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam entschlüsselten Pharmazeuten der Uni Innsbruck die entzündungshemmende Wirkungsweise von Vitamin E und seiner Stoffwechselprodukte. Die in der Zeitschrift Nature Communications veröffentlichte Studie zeigt, wie vielfältig und komplex Vitamin E und seine Metabolite wirken können.

An der Universität Innsbruck erforscht ein Team an der Pharmazie schon länger Naturstoffe auf deren entzündungshemmende Wirkungen. Die Studien werden gemeinsam mit einem internationalen Konsortium unter der Beteiligung von Forschenden aus Deutschland, Frankreich und Italien durchgeführt. In diesen Studien kamen Daten zum Vorschein, die auf Vitamin E und verwandte Strukturen als Akteur im Entzündungsgeschehen deuteten: „Vitamin E ist ein Antioxidans, es neutralisiert zellschädigende freie Radikale“, erläutert Andreas Koeberle von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Doch obwohl dies in Zell- und Tiermodellen unter Laborbedingungen hinreichend belegt ist, überzeugt Vitamin E in klinischen Studien bisher nicht: „Hier finden wir sehr unterschiedliche Ergebnisse“, sagt Koeberle. „Nicht nur, dass die positiven Effekte oft nicht in der erwarteten Stärke auftreten, manchmal zeigt die Gabe von Vitamin E sogar nachteilige Effekte“, so der Biochemiker.

Eine mögliche Ursache dafür hat das internationales Forschungsteam nun in einer breit angelegten interdisziplinären Studie nun gefunden. Demnach beruht die Wirkung von Vitamin E, das als Tablette oder Kapsel eingenommen wird, gar nicht auf dem Vitamin selbst, sondern auf seinen Stoffwechselprodukten. Besonders ein Metabolit mit Namen Alpha-Carboxychromanol besitzt unter anderem eine vielversprechende entzündungshemmende Wirkung. Dieses Ergebnis wurde nun in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Schlüsselenzym im Entzündungsprozess wird gehemmt

In der Studie haben die Wissenschaftler das entzündungshemmende Potenzial von Alpha-Carboxychromanol und anderer Vitamin E Metabolite detailliert untersucht. Der bioaktive Metabolit hemmt ein Schlüsselenzym von Entzündungsprozessen, die 5-Lipoxygenase. Dies sei eine vielversprechende Erkenntnis, sagen die Wissenschaftler, denn dieses Enzym spiele eine zentrale Rolle bei Entzündungserkrankungen wie Asthma oder Arthritis. Wie Alpha-Carboxychromanol an das Enzym bindet hat ein Team um Veronika Temml von der Abteilung Pharmakognosie am Institut für Pharmazie der Universität Innsbruck herausgefunden. Die Messungen der Kollegen in Jena hatten das überraschende Ergebnis erbracht, dass dieser Metabolit nicht dort bindet, wo dies bisher vermutet wurde. „Deshalb haben wir das Enzym im Computermodell genauer untersucht und andere mögliche Bindungsstellen für den Metabolit identifiziert“, erzählt Veronika Temml. „Dabei zeigte sich, dass die aktiven Vitamin E Metabolite in eine dieser Bindungstaschen geradezu idealtypisch hineinpassen.“

„Während es viele bekannte Hemmer für 5-Lipoxygenase gibt, ist man bisher von der Annahme ausgegangen, diese würden an der Substratbindestelle binden“, erläutert Veronika Temml. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch, dass dieses Modell überdacht werden muss und auch bekannte Hemmer auf ihre genaue Bindestelle am Enzym untersucht werden sollten. Das würde die Entwicklung optimierter Entzündungshemmer ermöglichen, die andere Strukturmerkmale und darum auch andere Nebenwirkungsprofile wie die derzeit verwendeten Medikamente aufweisen. Veronika Temml untersucht im Zuge des Hertha Firnberg Projekts „Entzündungshemmer aus natürlichen Quellen“ auch andere Naturstoffe auf ihre Wirkung auf 5-Lipoxygenase und andere Enzyme, die in Entzündungsprozessen eine Rolle spielen.

Das Forscherteam will seine Erkenntnisse nutzen, um neue Wirkstoffkandidaten für die Behandlung entzündlicher Erkrankungen zu entwickeln. Ein erster von Alpha-Carboxychromanol abgeleiteter Kandidat wurde bereits patentiert.

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